Pro
Matthias Rehberger GLASWELT – Wer die Digitalisierung seiner Fertigung ernst nimmt und seine Kunden und auch die Zulieferer mittelfristig mit einbinden will, kommt über eine Vernetzung mit Einzelmarkierung seiner Gläser und Glasprodukte nicht herum. Warum? Nur so lässt sich der Soll-Ist-Vergleich über die komplette Wertschöpfungskette von der Glaslieferung bis zum Einbau nachvollziehen. Nur mittels Markierung von Einzelscheiben lassen sich die Abläufe und Fertigungsstände der eingebundenen Maschinen in der Produktion klar nachverfolgen. So können auch Materialien rechtzeitig (automatisiert) geordert werden. Weiter ist der Fertigungsstand immer bekannt und damit kann der Einbau punktgenau vorbereitet werden.Eine mit aufgedrucktem oder gelasertem QR-Code oder Data Matrix markierte Scheibe ist mit ihren technischen Eigenschaften genau definierbar, was die Nachproduktion im Fall eines Bruchs leicht macht. So lässt sich nach Jahren eine identische Scheibe nachfertigen, da abgelesen werden kann, um was für ein Glas, welche Beschichtung und welche Maße es sich handelt.
Mittels Code kann der Verarbeiter zudem nachweisen, dass er das richtige Glas geliefert hat, wenn es zum Rechtsstreit kommen sollte.
Und sollten mehreren Brüche in einer Fassade auftreten, lässt sich so schnell die Charge ermitteln und man kann präventiv eingreifen bzw. die notwendigen Scheiben austauschen. Mit Blick auf die ganze Wertschöpfungskette bringt das für den Fenster- und Fassadenbauer einen Wettbewerbsvorteil, da er seinem Kunden die Sicherheiten in Bezug auf das Glas bieten kann.
Hinsichtlich der Logistikkette ist es von Vorteil, wenn sich ein Glas durchgängig nachverfolgen lässt, da immer klar ist, wo es sich gerade befindet, was bei langen Anfahrtswegen oder Luft- und Seefracht interessant ist sowie bei Baustellen mit einem begrenzten Tageszeitfenster. Der Kunde bzw. die Verantwortlichen für den jeweiligen Montageschritt wissen so immer Bescheid, wo das Glas sich befindet. —
Contra
Dr. Thomas Schmidt, Berater Produktion – Digitalisierung ist notwendig, aber in welchem Rahmen ist sie für mittelständische Betriebe sinnvoll und finanziell tragbar? Ist eine Einzelscheibenmarkierung zum jetzigen Zeitpunkt schon wirklich sinnvoll? Mit modernen ERP-Systemen lässt sich auch heute schon ohne Einzelmarkierung die komplette Nachverfolgung realisieren. Um die Nachverfolgung durch Einzelmarkierung zu ermöglichen, müssten alle Maschinen und Stationen mit einem entsprechenden Lesesystem ausgestattet sein. Das ist bei den meisten installierten Maschinen nicht der Fall und eine Nachrüstung ist teuer – ohne dass ein direkter Vorteil für die Fertigung entsteht. Die Scheibe läuft weder schneller durch die Produktion noch sinken die Fertigungskosten.Auch mit den heutigen Methoden der Losverfolgung und mittels Etiketten ist der Stand der Fertigung vollständig nachvollziehbar. Ebenso lässt sich so eine scheibengenaue Bruch-Nachfertigung generieren. Wie viel Promille aller Scheiben betrifft die Nachfertigung nach Jahren und welchen Umsatz bringt das? Und eine „online“ Bestimmung der Position eines Glases ist „nice to have“, bringt aber nur beschränkten Nutzen. Erst wenn die Steuerung der Maschinen durch das Werkstück, hier unsere Scheibe, erfolgt, macht das Ganze Sinn.
Digitalisierung sollte eher in Bereichen ansetzen, in denen sofortiger Nutzen für den Produzenten entsteht, beispielsweise in einer Online Auftragsannahme. Wie viele Bestellungen kommen heute noch per Fax in den Auftragszentren an? Oder bei der Übertragung von notwendigen Papieren zum Kunden – es muss nicht immer ein gedruckter Lieferschein oder eine gedruckte Packliste sein…
Weitere Felder für die Digitalisierung ergeben sich schnell auch im Bereich der vorausschauenden Wartung oder des Energieverbrauchs der Fertigung. Eine Einzelscheibenmarkierung ist dann sinnvoll, wenn das Umfeld passt und die vor- und nachgelagerten Stellen mit den Informationen etwas anfangen können. Dies scheint mir zurzeit häufig noch nicht gegeben – hier stecken noch weitere Potenziale für die Zukunft. —