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Insolvenzgefährdend: Haftungsrisiko bei Bauproduktmängeln

Hintergrund ist ein BGH-Urteil vom 17.10.2012 (VIII ZR 928/11), wonach nur Verbraucher als Käufer eines Produkts die Aus- und Wiedereinbaukosten verlangen können, nicht Unternehmer (Handwerker) im Rahmen eines Handelskaufs.

Das kann zu Kosten führen, die einen Handwerksbetrieb in die Insolvenz zwingen. Denn: In der Vergangenheit gab es - zumindest in der Praxis - in Deutschland ein funktionierendes und konsistentes System der Haftung für Bauproduktmängel. Der Handwerker konnte seinen Lieferanten auch auf Ersatz der Aus- und Wiedereinbaukosten in Anspruch nehmen, dieser seinen Lieferanten usw. bis zum Hersteller. Der Hersteller konnte den Schaden im Rahmen einer Produkthaftpflichtversicherung abdecken. Das soll jetzt nach aktueller Rechtsprechung nicht mehr möglich sein.

Die Handwerksinitiative „Mit einer Stimme“ will diesen für das Handwerk unhaltbaren Zustand ändern. Mit einer geplanten Online-Petition möchten die Mitglieder erreichen, dass der Bundestag dieser Ungerechtigkeit einen Riegel vorschiebt. Ein passendes Gesetz muss her. Bis zum Frühjahr 2015 versucht die Initiative deshalb, 50.000 Unterstützer zu sammeln und zu mobilisieren. Schon jetzt haben sich mehr als 6.700 Personen gegen die aktuelle Rechtslage ausgesprochen und sich auf der Homepage (miteinerstimme.org) eingetragen. Alle Unterstützer werden automatisch per Newsletter über Neuigkeiten informiert. Zusätzlich erhält jeder eine Benachrichtigung zum Start der Online-Petition, sodass die Stimme rechtzeitig abgegeben werden kann.

Auf der Facebook- und auf der Internetseite können Betroffene sich aber nicht nur eintragen, sondern auch ihren Fall schildern und so andere Handwerker für das Thema sensibilisieren. Alle Handwerker, deren Familien und Freunde sind aufgefordert, dabei zu helfen, dass diese Gesetzeslücke endlich geschlossen wird.

www.miteinerstimme.org

Ein Fallbeispiel:
Im Neubau eines Klinikum in Baden-Württemberg hatte ein Bodenleger den Auftrag, im OP-Bereich auf einem Gesamtflächenumfang von etwa 400 m² einen elektrisch leitfähigen PVC-Bodenbelag zu verlegen. Der Auftrag wurde ordnungsgemäß ausgeführt, die Leistung abgenommen und der berechnete Werklohn bezahlt.
Etwa zwei Jahre später wurde im Zuge von Kontrollprüfungen festgestellt, dass die ursprünglich vorhanden gewesene Erdableitfähigkeit des PVC-Bodenbelages im OP nicht mehr gegeben war. Als Ursache hierfür wurde ein Fehler des eingesetzten leitfähigen Kunstharz-Dispersionsklebstoffes festgestellt. Diesen Fehler hat die renommierte Hersteller- und Lieferfirma des Klebstoffes akzeptiert und den Komplettschaden über ihre Produkthaftpflichtversicherung reguliert.

Nach aktueller Rechtsprechung würde dieser Fall den Bodenleger die Existenz kosten. Der Klebstoffhersteller wäre nämlich lediglich zur Nacherfüllung verpflichtet und müsste rund 200 kg Klebstoff bereitstellen (Materialwert etwa 1.000 Euro). Mit dem weiteren Folgeschaden hätte der Klebstoffhersteller nichts zu tun.

Doch die waren im vorliegenden Fall erheblich: Zur Herstellung eines leitfähigen PVC-Bodenbelages war es erforderlich, den OP-Bereich still zu legen, den nicht funktionierenden Bodenbelag auszubauen und durch einen funktionstauglichen neuen Bodenbelag zu ersetzen. Die Kosten für die Bodenbelagserneuerung belaufen sich auf etwa 30.000 Euro. Um den OP-Betrieb des Krankenhauses weiter aufrecht zu erhalten, war es erforderlich, einen mobilen OP-Trakt auf dem Parkplatz des Krankenhauses aufzubauen und über den Zeitraum der Sanierungsmaßnahmen zu nutzen. Die Miete, die Installationskosten und der Rückbau sowie weitere Folgekosten wie das Herausreißen des Bodenbelages, die Neuverlegung, Planung und Bauleitung beliefen sich letztendlich auf die Summe von 1,5 Mio. Euro.

Nach heutigem Recht könnte sich der Klinikbetreiber aufgrund der werkvertraglichen Verpflichtung an seinen Bodenleger wenden. Dieser wäre wohl kaum in der Lage, diese Schadenssumme zu tragen. Die logische Konsequenz wäre der Gang in die Insolvenz.