_ Fensterbauer, Profilhersteller und Verbände suchten auf dem Prowindo-Branchenforum nach Wegen, das Recycling von Kunststofffenstern zu retten. Am 26.06.2015 trafen sich die Teilnehmer in der Berliner Landesvertretung des Saarlandes – in Sichtweite zur Politik. Live zugeschaltet war Eric Liégeois von der Europäischen Kommission aus Brüssel. Angesichts riesiger Abfallmengen in Europa warb Liégeois für eine Kreislaufwirtschaft, die von der EU gestaltet wird. Paradox: Die geänderte Abfallrichtlinie soll eigentlich dem Umweltschutz dienen, aber durch sie droht auch der Recyclingkreislauf zum Erliegen zu kommen.
Komplizierter gesetzlicher Rahmen
Die Richtlinie 2008/98/EG legt in ihrem Annex 3 geringere Grenzwerte fest. Altfenster mit einem Bleigehalt über 0,3 % (vorher 0,5 %) sind seit dem 01.06.2015 als gefährlicher Abfall zu kennzeichnen. Mit weitreichenden Folgen: Die Genehmigungen für Transport und Entsorgung der Altfenster aus PVC verschärfen sich deutlich. „Die Änderungen gefährden das System des Recyclings von Kunststofffenstern, das in den letzten zwanzig Jahren erfolgreich etabliert wurde,“ warnte Gerald Feigenbutz von der Initiative Prowindo in seinem Grußwort.
Ausgerechnet das PVC-Recycling ist bedroht, obwohl dabei deutlich weniger CO2 entsteht, als bei der Produktion neuer Kunststoffe. Prowindo zufolge leistet das Kunststoff-Recycling einen erheblichen Beitrag zum Umweltschutz, weil es nur 10 % der Energie im Vergleich zu primär hergestelltem Kunststoff verbraucht.
Umweltfreundliches Recycling
Der Kreislauf funktioniert: Recycler sammeln gebrauchte Fenster auf Baustellen ein und zerlegen das Material im Werk in seine Bestandteile, damit es in neue Profile eingebracht werden kann. Andreas Hartleif, Vorstandsvorsitzender der Veka AG, nannte Zahlen des Profilherstellers: „Der Recyclinganteil in Kunststoffprofilen hat sich in den letzen Jahren gesteigert und liegt derzeit bei 18 %. Unser Ziel und technisch möglich sind 30 %.“ Der Vorstandvorsitzende warb für eine freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie zu einer kontrollierten Kreislaufwirtschaft. Eigenverantwortlich erarbeiten die Unternehmen Lösungen, wie sie ihre Emissionen und ihren Energieverbrauch senken sowie die Additive, z. B. Blei, nachhaltig verwenden. Die Veka AG plädiert für politische Weichenstellungen: „Die Haltung ‚Recycling nur ohne Schwermetalle’ ist problematisch und technisch zu aufwendig.“ Bleibt es bei der strengeren Klassifikation, zögen sich Recycling-Betriebe aus dem Geschäft zurück.
Klimaschutz ganzheitlich betrachten
Höhere Umweltrisiken verordnete der Veka-Vorsitzende an anderer Stelle: „Das Deponieren und Verbrennen von PVC-Fenstern wirkt dem Recycling entgegen. Wir wollen es ermöglichen, dass kein Fenster verbrannt oder deponiert werden muss,“ so Hartleif.
Während Deutschland beim Recycling vorn liege, hinkten andere Länder hinterher. Statt neuer Blei-Grenzwerte, forderte der Profilhersteller europaweite Deponieverbote und eine Einschränkung der thermischen Verwertung, um weniger Rohstoffe zu verschwenden.
Über die energetische Bilanz hinaus seien Kunststofffenster, die mit einem Anteil von 58 % den Markt anführen, aufgrund ihrer Ressourceneffizienz umweltfreundlich. Sie tragen dazu bei, Heizkosten in Immobilien zu sparen und haben eine lange Lebensdauer. Anschließend bleibt die Ressource durch das Recycling erhalten. Prowindo zufolge entstehen aus 32 430 t Alt-Kunststoff immerhin 22 330 t wieder aufbereitetes PVC.
Winzige Details – massive Wirkung
„Die kleine Veränderung beim Blei verursacht einen riesigen Rattenschwanz an Änderungen und Auswirkungen,“ beschrieb Thomas Probst vom Bundesverband Sekundärrohstoffe (bvse) die Tragweite der Richtlinie.
„Kunststoffrecycling betrifft nicht nur Fenster und nicht nur Deutschland, auch andere PVC-Produkte europa- und weltweit z. B. Flaschen, Tüten oder Fahrzeugteile,“ sagte der Chemiker, der zugleich als vereidigter Gutachter des Bundesministeriums für Forschung arbeitet.
Die Vorgaben der EU müssen in nationale Regelungen überführt werden, während sich die Begriffe der Gefahrstoffe auf beiden Ebenen unterscheiden. Die Einteilung von Kunststoffen und Gefahrstoffen wäre zudem mit internationalen Bestimmungen abzugleichen. Materialien, die weltweit als unbedenklich gelten, aber in der EU wie Gefahrstoffe behandelt werden, führten zu neuen Problemen. Die Grenzwertänderung diskriminiert das Kunststoff-Recycling, indem PVC-Produkte gegenüber anderen Materialien (z. ++B. Holz oder Alu) einen Wettbewerbsnachteil erleiden. Kunststoffprodukte mit recycelten Bestandteilen, die als gefährlicher Abfall gelten, wären praktisch unverkäuflich – ein unzulässiger Markteingriff.
Lösung in Sicht
Doch es besteht Grund zum Optimismus. Denn die europäische Chemikalienverordnung REACH überlagert das Abfallrecht.
„Eine unter REACH festgelegte Ausnahme mit geeigneten Grenzwerten würde helfen,“ zeigte sich Gerald Feigenbutz zuversichtlich. Wissenschaftlich nachgewiesen stellt der Bleigehalt kein Risiko für Mensch und Umwelt dar, weil das Blei fest in der Kunststoffmatrix eingeschlossen bleibt. —
Kurz & knapp: 3 Fragen an Gerald Feigenbutz
GLASWELT – Welche gesetzlichen Regelungen gefährden das Kunststofffenster-Recycling?
Gerald Feigenbutz – Die aktuell gültige Abfallrichtlinie 2008/98/EG. Im Abfallverzeichnis (Annex III) sind Grenzwerte für Bleiverbindungen in Kunststoffen festgelegt. Überschreiten diese Bleiverbindungen den Wert von 0,3 %, sind die Kunststoffe ab 01.06. 2015 als gefährlicher Abfall zu kennzeichnen.
GLASWELT – Welche Konsequenzen drohen?
Feigenbutz – Die Regelung benachteiligt Unternehmen, die erfolgreich recyceln, gegenüber denen, die nicht recyceln. Der Aufwand bei der Erfassung, Lagerung und Aufbereitung der Altfenster erhöht sich so sehr, dass er den Nutzen der Wiederverwertung überragt. Das führt zum Paradox, dass Kunststofffenster künftig in der Sonderabfallverbrennung landen könnten.
GLASWELT – Wie stellt sich Prowindo das Recycling vor?
Gerald Feigenbutz – Wir wünschen uns unter REACH vereinbarte Ausnahmeregelungen mit geeigneten Grenzwerten. Das Problem ist lösbar. Wir spüren: Alle wollen das Recycling.