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innerbetriebliche Logistik in der flachglasbearbeitung

Holen oder bringen?

_ Gerade die Produktionsabläufe und der innerbetriebliche Glastransport zwischen den einzelnen Bearbeitungsstufen, beginnend beim Zuschnitt über die Kantenbearbeitung, ESG-Ofen, Fräsen/Bohren, VSG-Fertigung bis hin zur ISO-Fertigung und zum Verladen, bietet ein hohes Maß an Optimierungs- und Einsparpotenzial. Aber wie ist heute die Realität? In vielen Betrieben sind in der Produktion immer wieder Scheiben unauffindbar und müssen gesucht werden, und das kostet viel Zeit.

Um dies zu vermeiden, lassen sich neben dem häufigen, jeweils mehrere Minuten dauernden Suchen nach der benötigten Scheibe, bei der Glasbearbeitung mittels fest definierter Prozessabläufe die Zahl der Reklamationen, etwa aufgrund fehlender Bearbeitungen, massiv senken. Auch eine falsche Reihenfolge der Bearbeitung (z. B. erst ESG-Ofen, dann Bearbeitung) und die daraus resultierenden Fehlproduktionen werden durch das Festlegen und Benennen des vorherigen sowie des nachfolgenden Arbeitsschrittes fast ausgeschlossen. Hier spielen Gestelle eine wichtige Rolle, u. a. um den Fertigungsfluss zu gewährleisten. Ein zu geringes Platzangebot für innerbetriebliche Ablage- und Transportgestelle führt häufig zu Einschränkungen.

Gerade nach Investitionen in neue Maschinen macht es in so einem Fall Sinn, die bestehenden Produktionsflüsse neu zu strukturieren, um Zeitabläufe anzupassen und zu optimieren.

Bei Betrachtung der gesamten Workflows sollte der korrekte Abstellplatz für die zugeschnittenen Einzelscheiben von Anfang bis zum Ende der Fertigungskette durch die Termin- und Kapazitätsplanung vorgegeben werden.

Bei der darauf aufbauenden Analyse der innerbetrieblichen Logistik sind zunächst die Bearbeitungsstufen einzeln zu betrachten. Ziel ist dabei, den Mitarbeiter an der jeweiligen Maschine zu unterstützen.

Dieser erhält über das Produktionsplanungs- und Steuerungssystem (PPS-System) punktuelle Informationen, welche Folgeposition (Bohren, ISO-Linie etc.) in der Fertigungskette als nächste zu „bedienen" ist, sprich wohin er die Wagen mit den bearbeiteten Scheiben weiterleiten muss. Unterstützt durch die Produktionssoftware wird entweder auf dem Monitor oder in den Produktionspapieren die nächste Bearbeitungsstation angezeigt.

Der erste Optimierungs-Schritt im verbesserten Ablauf beginnt am Schneidtisch. Wichtig: Bei Verwendung von A-Gestellen wird ein Gestell pro Folge-Arbeitsschritt benötigt. Für die Bereitstellung der nötigen Transportwagen ist der vorhandene Platz am Schneidtisch entsprechend vorzuhalten, je höher die Zahl von nachfolgenden Fertigungsschritten, desto mehr Wagen werden benötigt. Die Konsequenz: je weniger Platz, desto eingeschränkter die Schneidplan-Optimierung und desto geringer die Scheiben-Ausbeute, da Reihenfolgen einzuhalten sind.

Hol- oder Bring-Schuld an der Maschine

Ist die Produktion nicht voll automatisiert, lassen sich derzeit im Wesentlichen zwei unterschiedliche Strategien zur Optimierung der innerbetrieblichen Logistik umsetzen. Zum einen die Strategie der „Bring-Schuld“: In diesem Fall wird die Verantwortung auf den Mitarbeiter der aktuellen Fertigungsstufe übertragen. Dieser stellt die Scheiben zunächst auf ein in der Abnahmeanzeige oder in der Arbeitsliste vorgegebenes Gestell. Dann bringt er die Scheiben auf Basis dieser Informationen entweder in einen definierten Zwischenbereich oder direkt zur nächsten Bearbeitungsstation. Seine Verantwortung endet mit der zeitnahen Bereitstellung „seiner" Gläser.

Die „Hol-Schuld“ basiert auf der Vorgabe, dass der Mitarbeiter der nachfolgenden Bearbeitungsstufe sich das Gestell mit „seinen" Scheiben selbst aktiv holen muss. Damit ist der Mitarbeiter des Folgeschritts verantwortlich für die zeitgemäße Abholung der benötigten Scheiben, um die vorgegebenen Durchlaufzeiten einhalten zu können. Eine Unterstützung mittels Produktionspapiere oder Monitoransicht muss für ihn gewährleistet sein.

Die Vorteile beider Strategien sind zum einen die deutliche Zeitersparnis sowie das Vermeiden von Falschfertigungen gegenüber undefinierten Arbeitsabläufen in der Produktion. Auch die Benennung eines Verantwortlichen lässt bei Reklamationen leichter Rückschlüsse auf Probleme zu, wodurch eine optimierte und über einen definierten Zeitraum zu betrachtende Fehleranalyse möglich ist.

Für sich betrachtet ist die Strategie der „Bring-Schuld“ durch die Bereitstellung der Scheiben für den nächsten Arbeitsgang vorteilhaft, da der Mitarbeiter eine Art „Arbeitsvorrat“ sieht, was bei der Planung der abzuarbeitenden Tagesvolumen sinnvoll erscheint. Andererseits bietet mit Blick auf den Versand die Strategie der „Hol-Schuld“ Vorteile, da der Versand durch das aktive Zusammentragen der benötigten Scheiben für die Vollständigkeit des verladenen Auftrags verantwortlich wird.

Kennzeichnungen unterstützen

Bei der Ermittlung des nächsten Arbeitsgangs ist die Kennzeichnung der Abstellplätze hilfreich. So kann ein Gestell z. B. farblich markiert werden (alle blauen Gestelle gehen zur ISO-Linie, alle roten zum ESG-Ofen), um die Folge-Bearbeitungsstufe der Scheiben zu definieren. Auch können Etiketten (Barcodes) auf Einzelscheiben oder Listen auf Gestellbasis die entsprechenden Informationen über die folgenden Bearbeitungsschritte enthalten.

Zudem ist es bereits in der Planungsphase wichtig, die Mitarbeiter mit einzubinden, damit keine Widerstände aufgrund eines geänderten Produktionsflusses hervorgerufen werden. Auch das Wissen in Bezug auf potenziell auftretender Probleme bei der Einbindung neuer Maschinen ist bei den Mitarbeitern in der Produktion hoch und entsprechend relevant.

Ein definierter Workflow bringt viele Vorteile: Zeitersparnis, eine signifikant verbesserte Einhaltung von Lieferterminen, die Verminderung von internen Nachläufern (erneut zu fertigende Scheiben) sowie die Reduzierung von Reklamationen.—

Dr. Jan Schäpers

Reale Einsparpotenziale

Auf Basis von realen Projektdaten sind hier die Einsparpotenziale zu sehen, die aus der Umstrukturierung der Workflows erzielt wurden. Ein Rückgang der Reklamationen ist zu beobachten. Die Verminderung der durchschnittlichen Produktionszeit pro Einheit war allerdings erst nach einer Gewöhnungsphase zu beobachten. Die Einsparungen durch die untersuchten Merkmale lagen deutlich über 10 Prozent.

Der Autor

Dr. Jan Schäpers ist seit Jahren in der Softwareentwicklung für Glasverarbeiter tätig. Seit April 2014 ist er Geschäftsführer der Hanic GmbH.

https://www.hegla-hanic.com

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