Stefan Cibis, Arbeitnehmer Vizepräsident der Handwerkskammer Oldenburg, hat uns einen Leserbrief zum GLASWELT Gespräch mit ZDH-Geschäftsführer Karl-Sebastian Schulte zugesendet. In GLASWELT 06/2015 sagte Schulte, mit der Einführung des Mindestlohngesetzes komme zu viel unnötige Bürokratie auf Handwerker zu. Das sieht Arbeitnehmervertreter Cibis jedoch anders.
Die Aussagen, die Herr Schulte in seinem Interview mit Ihnen von sich gegeben hat, entsprechen nur der Meinung der Arbeitgeber. Aber auch wir Arbeitnehmer gehören zum Handwerk und sind in den Handwerkskammern mit vertreten. Was übrigens bei keiner der anderen Kammern wie IHK, Landwirtschaftskammer usw. so ist. Leider wird das allzu oft vergessen.
Derzeit wird eine erbitterte Debatte um das vermeintliche „Bürokratiemonster“ Mindestlohn geführt. Arbeitgebervertreter und Teile der CDU versuchen, mit der Forderung nach „Bürokratieabbau“ bei den Kontrollen, die Deregulierung von Schutzstandards zu rechtfertigen. Die geforderte Einschränkung der Dokumentationspflicht wäre kein Abbau von Bürokratie, sondern ein Spiel mit dem Feuer.
Im Mittelpunkt stehen Menschen, darunter viele Minijobber, die mit jedem Cent rechnen müssen. Sie müssen darauf vertrauen können, dass der Mindestlohn kein leeres Versprechen ist, sondern auch gezahlt wird. Es nicht zu viel verlangt, die Arbeitgeber zu einer ordentlichen Dokumentation zu verpflichten. Nur dies bietet die Grundlage dafür, zu prüfen ob der Mindestlohn wirklich gezahlt wird. Zudem lässt sich schwer nachvollziehen, warum es im Zeitalter der modernen Datentechnik, nicht möglich sein sollte, Arbeitszeiten von Beschäftigten angemessen zu erfassen und zu dokumentieren.
Die Dokumentation der täglich geleisteten Arbeitszeit gehört nach geltendem Recht zu einer sauberen Buchführung eines Handwerksbetriebs und ist unverzichtbar für eine leistungsgerechte Entlohnung der Beschäftigten. [...]
Es ist entscheidend, dass die geleistete Stundenanzahl genau erfasst wird. Jede Einschränkung der Dokumentationspflichten behindert daher die wirksame Umsetzung des Mindestlohngesetzes. Die Dokumentationspflicht ist auch eine Hilfe für Arbeitgeber, die sich korrekt verhalten, denn sie können damit jederzeit nachweisen, dass sie sich gesetzeskonform verhalten.
Ich selber arbeite in einem Bauunternehmen mit über 100 Beschäftigten. Dort müssen nach der neuen Aufzeichnungspflicht bei drei Mitarbeitern jetzt zusätzlich die Stunden erfasst werden. Alle anderen mussten bereits Ihre Stunden dokumentieren, die die Basis ihrer Lohnabrechnung bilden. Selbst in meiner Lehrzeit musste ich meine Stunden dokumentieren, denn mein Lehrherr wollte ja seinen Kunden auch meine Arbeit in Rechnung stellen.
Welcher ordentliche Arbeitgeber hat nicht schon bisher dokumentiert, welche Arbeitsleistung er für seine gezahlten Löhne eingekauft hat? Als Arbeitgeber will ich doch sicher sein, dass die Stunden, die ich bezahle, auch tatsächlich geleistet werden. Ein ‚Bürokratiemonster‘ verbal heraufzubeschwören, das faktisch kaum vorhanden sein kann, dient nach meiner Auffassung nur der Öffnung einer Hintertür zur Umgehung des Mindestlohnes. Und das ist sicher nicht im Sinne des Gesetzes.
Und das ach so traurige Jammern über den Generalverdacht: In Bussen und Bahnen wird auch jeder Fahrgast kontrolliert. Das alles ebenfalls nur, weil es einige Schwarze Schafe gibt. Auch ZDH-Präsident Hans-Peter Wollseifer plädiert dafür, nicht „ganze Brachen unter Generalverdacht zu stellen.“ Um Schwarze Schafe aufzuspüren, genüge es „dann zu kontrollieren und dokumentieren zu lassen, wenn es belastbare Hinweise gibt“, so Wollseifer. Wie soll so etwas funktionieren?
Der Koalitionsausschuss hat am 26.04.2015 das Gesetz zum Mindestlohn zum Glück nicht geändert.
Mit freundlichen Grüßen Stefan Cibis
Arbeitnehmer Vizepräsident der Handwerkskammer Oldenburg