Alltägliche Gewährleistungsfälle können Handwerker wegen der Rechtslage zu den sog. „Aus- und Einbaukosten“ teuer zu stehen kommen. Denn sie und nicht die Verantwortlichen tragen die Folgekosten für Materialfehler. Der Handwerksverband nimmt aktuell zum Referentenentwurf des Justizministerium zum Gewährleistungsrecht in einem „ZDH Kompakt“ Stellung.
Die Große Koalition hat den Handlungsbedarf für gerechtere Gewährleistungsregeln erkannt. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Im Gewährleistungsrecht wollen wir dafür sorgen, dass Handwerker und andere Unternehmer nicht pauschal auf den Folgekosten von Produktmängeln sitzen bleiben, die der Lieferant oder Hersteller zu verantworten hat.“
Für Handwerker und den gesamten verarbeitenden Mittelstand gehört das Koalitionsprojekt zu den wichtigsten rechtspolitischen Vorhaben dieser Legislatur. Das Justizministerium (BMJV) konsultiert aktuell seinen Referentenentwurf vom September 2015. Die Reform wird mit Regelungen zum Bauvertragsrecht verknüpft. Käufer erhalten gegen ihre Lieferanten einen Anspruch auf Ausbau des mangelhaften und Einbau eines fehlerfreien Materials. Der Lieferant darf wählen, ob er selbst aus- und einbaut oder die Kosten erstattet. Zudem können Lieferanten die anfallenden oder zu ersetzenden Kosten im Wege eines neu geschaffenen Regresses an den verantwortlichen Hersteller weiterreichen.
Die Ansprüche der Käufer dürfen nach dem Entwurf nicht durch allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ausgeschlossen werden. Das BMJV beschränkt das AGB-Verbot aber auf Kaufverträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Kauft dagegen ein Unternehmer (z. B. ein Handwerker) bei einem Händler eine mangelhafte Ware, darf der Händler seine Haftung für die Aus- und Einbaukosten per AGB ausschließen, sodass im Ergebnis wieder der Handwerker die Folgekosten für Materialfehler trägt.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) teilt in einem „ZDH-Kompakt“ mit, dass das Ziel eines gerechten Gewährleistungrechts nur erreicht werden kann, wenn auch Unternehmer einem gesetzlichen AGB-Schutz unterliegen. Anderenfalls würden die derzeit bestehenden Probleme nicht gelöst.
Marktstarke Vertragspartner geben ihre AGB vor und schließen die Haftung für sich aus. Es sei realitätsfern, so der ZDH, dass sich Handwerker und andere KMU hiergegen nicht zur Wehr setzen könnten. Eine solche Regelung führt die Reform ad absurdum. Ein gesetzlicher AGB-Schutz dient dem gesamten Geschäftsverkehr:
- für Verbraucher, weil Handwerker die Aus- und Einbaukosten nicht zu tragen und damit keine Liquiditätsengpässe oder gar eine Insolvenz zu befürchten haben. Die Nachbesserung kann ungefährdert durchgeführt werden.
- für alle materialverabeitenden Betriebe aus Industrie und Handwerk, weil sie nicht länger für Produktfehler haften, die sie weder verursacht, noch zu verantworten haben. Das schafft Rechtssicherheit und wirtschaftliche Stabilität, die für Investitionen und Bankkredite entscheidend sind.
- für Händler, weil sie sich auch gegenüber mächtigen Vertragspartnern schadlos halten können und die Aus- und Einbaukosten an den tatsächlichen Verursacher des Produktfehlers weitergeben können.
Darüber hinaus müsse der Käufer entscheiden können, wer den Aus- und Einbau vornimmt. Diese Entscheidung dürfe nicht – wie vorgesehen – beim Händler liegen, so der ZDH. Ansonsten drohe ein rechtliches Chaos. Kauft z. B. ein Handwerker bei einem Händler fehlerhaftes Material und verbaut dieses bei seinem Kunden, darf der Händler den Aus- und Einbau beim Kunden nicht ohne dessen Zustimmung vornehmen. Verweigert der Kunde die Zustimmung, steckt der Handwerker in einem Dilemma: Dem Kunden ist er zur Nachbesserung verpflichtet. Gegenüber seinem Lieferanten ist die Nachbesserung aber unzulässig, weil der Händler selbst zum Aus- und Einbau berechtigt ist. Der Handwerker ist gezwungen, seinem Kunden oder seinem Lieferanten gegenüber Rechtsbruch zu begehen.
Ein verantwortungsgerechtes Gewährleistungsrecht setze voraus, dass gesetzliche Rechte in der Praxis durchgesetzt werden können. Verbraucher und kleine Betriebe benötigen einen klar im Gesetz verankerten AGB-Schutz. Zudem müssen die Praxisfolgen stärker berücksichtigt und deshalb insbesondere dem Käufer das Wahlrecht eingeräumt werden, so der ZDH.