Zum Auftakt des Glaskongresses 2016 im bayerischen Grassau legte Thomas Dreisbusch, der Präsident des Bundesverbands Flachglas (BF), die aktuelle Marktsituation dar: „Der gegenwärtige Preiskampf hat insbesondere für Isolierglashersteller teils verrückte Ausmaße angenommen. Dabei sollte uns zu denken geben, dass wir gerade einen Bauboom haben. Wie wird es werden, wenn der Boom abflaut?
Spannend und unterhaltsam zugleich war der Vortrag von Lichtplaner Prof. Peter Andres. In seinem Vortrag "Tageslicht in Gebäuden" unterstrich er, dass jeder Mensch eine gewisse Menge an Tageslicht braucht, um sich zu „synchronisieren.“ Gemeint war, man brauche eine gewisse Lichtmenge an natürlichem Tageslicht, um wach zu werden und über Tag aktiv bleiben zu können. Rund 3 Stunden am Tag bräuchten Menschen in unseren Breiten über 1000 Lux „am Stück“, um eine biologisch wirksame Lichtmenge zu bekommen.
Glasdimensionierung nach DIN 18008
Weiter zeigte Prof. Jens Schneider von der TU Darmstadt neue Ansätze bei der Glasdimensionerung auf, die sie seit Einführung der DIN 18008 gelten. Er erläuterte, dass bei 3-fach-ISO das Gasvolumen doppelt so hoch ist, wie bei 2-fach-ISO. Das wiederum führe zu erhöhten Klimalasten, da sich der Druck in der Scheibe verdoppelt.
Gründe für die neue DIN: Die Sprödigkeit von Glas verlange eine konsequentere Umsetzung in der Bemessung. Heute berücksichtigt man deshalb bei der Bemessung nach DIN 18008 die Einwirkungen (z.B. Wind) auf den Baustoff und betrachtet bei der Bemessung die Spannung im Glas in Abhängigkeit dieser Einwirkungen (inkl. deren Schwankungen). Gleichzeitig werden auch die Folgen im Versagensfall mit berücksichtigt.
Dauerbrenner Glastoleranzen
Die Dickentoleranzen von Flachglas sind zwischen Fensterbauern und Isolierglasherstellern ein heftiges Diskussionsthema. Dazu sagte ift-Chef Sieberath, der vor Ort war: „Mit den aktuellen Dickentoleranzen beim Basisglas kann kein Fensterhersteller leben. Ein modernes Fenster verträgt keine Toleranzen von 1 mm, denn damit ist es nicht mehr dicht zu bekommen. Wir brauchen ein engeres Toleranzfeld als bisher, das müsste mit den Glasherstellern vereinbart werden.“
Hier wird es jedoch keine Änderungen geben, so der Obmann des Spiegelausschusses Dr. Klaus Hunterbrinker: "Es gibt aus den Beratungen der Normenausschüsse in Deutschland und Europa keine Änderungen an den Dickentoleranzen für 2-fach- und 3-fach-Isoliergläser. Eine inhaltliche Diskussion zu den Toleranzen hat es bei den Sitzungen der Normenausschüsse mangels Teilnahme der potentiell interessierten Kreise nicht gegeben.
Damit wurde einmal mehr klar, es herrscht kein Dialog zwischen Fensterbauern und ISO-Herstellern: In der Regel teilen die Fensterbauer ihren ISO-Anbietern nicht mit, wenn sie ihre Fenster-Systeme ändern und was sie dementsprechend von der Isolierglasbranche brauchen. Würden sie hingegen klar definieren, was sie an Toleranzen von ihrem ISO-Zulieferer wünschen, könnte dieser auch das entsprechend bereitstellen bzw. dies bei seinem Basisglaslieferanten einfordern.
EuGH-Urteil zur Bauregelliste - so ist der aktuelle Stand
Welche Konsequenzen hat das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Bauregelliste gegen eigenständige nationale Zusatzanforderungen In Deutschland, wie etwa das Ü-Zeichen oder die Zulassung im Einzelfall? Diese Frage wurde in einer Experten-Diskussionrunde behandelt.
Antwort: Die Situation sei verworren, die Umsetzung in Deutschland muss bis Mitte Oktober umgesetzt sein, sprich die Bauregelliste hierzulande entsprechend angepasst werden. Konkret wurde aber noch nichts von Seitens des Gesetzgebers umgesetzt.
Dazu BF-Geschäftsführer Jochen Grönegräs: "Wir wollen verhindern, dass es für die Verarbeiter schwieriger wird. Weiter setzen wir uns dafür ein, dass es keine zusätzlichen Anforderungen geben wird.“ Auf der anderen Seite wird ein hohes Sicherheitsniveau aufrecht erhalten, und das ist positiv. In Österreich wurde z.B. das Äquivalent zum Ü-Zeichen einfach gestrichen."
Und Grönegräs weiter: „Es stellt sich die Frage: wenn wir unsere Sicherheitsanforderungen nicht mehr in eine Bauregelliste schreiben können, wo bekommen wir diese Anforderungen dann künftig unter? Der richtige Weg wäre, dass die gewünschten Anforderungen in den Regelwerken der EU platziert werden. Allerdings sind keine Anstalten von Seiten des DiBt zu sehen, dies aufzugreifen und sich entsprechend einzubringen.
Im kommenden Jahr findet der Glaskongress in Aachen statt.
Matthias Rehberger, GLASWELT
Mein Fazit: Diesmal wartete der Glaskongress des BF mit einer sehr hohen Informationsdichte auf, die alle Glasverarbeiter interessieren sollte. Leider war der Anteil an Verarbeitern vor Ort geringer, als es die Veranstaltung verdient hätte.