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Interview mit Peter Dixen von A+W

Maschinen werden mehr und mehr miteinander kommunizieren

Glaswelt – Was wird künftig bei Glasverarbeitern in Sachen effiziente Fertigung ganz oben auf der Agenda stehen?

Peter Dixen – Mit zunehmender Digitalisierung werden sich Bestell-, Produktions- und Lieferprozesse auf Basis einer einheitlichen Datenplattform immer mehr selbsttätig organisieren und mit jedem Prozessschritt kontinuierlich optimieren. Dazu gehören produktionsnahe, dynamische Kostenkalkulation und autonome Fertigungsplanung ebenso, wie selbst organisierende dynamische Produktion.

Glaswelt – Und wie sieht es mit der Wartung aus?

Dixen –  Immer mehr Maschinen bieten „Predictive Maintenance“, das heißt sie kündigen rechtzeitig an, welche Teile verschlissen sind oder demnächst ausfallen werden, wenn sie nicht repariert oder ausgetauscht werden. Die Maschine kommuniziert aktiv und selbstständig mit dem Bediener. Produktionsstillstände werden vermieden, die Qualität bleibt auf gleichmäßig hohem Niveau.

Glaswelt – Spricht man heute von Automatisierung, fällt schnell der Begriff Industrie 4.0. Was ist eigentlich der Unterschied?

Dixen – Klassische Automation kann einzelne Maschinen und Prozessschritte betreffen, ohne Auswirkungen auf Folgeprozesse und andere Bereiche im Office und der Fertigung.

In Industrie 4.0 Umgebungen hingegen geht es vor allem um intelligente Kommunikation in komplexen Systemen. Sämtliche kaufmännischen und produktionsbezogenen Prozesse sind miteinander vernetzt – „from quote to cash“. Maschinen kommunizieren miteinander, mit Menschen, mit Werkstücken, mit Softwaresystemen auf Basis einer einheitlichen Datenplattform. Das Werkstück gibt auf Wunsch Auskunft darüber, was als nächstes mit ihm gemacht werden soll. Die Kommunikation geht über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinaus: Glasbruch beim Fensterbauer triggert ohne Umwege die Nachproduktion beim Isolierglas-Partner.

Glaswelt – Wie weit sind die hiesigen Glasverarbeiter schon vernetzt und welche intelligenten Maschinenanbindungen und Software gibt es bereits?

Dixen – Betrachten wir zunächst die kaufmännischen Prozesse, das wird beim Thema Industrie 4.0 oft vergessen: Immer mehr Produzenten setzen auf die Bestellung via Internet. Die Bestelldaten des Kunden gehen nach den erforderlichen Machbarkeitsprüfungen von Webshops wie A+W iQuote direkt ins System des Herstellers, der sich so viel Erfassungsaufwand spart: Es gibt Produzenten, die ihren Kunden attraktive Rabatte gewähren, wenn sie nicht per Fax oder E-Mail, sondern per Webshop bestellen.

Die Produktion ist immer mehr von intelligenten Schnittstellen geprägt – der Programmieraufwand an den Maschinen entfällt, die Durchlaufzeiten werden geringer. Mit Schnittstellen wie A+W CAM-DXF können die Produzenten heute in der gleichen Zeit die doppelte Menge produzieren – denken wir an die moderne Generation von CNC-Maschinen, die immer mehr im schnellen Durchlaufverfahren arbeiten, aber erst durch intelligente bidirektionale Schnittstellen ihre volle Leistungskraft ausspielen können. Es fließen Informationen von der Maschine zurück, auf die wiederum die Steuerungssoftware reagieren kann.

Glaswelt – Was ist bei 4.0 neu gegenüber vorherigen Prozessoptimierungen?

Dixen – Neu ist, dass die Daten in alle Richtungen gehen, d. h. die Maschinen empfangen nicht nur Daten, sie geben selbst Auskunft. Und solche Daten können dann wieder in die Produktion mit einfließen und diese in Echtzeit anpassen. Weiter bringt das auch Vorteile für Wartung (bessere Wartungsfenster, früheres Eingreifen bei Problemen, höhere Flexibilität). So lässt sich insgesamt eine höhere Produktivität generieren.

Glaswelt – Und was bieten Sie hierfür an?

Dixen – Schon jetzt die gesamte Software von der Angebotserstellung über die Produktion bis zur Auslieferung und Fakturierung – und Optimierungsintelligenz vom Zuschnitt bis zur Lieferlogistik.

Entscheidend ist die Datenaggregation und –auswertung über sämtliche Prozesse, für die wir die Plattform A+W IOT schaffen: Wir entwickeln einen Datencontainer, der aus allen Unternehmensbereichen gefüllt wird, sei es aus dem ERP-System oder einzelnen Maschinen. Diese Datenplattform ermöglicht die durchgehende Verfolgung und Kontrolle sämtlicher Unternehmensprozesse und damit die intelligente Kommunikation, die eine Industrie 4.0 Fertigung erst ermöglicht.

Glaswelt – Können Sie uns für den Anwendernutzen dieser IOT-Plattform Beispiele nennen?

Dixen – Betrachten wir doch mal autonome Fertigungsplanung und selbstorganisierende Produktion! In solchen 4.0 Fertigungen sind Bearbeitungsmaschinen nicht starr zugeordnet, sondern das Werkstück findet durch Kommunikation seines Bearbeitungszustandes die am schnellsten verfügbare geeignete Maschine für den nächsten Bearbeitungsschritt. Voraussetzung dafür ist durchgängige Traceability des Gesamtprozesses von der Bestellung über Produktion und Versand bis zur Installation des Fertigproduktes.

Das ist keine Zukunftsmusik, daran arbeiten wir bereits aktuell. Mögliche Szenarien reichen von der flexiblen Kapazitätsplanung über die intelligente Verplanung von Mitarbeitern bis hin zur weitgehend autonomen Schichtplanung. Die Produktionsdichte wird höher, wenn Schichten intelligent geplant sind, es gibt weniger Leerlauf und Maschinenstillstände.

Glaswelt – Was bedeutet das im Detail?

Dixen – Stellen Sie sich vor, Ihr autonomes Planungs- und Fertigungssystem weiß nicht nur, was bis wann auf welchen Maschinen produziert werden muss, sondern auch, welcher Mitarbeiter wann an welchen Technologien dafür eingesetzt werden kann. Mit der Flexibilität wächst Ihre Fertigungskapazität – ohne eine einzige Maschine oder einen Mitarbeiter mehr, nur aufgrund maximaler Fertigungsintelligenz.

In Firmengruppen kann so auch werksübergreifend geplant werden. Das Monitoring und eventuell notwendige Eingriffe können remote über Dashboards auf mobilen Endgeräten erfolgen.

Glaswelt – Welche Bereiche zur Optimierung und Kosteneinsparung sollten die Glasverarbeiter künftig im Blick haben?

Dixen – Nachdem die interne Organisation in den letzten Jahren zunehmend angepasst wurde, sollte sich der Blick auf die externe Logistik richten. Dies ist gegenwärtig einer der größten Kostenblöcke – mit viel Verbesserungsspielraum. Optimierte Lieferlogistik mit Werkzeugen wie dem A+W Logistics Optimizer, die Optimierung von Packmitteln und Lkws, das Gestellmanagement, die Traceability von Lieferungen – stellen Sie sich das ähnlich wie bei DHL vor – all das sind Themen, die wir gegenwärtig vorantreiben.

Glaswelt – Können Sie auch hier ein Beispiel nennen, wie sich die Logistik verbessern lässt?

Dixen – Ja. Bei optimierter Lieferlogistik kann der Fahrer den Kunden per App viel präziser darüber informieren, was wann geliefert wird, was gegebenenfalls nachgeliefert wird etc. Ebenso kann er Bruchscheiben direkt zur Nachproduktion anmelden. Langwierige Prozesse aus der Fertigung des Kunden über dessen Verwaltung werden damit obsolet. Die gesamte Kommunikation wird schneller und effizienter.

Glaswelt – Wird es künftig überhaupt noch ohne Industrie 4.0 in der Glasbranche gehen?

Dixen – Unternehmen, die in den nächsten Jahren die Chancen von Industrie 4.0 nicht nutzen, werden auf die Dauer am Markt nicht bestehen können. Dazu braucht es allerdings für jedes Unternehmen maßgeschneiderte tragfähige Konzepte – wegen der zunehmenden Vernetzung auch in Bezug auf die Datensicherheit.

Glaswelt – Wie wichtig ist für Sie der Markt in der DACH Region?

Dixen – Die DACH-Region ist unser „Stammmarkt“, der uns groß gemacht hat und durch seine enorme Innovationskraft großes Potenzial für uns und unsere Technologiepartner bietet. Hier wachsen wir noch heute bei Bestandskunden und gewinnen weiterhin neue Kunden hinzu.

Andererseits kreieren wir einen großen Teil unseres Umsatzes auf ausländischen Märkten mit immer noch guten Wachstumsmöglichkeiten. Das ist bei uns nicht anders als bei der gesamten Zulieferindustrie für die Glasbranche.

Glaswelt – Ich habe gehört, dass Sie mit einem chinesischen Unternehmen zusammenarbeiten, können Sie dazu bitte einige Details nennen?

Dixen – A+W ist mit North Glass auf dem chinesischen Markt eine strategische Partnerschaft eingegangen. China ist der größte Flachglasmarkt der Welt mit enormen Wachstumsraten – fast die Hälfte der globalen Flaotglas-Produktion findet in China statt. Hier sehen wir starkes Potenzial.

Der Zugang zu diesem Markt ist mit einem starken chinesischen Partner deutlich einfacher. Eine Zusammenarbeit mit North Glass außerhalb des chinesischen Marktes ist nicht geplant.

Glaswelt – Der Mutterkonzern von A+W sitzt in Nordamerika, welche Vorteile bringt das?

Dixen – Bedenken Sie, dass Constellation – unsere Muttergesellschaft – eine Firmengruppe mit mehr als 300 unabhängigen Softwareunternehmen ist. Trotz dezentraler Struktur ist die Zusammenarbeit dieser Unternehmen miteinander sehr eng. Über unsere Muttergesellschaft sehen wir so weltweite Entwicklungen und Trends früher als andere Anbieter und profitieren gleichzeitig von vielen Synergien.

Glaswelt – Was haben Sie in diesem Jahr von den Glass Performance Days in Tampere mitgenommen?

Dixen –  Ich habe dort einen frischen Wind gespürt, stark getrieben von der Idee, Start-ups auf die Konferenz einzuladen. Generell täte es der Glasbranche gut, verstärkt mit Start-up-Firmen zusammenzuarbeiten, das bringt ganz neue Impulse, die die Branche auch braucht. Ich denke auch, dass das neue Organisations- und Kommunikationskonzept der Veranstalter – „All in one Hall“ – gut für die GPD ist.—

Das Gespräch führte Matthias Rehberger.

www.a-w.com

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