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Haftungsfalle “Bedenken anmelden“

_ Schaut man ins bürgerliche Gesetzbuch fällt auf, dass sich dort weder im so genannten Werkvertragsrecht noch bei den übrigen Regelungen ein Hinweis zum Thema Bedenken findet, d. h. das BGB kennt den Begriff Bedenken oder die Verpflichtung, Bedenken anzumelden nicht – jedenfalls nicht als ausdrückliche Regelung.

Fündig wird man bei den Regelungen VOB/B und VOB/C. Bei § 4 Nr. 3 VOB/B wird statuiert:

„Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung (auch wegen der Sicherung gegen Unfallgefahren), gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer, so hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich – möglichst schon vor Beginn der Arbeiten – schriftlich mitzuteilen; der Auftraggeber bleibt jedoch für seine Angaben, Anordnungen oder Lieferungen verantwortlich."

Hinweispflicht gilt für VOB- und BGB-Verträge

Diese Bedenkenhinweispflicht gilt jedoch nicht nur dann, wenn die VOB/B Vertragsbestandteil wurde. Auch beim BGB-Werkvertrag ergibt sich die Verpflichtung, Bedenken anzumelden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem im zivilen Vertragsrecht allgemein gültigen Grundsatz von Treu und Glauben und der daraus dem Werkunternehmer als Fachmann obliegenden Verpflichtung, den Auftraggeber vor Schaden zu bewahren.

Hinter dieser etwas abstrakten Formulierung steckt nichts anderes, als die Verpflichtung des Werkunternehmers zum Mitdenken und die Verpflichtung, dass dieser seine besonderen Fachkenntnisse einsetzt, um abzuschätzen, ob das, was der Auftraggeber will, in seiner Umsetzung auch zu einem mangelfreien Gewerk führen kann. Der Werkunternehmer muss also prüfen, ob nach seiner Sachkunde die vom Auftraggeber gewünschte Art der Ausführung zu einem mangelfreien Gewerk führt.

Wann sollten Sie Bedenken bei Verglasungsarbeiten haben?

Eine Bedenkenanzeige setzt damit notgedrungen eine Prüfung des Werkunternehmers voraus. Eine Pflicht zur Prüfung ist in der VOB/B zwar nicht ausdrücklich formuliert, wird aber deshalb in Literatur und Rechtsprechung bejaht, weil sie zwangsläufige Voraussetzung für die Erfüllung der Anzeigepflicht ist.

Wie weit die Prüfpflicht des Werkunternehmers geht, d. h. wann eine Prüfpflicht gegeben ist und wie weit sie reicht, lässt sich nicht abstrakt definieren. Es kommt auf die Verhältnisse und Umstände des Einzelfalls an. Hinweise können sich auch aus den Regelungen der VOB/C ergeben.

Hinter der Verpflichtung, den Auftraggeber vor Schaden zu bewahren steckt auch die Verplichtung zum Mitdenken.
So ist z. B. in der VOB/C DIN 18361 (Verglasungsarbeiten) u. a. geregelt, dass der Werkunternehmer bei seiner Prüfung Bedenken insbesondere geltend zu machen hat bei Verglasungen, die den gesetzlichen oder bauaufsichtlichen Bestimmungen nicht entsprechen, bei unzureichender Festigkeit von Rahmen, Pfosten, Riegeln, Sprossen und Beschlägen, vor allem im Verhältnis zum Gewicht der Scheiben und unter den Klotzungsstellen.

Ähnliche Regelungen finden sich in der VOB/C DIN 18355 (Tischlerarbeiten), in der u. a. geregelt ist, dass der Auftragnehmer bei seiner Prüfung Bedenken insbesondere bei fehlenden Voraussetzungen für die Befestigung und Abdichtung der einzubauenden Bauteile zum Baukörper, fehlender Aussparung, fehlendem konstruktivem Holzschutz und zu hoher Baufeuchte geltend zu machen hat.

Letztendlich geht es immer darum, den Auftraggeber vor Schäden und Mängeln zu bewahren oder – anders ausgedrückt – der Werkunternehmer darf den Auftraggeber nicht „ins offene Messer laufen lassen“, indem er den Auftraggeber nicht warnt, obwohl für den Fachmann erkennbar ist, dass eine Vorgabe des Auftraggebers nicht tauglich ist.

Nichts anderes gilt für erkennbare Defizite in der Werkleistung eines Vorunternehmers, auf die aufgebaut wird. Vereinfacht ausgedrückt geht es also immer um die Frage: War es für einen Werkunternehmer als Fachkundigen bei gehöriger Prüfung und Einsatz seines Fachwissens möglich zu erkennen, dass aus der Sphäre des Auftraggebers stammende Vorgaben und Materialien und Vorleistungen nicht geeignet sind, ein den anerkannten Regeln der Baukunst entsprechendes mangelfreies Werk herzustellen.

In der anwaltlichen Praxis spielt das Thema „Bedenkenhinweispflicht“ eine große praktische Rolle und führt vielfach zu negativen Konsequenzen für den Werkunternehmer, wenn er nämlich für einen Mangel einzustehen hat, weil ihm ein Gericht zur Last legt, der Prüf- und Bedenkenhinweispflicht nicht ausreichend entsprochen zu haben. Die

Rechtsprechung geht dabei so weit, dass in Einzelfällen den Werkunternehmer eine Offenbarungspflicht trifft, wenn die Fachkenntnisse fehlen, um seiner Prüfpflicht gehörig nachkommen zu können.

Man muss sich hier als ausführender Werkunternehmer immer vor Augen halten, dass man im Streitfall beweisen muss, dass man seiner Prüf- und Hinweispflicht nachgekommen ist und dass – wenn sich nach Leistungserbringung zeigt, dass ein Mangel des Vorgewerks für den eigenen Mangel (mit) ursächlich war – er sich nur entlasten kann, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass dies trotz gebotener Sorgfalt und gebotener Prüfung vor Ausführung der eigenen Werkleistung nicht erkennbar war.

Der Auftraggeber wird dem Werkunternehmer im Zweifel immer zur Last legen, der Werkunternehmer sei der Fachmann und als solcher habe er erkennen können und erkennen müssen, dass Vorgaben des Auftraggebers nicht in ein mangelfreies Gewerk umgesetzt werden können. Entsprechendes gilt für Vorleistungen anderer Handwerker und vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Materialien.—

Weiteres zum Thema „Bedenkenanmelden“ erfahren Sie in der nächsten Ausgabe der GLASWELT.

Jürgen-Dieter Koch

kommentiert: Bedenken zur Bedenkenanmeldung

Ralf Spiekers von Tischler Schreiner Deutschland:

Ich sage immer: Bedenken gegen das eigene Handeln sind keine Bedenkenanmeldung gemäß VOB. Das Problem ist in diesem Fall anders gelagert. In der Regel will man mit dem Endkunden Dinge vereinbaren, die man nicht ausführen kann bzw. sollte. Häufig ist auch der Preis, dem man dem Endkunden nicht zumuten will, ein entscheidendes Kriterium. Ein Klassiker ist die Vereinbarung, die innere Abdichtung von Fenstern nicht auszuführen. Hier sind zwei grundlegende Fälle zu unterscheiden.

Entweder soll nach der eigenen Handwerkerleistung ein weiteres Gewerk die Leistung komplettieren – das heißt sie entspricht dann erst den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Hier bietet die VOB durch die Formulierung im Abschnitt 0.3.2 die Möglichkeit, die Leistung (vgl. Abschnitt 3.5 ATV DIN 18355) anders zu vergeben bzw. den Ausführungsumfang („ordentlich befestigt“, „schlagregendicht“, „gedämmt“, „innen dauerhaft luftundurchlässig“, etc.) zu reduzieren. Hier braucht es je nach Beauftragung ggf. den Hinweis, dass die Leistung nicht vollständig ist.

Oder aber die Handwerkerleistung erfolgt vollständig durch den Auftragnehmer, der aber einige Dinge „weglassen“ möchte.

Wenn man absehen kann, dass am Ende eine fachlich falsche Ausführung entsteht (z. B. weil man auch noch selbst den inneren Anschluss ohne Abdichtung beiputzt) ist das problematisch und wird am Ende im Streitfall zu einer Mithaftung führen.

Das es dennoch auch anders geht, zeigt folgendes Beispiel: Es wird eine Treppenhausverglasung montiert, die kein geeignetes Glas hinsichtlich der notwendigen Absturzsicherung aufweist. Die Option eines Gitters will der Kunde nicht und er besteht auf der günstigen Normalverglasung. Diesen Fall sehe ich vertraglich regelbar, da ein Gitter auch später noch montiert werden kann.

Aber auch hier bleibt die Frage: Wie wehre ich mich gegen potenzielle Schadensersatzansprüche des Bauherren oder ggf. Dritter. – Ein guter Jurist sollte den Fall lösen können.

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