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VFF Jahrestreffen Inside in Frankfurt

VFF-Präsident Bernhard Helbing - Daniel Mund / GLASWELT - © Daniel Mund / GLASWELT
VFF-Präsident Bernhard Helbing - Daniel Mund / GLASWELT

Verbandspräsident Bernhard Helbing eröffnet das Jahrestreffen mit der Aufforderung, dass auch unsere Branche den Politikern immer ihr Spieglein vorzuhalten: "Erinnern Sie diese an ihre Versprechungen - insbesondere auch im Bezug auf die Zielsetzungen für den klimaneutralen Gebäudebestand, der ja bis 2050 erreicht werden soll." Dafür müssen verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die bislang so noch nicht bestehen würden. Gerade für Deutschland, das selbst kaum auf eigene Bodenschätze zurückgreifen könne, sei die Energieeffizienz der wertvollste Rohstoff. Leider würde dieses Thema aber noch immer im DornRöslerschlaf schlummern, so sein verbaler Seitenhieb auf die unklaren Beschlüsse innerhalb der Bundesregierung. Seine Empfehlung: "Wir sollten uns ein eigenes Energieministerium leisten, um diese wichtige Zukunftsaufgabe zu stemmen."

Ift-Institutsleiter Ulrich Sieberath vollführte einen Ritt durch die Themen, die das ift aktuell besonders beschäftigt. Zuallererst aber zeigte er auf, womit die Branche bei der Neuauflage der EnEV rechnen könne: Es geistere ein erster Entwurf durch die Medienlandschaft, der aber noch nicht als offizieller Referentenentwurf angesehen werden könne, in dem eine Zielmarke von 0,95 für den Uw-Wert für Neubauten aufgetaucht sei: Das sei praktisch nur mit 3-fach ISO umsetzbar und man müsse davon ausgehen, dass dieses Glasprodukt sich zum Standard entwickele. Trotzdem rechnet er aber damit, dass "der künftige Referentenentwurf noch ganz anders aussieht, als diese jetzt aufgetauchten Gedankenspiele."

ift-Institutsleiter Ulrich Sieberath - Daniel Mund / GLASWELT - © Daniel Mund / GLASWELT
ift-Institutsleiter Ulrich Sieberath - Daniel Mund / GLASWELT

Beim Thema Energy Label, zu dem das ift seit einem Jahr ein Modell der Branche anzubieten hat, zeigte sich Sieberath zufrieden, dass dieses nun bereits in Europa angekommen sei: Eine Vorstudie der EU erwähnt es in ihrer Veröffentlichung. Das Modell, welche es ermögliche die energieeffiziente Beurteilung bei Bauelementen im Winterfall und Sommerfall vorzunehmen, werde innerhalb der Branche gut angenommen und mittlerweile hätten bereits auch die Softwareanbieter wie Orgadata mit Logical dieses Modell in ihren Programmen implementiert. Auch das CE-fix System würde bald diese Energy Label integriert haben.

© Daniel Mund / GLASWELT

Was die Gebrauchstauglichkeit von 3-fach ISO angeht, warnte er, dass die Glasbruchgefahr bei kleinen Seitenverhältnissen zunehme. Daraus ergebe sich: die Scheibendicken müssen den Gegebenheiten angepasst werden. Und zum Produkt "leichtes 3-fach ISO" beschrieb er die Angebote, die auf der fensterbau zu sehen waren. Es gebe entweder die Möglichkeit durch dünnere Scheiben (3x3x3mm) oder durch die Substitution der innen Scheibe mit einer Kunststofffolie das Gewicht deutlich zu reduzieren. Die Produkte seien verfügbar, aber man müsse dabei beachten, dass die Grenze des Machbaren bei großen Dimensionen eher erreicht sei. Generell sei immer darauf zu achten, Rahmenkonstruktionen so auszulegen, immer schwerere Lasten aufzunehmen. Ein Fingerzeig dabei von ihm: Unsymmetrische Profilkonstruktionen – wie sie in letzter Zeit wieder häufiger vorkommen – würden die Rahmenstabilität herabsetzen und unerwünschte Durchbiegungen verursachen können. Ein Lösungsweg biete hier die Fensterfalzklebung.

Erwähnenswert für Sieberath war auch ein wichtige Stichtag für die Branche: Die Bauproduktenverordnung tritt zum 01. Juli 2013 in Kraft. Dann habe man es nicht mehr mit einer Richtlinie, sondern einem Gesetz zu tun – mit anderen Regularien bis hin zu Straftatbeständen bei Mißachtung. Die Leistungserklärung der CE-Kennzeichnung muss gedruckt oder in elektronischer Form übergeben werden. Und: Sie ist ein allgemein gültiger Vordruck, an dem sich jeder zu halten hat. Das ift halte es aber für statthaft, das das CE-Zeichen auf der Produktverpackung angebracht werde; nur der Firmenname, die Herstellnummer und Kontaktadresse müsse auf dem Produkt selbst angebracht werden. Als Schlussbemerkung zu Sieberaths Vortrag gab es das ironische Fazit vom Verbandspräsident Helbing: "Wir freuen uns schon auf die Dinge, die wir in nächster Zeit alle noch zusätzlich zu dokumentieren haben."

Lutz Wiegand - Daniel Mund / GLASWELT - © Daniel Mund / GLASWELT
Lutz Wiegand - Daniel Mund / GLASWELT

Lutz Wiegand, Glasberater des VFF, referierte über die kommende Glas DIN 18008 - Glas im Bauwesen, Bemessungs- und Konstruktionsregeln. Ein wesentlicher Teil der neuen DIN widmet sich nach Auskunft von Wiegand den absturzsichernden Verglasungen. Die Teile 1 und 2 der Glas DIN wurden bereits im Dezember 2010 veröffentlicht und sollen künftig die TRLV ersetzen. Wiegand: „Die große wesentliche Änderung der DIN 18008 ist ein grundsätzlich anderes Glasbemessungskonzept. Mit dem neuen Nachweisverfahren wird der Aufwand der Berechnung jedoch deutlich größer.“ Die Bemessung und Berechnung der Verglasungen werde so aufgrund der hohen Komplexität mehr und mehr eine Aufgabe für Ingenieure und Statiker. Um die entsprechenden Werte zu ermitteln, werden spezielle Softwareprogramme nötig.

Positiv sei, dass das Nachweisverfahren vereinfacht wurde: Mit der Glas DIN sind jetzt auch Rechensimulationen statt Bruchversuche zulässig. Der Statiker wird in die Lage versetzt, nach Normvorgabe einen Pendelschlagversuch rechnerisch zu simulieren. Damit müssen keine Probescheiben mehr zerstört werden. Neu aufgenommen werden in der DIN begehbare sowie betretbare Verglasungen (Teil 6 der DIN). Zudem werden auch punktförmig gelagerte Verglasungen in dem Regelwerk mit berücksichtigt. Die Teile 1 und 2 der Glas DIN 18008 können Verarbeiter bei der Glas-Bemessung bereits heute schon ansetzen. Sie müssen dies aber bei den entsprechenden Behörden anmelden. Aktuell gilt die neue DIN noch nicht (als Stand der Technik).

Ein neues Format auf dem Jahrestreffen des VFF: "Zwei bei Tschorn" - Daniel Mund / GLASWELT - © Daniel Mund / GLASWELT
Ein neues Format auf dem Jahrestreffen des VFF: "Zwei bei Tschorn" - Daniel Mund / GLASWELT

Auf dem Jahresstreffen wurden aber auch neue Wege beschritten: Das Diskussionsforum "Zwei bei Tschorn". In lockerer Art und Weise erörterten Ulrich Sieberath, Prof. Niemöller und der Verbandsgeschäftsführer die Fragen der Teilnehmer. Folgende Punkte wurden dabei u. a. behandelt:

  • Wann wird die DIN 18008 eingeführt sein? Sieberath: Wenn alles gut geht in einem halben Jahr - ansonsten in 2 Jahren.
  • Rückverfolgbarkeit: Die sei auf den Fensterhersteller gemünzt. Dieser müsse sicherstellen, dass auch die Zulieferteile entsprechend rückverfolgbar seien. Das hätte zwangsläufig auch Auswirkungen auf die Materialwirtschaft der Hersteller. Niemöller: Das werde wohl auch dazu führen, dass man sich längerfristig an einen Zulieferer binden möchte.
  • Nachlieferfähigkeit von Zulieferprodukten? Diesbezüglich würde es keine gesetzliche Verpflichtungen geben. Aber Prof. Niemöller dazu: "Mindestens die Verjährungspflicht sollte gegeben sein."
  • Warum sind Tabellenwerte, rechenwerte und Prüfwerte so unterschiedlich? Sieberath: Jedes Verfahren birge eine gewisse Ungenauigkeit. Es gebe aber eine Hierarchie: an oberster Stelle stehe der gemessene Wert und an zweiter Stelle die Berechnung. Prof. Niemöller lies aber offen, ob ein Richter sich immer davon überzeigen lasse, dass gerade der angegebene Wert - aus welcher Grundlage er auch ermittelt werde - auch bei Gericht bestand haben würde.
Prof. Dr. Wolfgang Wiegard - Daniel Mund / GLASWELT - © Daniel Mund / GLASWELT
Prof. Dr. Wolfgang Wiegard - Daniel Mund / GLASWELT

Einen sehr erhellenden Blick über den Tellerrand vermittelte auf der Tagung anschließend der Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Wiegard. In rhetorisch überzeugender Art und Weise erläuterte er den Teilnehmern die Ursachen, Symptome und Wege aus der europäischen Schuldenkrise: Seiner Meinung nach trete Griechenland bald aus der EU aus. Er skizzierte, warum die Risikoprämien auf spanische und italienische Staatsanleihen so stark angestiegen sind und warnte davor, dass künftig der politische Konsens über das weitere Vorgehen aus der Krise weiter bröckeln werde. Seine Konklusion: "Wenn es gut geht, sollte die Schuldenkrise in 3-4 Jahren wieder abklingen." Aber wenn nicht das richtige getan werde, könnte es sehr viel länger dauern und auch deutlich teurer werden für Deutschland. "Die Währungsunion wird weiter Bestand haben, aber sie wird anders ausssehen."

Was die deutsche Steuerpolitik betrifft, beklagte er, dass die Umsatzbesteuerung nach wie vor nicht stringent reformiert worden sei: "Getrocknetes Moos bei Adventskränzen werden mit 19 % Mwst. besteuert, Kränze mit feuchtem Moos aber nur mit 7 %. Was solle dieser Unsinn? Viel besser wäre es, alle diese Ausnahmetatbestände abzuschaffen und die allgemeine Mwst. auf 16 Prozent abzusenken.

Ein weiterer Höhepunkt des Tages war der Workshop „Effektiv und schneller lesen“ des VFF-Frauenforums. Referentin Margit Reinhardt zeigte, wie mit der Menge und Vielfalt an erhältlichen Informationen professionell und strukturiert umgegangen wird. In dem Seminar lernten die Teilnehmerinnen in Theorie und Praxis, was mit unterschiedlichen Ansatzpunkten erreicht werden kann. Unterstützt wurde die Referentin von Petra Hautau, der Geschäftsführerin der Hautau GmbH aus Helpsen. Der interessante erste Tag wurde von einem magischen Abend mit Büfett, Musik, Tanz und Zauberei im Theatersaal des Hotels InterContinental abgerundet.

Mit der Wahl des Präsidiums startete der zweite Tag: Neu an Bord sind Petra Hautau, Geschäftsführerin der gleichnamigen Hautau GmbH aus Helpsen, sowie Thomas Lauritzen von der Schüco International KG aus Bielefeld. Präsident des VFF ist und bleibt Bernhard Helbing, Geschäftsführer der TMP Fenster + Türen GmbH aus Bad Langensalza. Weiterhin im Präsidium sind Oskar Anders von der anders Metallbau Gmbh, Franz Hauk von der F.R. Hauk Stahl- und Leichtmetallbau GmbH, Helmut Hilzinger, hilzinger Fenster + Türen GmbH, Bernd Kramer, INTERPANE Glas Industrie AG, Lutz Krebbers, Krebbers GmbH & Co. KG, Jürgen Roggemann, Enno Roggemann GmbH & Co. KG, Martin Rossmanith, Rossmanith GmbH & Co. KG, Alfons Schneider, Süd-Fensterwerk, Carsten Taig, WERTBAU GmbH & Co. KG, Winfried Tänzer, profine GmbH, Dr. Frank Walter, Hans Walter & Sohn GmbH sowie Oliver Windeck, Metallbau Windeck GmbH.

Anschließend stellte Professor Dr. Dirk Hass die aktuelle Branchenstrukturanalyse und die Zufriedenheitsanalyse des Künzelsauer Instituts für Marketing vor. Zur Branchenstruktur sagte er, dass ein weiterer Konzentrationsprozess festgestellt wurde. Er erklärte, dass im Rahmen dieses Prozesses immer mehr kleinere Hersteller aus der Branche ausscheiden oder zu Händlern werden. Seine anschließende Zusammenfassung der Zufriedenheitsanalyse kam zu dem Schluss, dass der VFF als Verband die Ergebnisse eines sehr guten, kundenorientierten Industrieunternehmens erreicht. Besonders gut bewertet wurden danach die Nähe zum Markt, die Aktualität der angebotenen Informationen sowie die insgesamt gute Lobbyarbeit.

Im Anschluss referierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin und Leiterin Research der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen zur volkswirtschaftlichen Lage in Deutschland und ihre Auswirkung auf die Baubranche – das Kernthema ihres Beitrags: „Angebliche Eurokrise“. Ihr Credo lautete, dass von einer echten Krise in Deutschland nicht gesprochen werden könne. Das Land sei insgesamt gut aufgestellt. Trotzdem jammere man auf hohem Niveau, beklagte die Volkswirtin. Weitere Höhepunkte des zweiten Tages waren eine geschichtliche Stadtführung durch Frankfurt mit Fahrt auf den MainTower und mit Kostproben der lokalen Küche in der Kleinmarkthalle sowie ein Abendessen im Tigerpalast Varieté-Theater Frankfurt mit buntem Programm.

Text: Daniel Mund und VFF