_ Im Jahr 2003 tauchten in Österreich und der Schweiz erstmals gelbe Flecken auf weißen Kunststoff-Fenstern auf. Untersuchungen durch unabhängige Institute ergaben eine Veränderung der Oberfläche durch eine chemische Reaktion, welche auf Ablagerungen von Metallstäuben zurückzuführen war.
Nach und nach breitete sich dieses Phänomen, von Süden kommend, auch über Deutschland aus. Woher diese Stäube stammten, war zunächst rätselhaft. Vermutet wurden Metallabriebe bzw. Metallstäube, welche von Bremsscheiben stammen könnten. Weiter wurden Emissionen von Industriegebieten vermutet oder Eisenbahnschienen, bei denen beim Bremsen der Züge ebenfalls Metallabriebe entstehen.
Flugrost auf Edelstahlgeländern war bereits hinlänglich bekannt. Dass bei der Oxidation eines Eisenstaubes, welcher auf einem PVC-Profil zum Liegen kommt, unter Einfluss von UV-Licht eine chemische Zerstörung der PVC-Oberfläche erfolgt, die mithilfe von Metallzersetzung, Pollen und UV-Licht zu einer Gelbverfärbung rund um den Metallpunkt führt, war jedoch neu.
Wenn direktes UV-Licht eine Rolle spielt, ist die Gelbverfärbung auf der Südseite der Häuser logisch und nachvollziehbar.
Warum aber in einem Neubaugebiet oft nur ein einzelnes Haus von diesem Phänomen betroffen ist, blieb lange unbeantwortet.
Was der Rasendünger mit PVC-Fenstern zu tun hat
Erst als ein Techniker der PVC-Branche auf die Idee kam, seinem neu angepflanzten Rasen mit Rasendünger auf die Sprünge zu helfen und in einem Gartencenter einen „eisenhaltigen Rasendünger“ kaufte, ergab sich plötzlich eine logische Erklärung: Beim großzügigen Verteilen von eisenhaltigem Rasendünger können Metallstäube punktuell in großer Menge verteilt werden, was erklärt, warum häufig ein einzelnes Haus in einem Wohngebiet betroffen ist – und dort verstärkt die Fenster in den unteren Etagen.
Werden die Metallstäube nicht in den folgenden Tagen durch Abwaschen entfernt, können sich diese – hauptsächlich bei den unteren Profilen – festsetzen und verursachen die oben beschriebenen Probleme.
Gelbverfärbung ohne Eisenstaub-Einwirkung
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. So könnte man meinen, aber weit gefehlt. Der Gelbverfärbung durch Eisenstaub folgte wenige Jahre später ein weiteres Problem: Die großflächige Gelbverfärbung der weißen Kunststoff-Profile ohne Einwirkung von Eisenstaub mit einer häufig einhergehenden linienförmigen Erhebung am PVC-Profil.
Und hier ist die Ursache im Reinigungsvorgang zu suchen: Die neue Generation von Haushaltsreinigern und Spülmitteln fällt dadurch auf, dass die Flaschengröße immer kleiner, dafür die Konzentrationen der Reinigungsmittel immer größer werden. Diese Reiniger nennen sich daher auch „Konzentrate“.
Während man früher einen kräftigen Schuss Spülmittel in eine undefinierte Menge Wasser gab, findet man heute auf der Rückseite dieser Mittel Dosieranweisungen, die in ihrer Genauigkeit aus einem Pharmazielabor stammen könnten. Bei vielen Reinigungskonzentraten lautet die Dosierung ungefähr wie folgt: 3 ml Reinigungskonzentrat auf 5 Liter Wasser verwenden. Auf Deutsch 3 Tropfen des Konzentrats auf 5 Liter Wasser.
Enthalten diese Reiniger Zusätze wie Orangen-, Zitronen- oder Pfefferminzgeschmack wird es spannend, da diese sauren Stoffe die PVC-Oberfläche angreifen können.
Befindet sich in den Reinigungsmitteln gar Ammoniak und / oder Benzylalkohol ist eine Zerstörung der PVC-Oberfläche im Mikrobereich fast zu erwarten – diese Stoffe haben in einem PVC-Reiniger nichts zu suchen. Speziell Benzylalkohol oxidiert mit Sauerstoff zu Benzaldehyd was laut Chemielexikon mit Hart-PVC nun ganz und gar nicht verträglich ist.
Zu viel Reiniger, zu starke Konzentration
Wer jetzt anstelle von 3 ml Reinigungskonzentrat einen kräftigen Spritzer verwendet und diesen anstatt in 5 Litern mit nur ca. 2 Litern Wasser vermischt, erzeugt eine Überdosierung um den Faktor 25 bis 30. Die chemischen Reinigungszusätze sind somit um das 25- bis 30-fache überdosiert.
Gerade der Zusatzstoff „Milchsäure“ kommt dem Namen nach harmlos daher, in einer starken Überdosierung ist Milchsäure jedoch äußerst aggressiv gegenüber PVC.
In Frankreich und Spanien gibt es in den Supermärkten eine Chlorbleiche zu kaufen, welche in sehr geringen Dosen zum Desinfizieren von Trinkwasser eingesetzt werden kann. In zu hohen Dosen beim Reinigen des Fußbodens eingesetzt, kann man damit Chlordämpfe erzeugen, die jede Giftgaswolke im Esten Weltkriegs als lauen Frühlingsduft erscheinen lassen.
Wird der geöffnete Fensterflügel mit überdosierten ammoniakhaltigen Reinigern geputzt und anschließend geschlossen, wurden zwischen Flügelprofil und Blendrahmenanschlagdichtung die chemischen Substanzen eingeschlossen und können nun mit dem PVC reagieren. Kleine Aufquellungen am Flügelprofil sind die Folge. Aufgrund der Dichtungsanlage sind diese Aufquellungen so gerade, als seien sie mit dem Lineal gezogen.
Diese Erhebungen treten zeitlich meist vor der Gelbverfärbung auf und sind ein klares Indiz für den Missbrauch, bzw. die Überdosierung von Haushaltsreinigern. Wenigstens ein Vorteil im Nachteil: Man spart sich dadurch die Laborkosten. Die Diskussion mit dem Endkunden bleibt.
Reinigen der Oberflächen
Da dieses Problem durch den Missbrauch / der Überdosierung von Haushaltsreinigern bzw. als Reaktion auf Eisenstaub entsteht, versteht sich von selbst, dass sich die gelben Flecken nicht mit Haushaltsreinigern entfernen lassen. Hier muss der Profi ran.
Nur durch Abschleifen der Oberfläche, bzw. durch ein abrasives Säubern der Profile können die betroffenen Fenster gereinigt werden. Im Anschluss erfolgt die Versiegelung der behandelten Oberfläche. Danach sind die Profile wieder so sauber, „dass man sich drin spiegeln kann“, um einen alten Werbeslogan zu benutzen. Freilich darf eine deutliche Ermahnung der Bauherren nicht fehlen, die Fenster nicht wieder mit den verwendeten Haushaltsmitteln zu putzen, denn sonst beginnt die Problematik wieder von vorn.
Als Prävention sollte bereits bei der Angebotsabgabe der Hinweis erfolgen, dass die Reinigung der PVC-Oberflächen nur mit einem Mittel erfolgen darf, welches frei von Geschmacksstoffen, Terpenen, Ammoniak oder Benzylalkohol ist, bzw. am besten mit einem Reiniger durchgeführt wird, welcher der Fensterlieferant zur Verfügung stellt.—
Der Autor
Jürgen Sieber ist Betriebswirt und Glasermeister, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Glaser- und Fensterbauer-Handwerk. Zudem ist er Landesinnungsmeister des Fachverbands GFF in Karlsruhe und unterrichtet an der dortigen Meisterschule für Glaser- und Fensterbauer.