Glaswelt – Die Unternehmen, die Sie betreut haben, denen Sie eine neue Betrachtungsweise vermittelt haben – geht es denen heute besser?
Umberta Andrea Simonis – Schon mit meinen Pionierkunden – das waren damals ab 1996 Handwerksfirmen aus dem Bereich Fensterbau/Montage – habe ich zusammen anhand der wichtigsten Wünsche und Erwartungen der Endkunden klare Leitplanken des Verhaltens, des Auftritts und der Arbeitsweise beim Kunden entwickelt und dann mit den Monteuren zusammen trainiert und langfristig verankert. Das hat bei meinen Kundenunternehmen einen enormen Effekt gehabt. Diese Betriebe erhielten begeisterte Rückmeldungen und signifikant mehr Empfehlungen, somit Neukunden und Nachbestellungen. Sie profitierten von den eingeführten Befragungen ihrer Kunden enorm, auch weil die Monteure viel direkte Wertschätzung erfahren. Das hat die Motivation im Team deutlich gesteigert, stabile Mitarbeiterteams konnten aufgebaut werden und die Angst vor Abwerbern war nicht mehr da. Viele meiner Kunden haben mehr Azubis, als sie brauchen können, bei ihnen bewerben sich die jungen Leute extra, weil sie das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber wahrnehmen.
Glaswelt – Wann gelingt die Mitarbeiterorientierung eines Unternehmens am besten, welche Faktoren müssen stimmen?
Simonis – Meine langfristig erfolgreichen Kundenunternehmen halten sich an die eingeführten Grundpfeiler, Werte und Gesetze einer gelebten Servicekultur:
- Der Kunde kauft nicht nur eine Leistung, sondern den gesamten Prozess der Dienstleistung.
- Alle Mitarbeiter sind gleich wichtig und lassen das gewünschte Unternehmensimage lebendig werden, Mitarbeiter werden gefördert, gesehen und behandelt als Individuen.
- Was verkauft wird, wird bei der Auftragsabwicklung eingehalten, die Monteure sind die ‚Visitenkarte‘ des Unternehmens beim Kunden vor Ort.
- Aktive Kundenzufriedenheit durch Befragung und Bitte um Bewertung auch durch die Monteure vor Ort
- Reklamationen werden als Chancen für Kundenbegeisterung behandelt, konstruktive Fehlerkultur.
- Langfristige Kundenbeziehungen werden gepflegt, aktive Empfehler werden wertgeschätzt.
- Bewertungen werden laufend angeregt und gewünschte Feedbackkultur findet statt.
- Einbeziehung aller Mitarbeiter in den Prozess der Kundenbegeisterung und Kundenbindung – alle arbeiten auf Augenhöhe.
- Alle Mitarbeiter erhalten Weiterbildungsmöglichkeiten, auch in Bezug auf Kommunikation und Stressmanagement.
- Wertschätzende Führung und Vorbild: Nur zufriedene und überzeugte Mitarbeiter können Kunden begeistern.
- Es geht darum, dass Mitarbeiter gerne in ihrem Unternehmen arbeiten, darauf stolz sind und dadurch passend und begeisternd beim Kunden auftreten.
- Begeisterte Mitarbeiter ziehen wieder neue passende Kollegen an.
Glaswelt – Was sind die klassischen Missverständnisse zwischen Handwerker und Kunde. Wie kann der Auftragnehmer diesen aus dem Weg gehen?
Simonis – Für den Kunden ist beispielsweise der Einbau von 10 Fenstern eine „Ausnahmesituation“, für das Montageteam jedoch geübter „Alltag“. Für den Kunden ist es sein sorgsam gehütetes Zuhause, für den Monteur einfach eine „Baustelle“ von vielen. Der Kunde ist vor Montagebeginn oft aufgeregt, nervös, der Monteur locker und entspannt, er macht das ja öfters. Die beiden Welten prallen dann ungebremst aufeinander. Gerade bei anspruchsvollen Kunden ist dann der Tag oft schon gelaufen, bevor es überhaupt angefangen hat. In unseren Trainings arbeiten wir deshalb mit der Kundenperspektive. Das heißt, wir lassen unsere Teilnehmer erarbeiten, was sie sich selbst von einem idealen Handwerker wünschen würden, der in ihren vier Wänden eine handwerkliche Dienstleistung vollbringt. Da kommen dann zuverlässig die „Klassiker“, die sich jeder Endkunde auch wünscht: Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Sauberkeit, Umsicht, Freundlichkeit, Respekt, Empathie, Schutz des Eigentums, sauberes Verlassen des Montageortes, eine Abnahme, die in Ruhe gemacht wird, Zeit für Fragen und Klärungen, ein gutes Gefühl zum Abschluss, den richtigen Dienstleister gewählt zu haben, schnelle Hilfe, wenn es noch Anliegen oder Probleme gibt. Anschließend fällt es unseren Teilnehmern meist leicht, den Transfer zu sich selbst herzustellen und dann auf den eigenen Auftritt beim Kunden umzusetzen.
Glaswelt – Sie erwähnen in Ihren Vorträgen, dass der Handwerker gegenüber dem Kunden Vertrauenssignale setzen soll. Wie sehen diese aus?
Simonis – Mit der eben beschriebenen „Kundenbrille“ gesehen sind die Vertrauenssignale ganz klar:
- Die Zeithoheit des Kunden ist Gesetz. Bei absehbarer Verspätung rechtzeitig vorher anzurufen ist unabdingbar. Unentschuldigt zu spät auftauchen ist ein Abtörner der Sonderklasse.
- Der erste Eindruck ist entscheidend. Die Visitenkarte mit dem eigenen Namen darauf, Überschuhe und Auslegevliese signalisieren den Respekt vor dem Kunden. Vollbepackt vor dem Kunden zu stehen und „Wo ist hier die Baustelle?“ zu rufen ist dagegen indiskutabel.
- Der Kunde hat gerade zu Beginn Fragen, will etwas zum Ablauf der Leistung wissen. Da ist es wichtig, dem Kunden die Zeit zu geben, die er braucht, ihm Informationen zu geben, die ihn entlasten. Dann erst kann losgelegt werden. Wenn das nicht umgesetzt wird, kann der Kunde sich zum „Kontrolletti“ entwickeln, der sich dann auch mal einen Stuhl holt, um hinter dem Monteur sitzend alles zu beobachten und infrage zu stellen.
- Gerade die Abschluss- und Abnahmesituation ist für den Kunden eine Hauptsache. Da braucht er Zeit, um sicher zu sein, dass alles technisch passt, alles so geworden ist, wie er es sich vorgestellt hat. Druck machen und hektisch zum Aufbruch drängen ist ein absolutes No-Go.
- Ein sauberes Verlassen des Montageortes, die Frage nach der Kundenzufriedenheit, das Anregen von Empfehlungen und Bewertungen (auch online) ist dann der gelungene Abschluss und der Beginn einer langfristigen Kundenbeziehung. Denn nach dem Auftrag ist vor dem Auftrag!
Glaswelt – Vielen Dank, Frau Simonis, für Ihre Auskünfte.—
DIe Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.
Tipp der Redaktion: Im März-Heft geht’s weiter mit einer neuen Serie von Frau Simonis, zusammen mit Thomas Issler: „Lukrative Kunden und loyale Mitarbeiter anziehen und begeistern! 7 Schritte, wie Sie das im Arbeitsalltag leben und online verstärken“.