_ Die Forderung nach dem „Mindestluftwechsel für den Feuchteschutz“ besteht zwar schon lange – nun aber mit der Beigabe der Nutzerunabhängigkeit. Soll heißen, der notwendige Mindestluftwechsel muss ohne „Zutun“ der Bewohner erfolgen.
Im Neubau haben verschiedene Lüftungssysteme (zentral oder dezentral) Einzug gehalten, welche, entsprechend der energetischen Anforderung an die Gebäudehülle, den kompletten Luftwechsel nutzerunabhängig realisieren. Das heißt: Fenster öffnen zwecks Lüftung wäre dann grundsätzlich nicht mehr notwendig.
Im Bestandsbau werden für energetische Sanierungen auch Fensterfalzlüfter eingesetzt, um den nutzerunabhängigen Mindestluftwechsel für den Feuchteschutz gemäß DIN 1946-6 sicherzustellen. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Kostengünstig, im Bauteil Fenster integrierbar und keine weiteren Maßnahmen an der Gebäudehülle sind erforderlich! Die Anzahl der falzintegrierten Lüfter einer Wohneinheit ergibt sich aus dem Lüftungskonzept mit Angaben der notwendigen auszutauschenden m³/h-Luftmenge.
Soweit so gut, denkt man! … bis es dunkel wird und die Rollläden geschlossen werden.
Dann sind alle guten Lüftungsberechnungen für die Katz. Schlimmer noch: Falls der Mindestluftwechsel ausschließlich über die Fensterfalzlüfter erfolgt (LUV-LEE), findet dieser bei geschlossenen Rollläden nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr statt. Somit ist auch der nutzerunabhängige Mindestluftwechsel nicht mehr gewährleistet.
Bautechnische und bauphysikalische Probleme
Neue Rollläden gelten heute als energetisches Bauteil der Fassade, welches im geschlossenen Zustand energiesparende Wirkung hat. Dieser Forderung kommen auch die Hersteller nach und bauen u. a. die Panzer in kerngedämmten Ausführungen oder bilden die Anschlussbereiche immer dichter aus, an Rollladenführungsschienen und am Panzereinlauf zum Rollladenkasten durch Bürsten- oder Kederdichtungen. Das dient nicht nur der Laufruhe, sondern auch der Dichtheit, allerdings steht die Dichtheit der Wirkung von Fensterfalzlüftern kontraproduktiv entgegen.
- Im Zeitraum geschlossener Rollläden wird die Forderung des nutzerunabhängigen Mindestluftwechsels für den Feuchteschutz nicht mehr oder nur noch begrenzt erfüllt.
- Sollten ausschließlich Fensterfalzlüfter für Zu- und Abluft eingesetzt werden, kann es auf der LEE-Seite dazu führen, dass sich die abströmende warme Raumluft auf der raumseitigen Oberfläche der Rollladenpanzer als Tauwasser niederschlägt und an besonders kalten Tagen zu Vereisungen führen kann. Des Weiteren werden die Falzbereiche der Fenster mit abströmender Raumluft penetriert, welche im schlimmsten Fall auch im Bereich des Fensterblendrahmens zu Tauwasserausfall führen kann.
- Sollten Vereisungen entstehen und der Nutzer diese nicht visuell erkennen, kann es bei Betätigung des Rollladens zu Problemen bei der Öffnung bis hin zum Schaden kommen. Dies gilt besonders, wenn die Anlagen elektronisch bedient oder automatisiert verfahren. Ein Schaden an Motoren/Steuerung/Rollladenpanzer ist nicht auszuschließen.
- Sollte lediglich nur „unauffälliges“ Kondensat am Rollladenpanzer vorhanden sein, wird dies auch wegen zunehmender Automatisierung des Antriebs nicht visuell festgestellt. Somit fährt der Panzer auch „nass“ in den Kasten, welcher dessen angrenzende Bauteile penetriert mit möglichen Auffeuchtungen und Schimmelpilzbildungen.
- Wird der nutzerunabhängige Mindestluftwechsel nicht durchgängig sichergestellt, kann es zur Erhöhung der raumseitigen rel. Luftfeuchte führen, welche entsprechend der energetischen Qualität der Gebäudehülle zu Schimmelpilzbildung an vorher eher unauffälligen Bauteilbereichen oder im Falzbereich des Fensterblendrahmens führt.
Planer und Fensterbauer sind gut beraten, wenn das Thema „geschlossene Rollläden“ mit Fensterfalzlüfter in der Planung berücksichtigt wird. Das wird beim Architekt/Bauherr zwar nicht populär sein, schützt aber den Unternehmer vor möglichen Streitigkeiten im Schadenfall.
Lösungsansätze
Falls nur Fensterfalzlüfter für Zu- und Abluft geplant werden, muss sichergestellt sein, dass die Luftleistung auch bei allen „geschlossenen“ Rollläden gewährleistet ist, also die notwendige Luftleistung durch den Panzer schaden- und vereisungsfrei abgeführt werden kann. Mögliche Maßnahmen wären werkseitige Aussparungen an den unteren Abschlussschienen und Luftschlitze an den oberen Panzerlamellen. Dies nur als erste Idee, welche noch einer Überprüfung bedarf.
Solche Maßnahmen haben allerdings den Nachteil, dass eine gänzliche Verdunklung nicht mehr möglich wäre. Eine Kröte, welche nicht jeder Bauherr schlucken wird.
Wenn Fensterfalzlüfter geplant sind, dann in Verbindung mit volumengesteuertem Abluftventilator: Aus der Sicht des Verfassers die aktuell klügste Option. Aber auch mit Ventilator müssen die Rollladenpanzer die entsprechende (Zu-)Luftleistung sicherstellen und der Ventilator gegen Abschaltung durch die Nutzer geschützt werden.—
Der Autor
Andreas Gieß ist ö.b.u.v. Sachverständiger für das Tischlerhandwerk und TÜV gepr. Sachverständiger für Schimmelpilze in Innenräumen.