Glaswelt – Vor dem Hintergrund von Industrie 4.0 und dem immer höheren Grad an Automatisierung und Digitalisierung von Fertigungsprozessen wird eine eindeutige Kennzeichnung von Glas verlangt. Was steckt genau dahinter?
Dr. Thomas Rainer – Mit der schrittweisen Umsetzung von Industrie 4.0 erhöht sich auch der Grad der Vernetzung in den glasverarbeitenden Betrieben. Diese Entwicklung führt zu noch schnelleren und stärker ineinandergreifenden Produktionsprozessen und wirkt sich positiv auf die Produktivität und den Materialfluss aus. Gleichzeitig wird die Kommunikation und die Interaktion zwischen Mensch und Maschine deutlich zunehmen, ebenso zwischen den Maschinen untereinander. Um den gesamten Prozess vollständig abbilden, überwachen und tiefgreifender optimieren zu können, wird es erforderlich, die Einzelprodukte und Halbzeuge, z. B. die Glaszuschnitte oder ISO-Einheiten, digital abzubilden und im Prozesslauf in Echtzeit nachzuverfolgen.
Glaswelt – Können Sie bitte den Begriff Traceability kurz erläutern.
Dr. Rainer – Ist ein Glas mit einem individuellen QR- oder Datamatrix-Code versehen, kann es zu jedem Zeitpunkt einwandfrei identifiziert werden. Erfolgt die Kennzeichnung noch vor dem Zuschnitt auf dem Rohglas, sind spätere Verwechslungen ausgeschlossen. Je nach Datenverarbeitung und -sicherung ist es dem jeweiligen Verarbeiter dann im Sinne der als Traceability bezeichneten Rückverfolgbarkeit von Produkten möglich, durch einen einfachen Scan zu ermitteln, von welchem Lieferant, zu welchem Zeitpunkt und aus welcher Charge er das Glas erhalten hat. Ob und welche Informationen erfasst und bereitgestellt werden, ist dann abhängig von der Integration des Codes in die Prozesse. So können die ERP-Systeme und die MES-Software (von Hegla-Hanic) die im QR-Code oder Datamatrixcode verschlüsselte Glas-ID hinterlegen. Diese Informationen stehen über die systemgesteuerte Markierung dann für die interne Ablaufsteuerung und -optimierung zur Verfügung. Je nach Datenintegration und Konfiguration kann der Verarbeiter damit auch Jahre später nachvollziehen, welche Prozessschritte ein Glas im eigenen Betrieb durchlaufen hat, ebenso wann und auf welchen Maschinen. Zudem lässt sich die Produktion anhand dieser Daten noch besser mit den Planungen abgleichen, Zeitabweichungen erkennen und Maschinenabläufe optimieren.
Glaswelt – Die Gläser lassen sich auch mittels Laser markieren, welche Vorteile bietet das?
Dr. Rainer – Heute werden Gläser häufig mit Kreide oder einem aufgeklebten Etikett markiert. Beides hat den Nachteil, dass die Kennzeichnung abfallen oder verwischen kann. Oft müssen auch beide in der Prozesskette zumindest kurzzeitig von der Scheibe oder dem ISO entfernt werden. Dadurch ist eine eindeutige Identifizierung nicht mehr möglich. Die kratz- und wischfeste Lasermarkierung wird dagegen dünn auf die Oberfläche aufgetragen und ist fester Bestandteil des Glases. Eine Verwechslung ist damit so gut wie ausgeschlossen. Wird der Code zudem auf den Anlagen immer wieder automatisch abgefragt oder sogar die Prozesse über den Code ausgelöst, sinkt die Fehleranfälligkeit durch falsche oder fehlende Scheiben noch einmal deutlich.
Glaswelt – Erfolgt die Laser-Markierung dann auf dem Glas oder im Glas?
Dr. Rainer – Mit unserem Laserdruckverfahren werden die Farbpartikel eines Transferbandes hauchdünn auf das Glas aufgetragen. So bleibt die Glasoberfläche unbeschädigt und die Materialeigenschaften unverändert. Der Aufdruck ist hochauflösend und im Falle eines Datamatrix- oder QR-Codes zu über 99,9 Prozent maschinell und prozesssicher einlesbar.
Glaswelt – Wo sitzt der Code bzw. beeinträchtigt er nicht das optische Bild der Scheibe?
Dr. Rainer – Die Lasermarkierung lässt sich frei nach Kundenwunsch positionieren und zudem durch ein Firmen-Logo ergänzen. Gerade bei ESG bietet die Lasermarkierung in puncto Sicherheit einen Mehrwert. Wird die speziell dafür entwickelte Kennzeichnung bereits vor der thermischen Bearbeitung aufgetragen, ändert sich die Farbe der Markierung während des Vorspannens in einen dezenten Weißton. Für alle anderen Kennzeichnungen stehen verschiedene Farbtöne zur Verfügung, kontrastreich oder dezent. Bevorzugt wird die Markierung im Kantenbereich angebracht, sodass sie nach dem Einbau von der Glasleiste oder bei Fassaden vom Siebdruck kaschiert oder verdeckt wird. Damit ist der Code nicht mehr unmittelbar sichtbar, lässt sich aber durch Ausbau der Glasleiste oder bei Siebdruck durch lichtstarkes Scannen durch die Glasrückseite z. B. mit dem Handy auslesen.
Glaswelt – Welche Informationen lassen sich so auf einer Glasscheibe speichern?
Dr. Rainer – Grundsätzlich lassen sich zu einem QR- oder Datamatrixcode beliebig viele Daten hinterlegen. Welche dies im Einzelfall sind, hängt davon ab, ob nur bestimmte Basisinformationen oder die gesamten Prozessdaten der Veredelung erforderlich sind. Die Datenmenge variiert abhängig davon, ob die Markierung zur Produktnachverfolgung, zum Echtzeit-Tracking oder zur Produktionssteuerung erfolgen soll – so ist es möglich, durch den Scan des Codes den nächsten Prozessschritt automatisch auszulösen. Zudem kann die Markierung Informationen enthalten wie eine ID oder ein Einbauhinweis.
Glaswelt – Ein Code auf der Scheibe allein reicht nicht, wie und wo bzw. bei wem sind die Daten gespeichert und hinterlegt?
Dr. Rainer – Es ist möglich, einen Teil der Informationen direkt im Code auf der Scheibe zu speichern. Zudem entscheidet jeder Betrieb selbst über seine Daten und ob diese auf eigenen oder fremden Servern, in der Cloud oder kombiniert abzulegen sind. Wer teilweisen oder vollständigen Zugriff auf die Daten bekommt, wird in einer Software festgelegt. So können einzelne Produktionsanlagen z. B. durch Scannen der Markierung auf die Datenbank des ERP-Systems zugreifen und Informationen abrufen oder bereitstellen. Wird der Code über die gesamte Wertschöpfungskette verwendet, ist ein Bestelltracking, der Fertigungsnachweis sowie die nutzerfreundliche Nachbestellung (z.B. bei Glasbruch) leicht möglich. Ein Scan mit einem Handy reicht. —
Das Interview führte Matthias Rehberger