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Sicherheitsproblematik bei großen und schweren Fensterflügeln

Immer größer – schwerer – breiter

_ Auf der Weltleitmesse FRONTALE in Nürnberg konnte der Trend bei der Entwicklung der Beschlagtechnick für Fenster- und Fenstertüren ganz im Sinne des olympischen Gedankens immer „größer – schwerer – breiter“ weiterhin ungebrochen festgestellt werden: Dreh-Kippfenster mit Flügelgewichten über 200 kg mit entsprechender Beschlagtechnik sind schon fast das Standardformat. Die Forderung nach 3-fach-Isolierverglasungen in Verbindung mit Scheiben mit Sonderfunktionen wie einbruchhemmenden Eigenschaften oder für den verbesserten Schallschutz sowie den architektonischen Wünschen nach großen und lichtdurchlässigen Fensterelementen treibt die Flügelgewichte oft in eine Größenordnung jenseits der 200 kg-Marke. In einer Zeit, in der sich Profile und Rahmenmaterialen weiterhin stetig verändern, die Beschlagtechnik zunehmend optimiert und der Nutzerkreis immer weniger planbar wird, stellt diese Entwicklung eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar.

Die richtige Planung der Fenster, die Auswahl und Abstimmung der richtigen Beschlagtechnik sowie die ausreichende Befestigung der tragenden Beschläge ist aufgrund dieser Entwicklung immer wichtiger. Dieser Beitrag beschäftigt sich speziell mit Dreh-/Drehkippfenstern und der zugehörigen Beschlagtechnik nebst Befestigung.

Einflussfaktoren auf die Fensterkonstruktionen von heute

Aus architektonischer Sicht zeichnen sich moderne Fensterkonstruktionen durch schmale Fensterrahmen und große Glasflächen aus. Durch den Einsatz von 3-fach-Isolierglas oder angriffhemmenden Sicherheitsverglasungen werden Fensterflügel zunehmend schwerer. Im Zuge des Preis- und Kostendrucks werden Rahmenkonstruktionen, Beschläge und deren Befestigungstechnik zudem stetig optimiert. Diese Entwicklung macht eine richtige Planung, Fensterdimensionierung und Auswahl der passenden Beschlags- und Befestigungstechnik unumgänglich.

Anwendungsdiagramme für Dreh/Drehkippfenster

Anwendungsdiagramme (AWD) für Dreh- und Drehkippbeschläge zeigen grafisch die Zusammenhänge zwischen zulässigen Flügelfalzbreiten und Flügelfalzhöhen in Abhängigkeit von unterschiedlichen Glas- und Füllungsgewichten auf. Wesentlich dabei ist, dass es für ein definiertes Beschlagsmodell immer ein dazugehöriges Anwendungsdiagramm gibt. Bild 3 zeigt ein typisches Anwendungsdiagramm für ein Dreh-/Drehkippfenster für unterschiedliche Füllungsgewichte von 20 kg/m2 bis70 kg/m2. Das Breiten-/Höhenverhältnis ist durch die eingezeichnete Gerade begrenzt.

Den Einfluss des Glasgewichtes sollen die nun folgenden Beispiele verdeutlichen:

Wir gehen von einem Fensterflügel mit den Abmessungen von 1400 mm × 1900 mm (FFB x FFH) aus, der mit einer 3-fach-Isolierverglasung (Aufbau 4 mm Float – 12 mm SZR – 4 mm Float – 12 mm SZR – 4 mm Float) ausgestattet wird. Aufgrund der eingesetzten Verglasung bzw. dessen Aufbaus ergibt sich ein Glasfüllungsgewicht von 30 kg/m2.

Zeichnet man die Flügelabmessungen in das Diagramm so ein, befindet sich der Schnittpunkt der beiden Geraden links neben der gelben Linie der Glasfüllungsgewichte von 30 kg/m2 (Bild 4). Schlussfolgerung daraus ist, dass die gewünschte Fensterausführung mit dem dazugehörigen Beschlagsmodell realisiert werden kann.

Im nächsten Fall sollen Fensterflügel mit den Abmessungen von 1400 mm × 1900 mm (FFB × FFH) mit einer 3-fach-Isolierverglasung und Sicherheitsglas (Aufbau 4 mm Float – 12 mm SZR – 8 mm VSG – 12 mm SZR – 4 mm Float) gebaut werden. Durch die eingesetzte Verglasung bzw. dessen Aufbau und dem VSG-Anteil ergibt sich nun ein Glasfüllungsgewicht von 40 kg/m2.

Zeichnet man nun die Flügelabmessungen in das Diagramm ein, so befindet sich der Schnittpunkt der beiden Geraden rechts neben der türkisfarbenen Linie der Glasfüllungsgewichte von 40 kg/m2 (Bild 5). Daraus folgt, dass die gewünschte Fensterausführung mit dem dazugehörigen Beschlagsmodell nicht realisiert werden kann!

Ausreichend sichere Beschlagsbefestigung – Worauf muss geachtet werden?

Für die Dimensionierung der Befestigung von tragenden Beschlagteilen für Dreh-/Drehkippbeschläge (Scheren- und Ecklagerbauteile) steht mit der Richtlinie TBDK (Richtlinie „Befestigung tragender Beschlagteile von Dreh- und Drehkipp-Beschlägen“ der Gütegemeinschaft Schlösser und Beschläge e. V.) seit Mai 2014 eine entsprechende Grundlage zur Verfügung. Die Beschlagsbefestigung ist grundsätzlich von folgenden Faktoren abhängig:

  • Beschlagtyp (Hersteller, Typ, max. Tragkraft),
  • Befestigungsmittel (Schraubendurchmesser und Schraubenlänge sowie Qualität der Schrauben),
  • Rahmenmaterial der Befestigung (Holz, Kunststoff, Stahl usw.),
  • Verarbeitungsparameter (Eindrehmomente, Einschraubtiefe, Überdrehung der Schrauben).

Als Vorgabewerte für die Festigkeit der Beschlagsbefestigung sind in der Richtlinie TBDK für Scheren- und Ecklager von Dreh-/Drehkippbeschlägen in Abhängigkeit des Flügelgewichtes Mindestwerte definiert (siehe Bild 6).

Für den in Abschnitt 1.2 betrachteten Fensterflügel mit den Abmessungen von 1400 mm × 1900 mm (FFB × FFH) und dem Glasfüllungsgewicht von 30 kg/m2 ergibt sich ein Flügelgewicht von ca. 80 kg. Somit beträgt der Mindestwert der Scherenlagerbefestigung gemäß Bild 5 2200 N. Der Nachweis der Einhaltung dieser Zugkraft sollte vom Fensterbauer erbracht werden, um sicherzustellen, dass die richtige Beschlags- und Befestigungsmittelauswahl auf dessen Produktionsparameter optimal abgestimmt ist.

Fazit

In einer Zeit, in der architektonische Gesichtspunkte von Fenstern zunehmend im Vordergrund stehen und gleichzeitig aus Kostengründen und Preisdruck optimiert und justiert wird, sollte dennoch genügend Zeit der richtigen Planung und Abstimmung der eingesetzten Beschlagtechnik und dessen ausreichender Befestigung gewidmet werden.

Nur dann ist sichergestellt, dass die Fensterflügel auch sicher über den geplanten Lebenszyklus funktionieren und sicher mit dem Fensterahmen verbunden bleiben.—

Literatur

[1] Richtlinie TBDK: Befestigung tragender Beschlagteile von Dreh- und Drehkipp-Beschlägen Gütegemeinschaft Schlösser und Beschläge e.V., Mai 2014

Der Autor

Christian Kehrer leitet die ift-Zertifizierungsstelle und ist Lehrbeauftragter an der Hochschule Rosenheim. Er ist langjähriges Mitglied in nationalen und internationalen Ausschüssen der Normung, Technik und div. Verbänden.

www.ift-rosenheim.de

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