Glaswelt – Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung von leichtem 3-fach-ISO aus vorgespanntem Dünnglas in Deutschland?
Jochen Grönegräs – Diese Aufbauten haben sich bei 3-fach-Isolierglas als eine Möglichkeit der Gewichtsreduktion ihre Nische erobern können, zumal es Isolierglas-Hersteller gibt, die sehr konsequent auf das Thema setzen. Die Diskussion um die Einführung der DIN 18008 hat sicher geholfen, den Blick darauf zu lenken, dass Glas richtig dimensioniert sein muss – und das kann eben auch heißen: dünn, aber vorgespannt.
Glaswelt – Welche Vorteile sehen Sie durch solche ISO-Einheiten für ISO-Hersteller und welche für Fensterbauer?
Grönegräs – Beide haben dadurch zunächst einmal eine Möglichkeit, sich in dicht besetzten Märkten von ihren Wettbewerbern abzusetzen, wenn sie das Thema kommunizieren. Ob die Vorteile des leichteren Handlings in der Produktion beim Fensterbauer ins Gewicht fallen, muss jeder selbst beurteilen – oft ist das Gewicht da nicht das große Thema, da Handlinggeräte vorhanden sind. Und ob dem Fensterbauer oder gar dem Endkunden der Vorteil des geringeren Gewichts am Ende einen Aufpreis wert ist – denn die Herstellung ist nun einmal teurer – diskutiert die Branche ja nun schon seit geraumer Zeit. Bleibt die Sicherheitseigenschaft, die man beim Dünnglas, das man aus statischen Gründen vorspannt, als Zugabe bekommt. Die könnten die Verarbeiter sicher aktiver vermarkten.
Glaswelt – Beim Stichwort Sicherheit mit Blick nach Italien fällt auf, dass dort alle Isoliergläser mit Sicherheitsgläsern aufgebaut werden. Finden Sie, dass die Branche dort weiter ist als bei uns?
Grönegräs – In dieser Hinsicht bestimmt. Der italienische Verband Assovetro hat erfolgreich daran mitgewirkt, dass in der Norm UNI 7697 von 2014 zu Sicherheitskriterien bei Glasanwendungen in Fenstern eigentlich immer mindestens eine Scheibe Sicherheitsglas vorgeschrieben ist.
Glaswelt – In welchen Fällen muss man in Deutschland ISO-Einheiten mit/aus Sicherheitsglas einbauen?
Grönegräs – Wenn sich die Notwendigkeit nicht aus den statischen Anforderungen ergibt, kommt die Anforderung aus den Bereichen, die bislang durch die „Technischen Regeln“ und jetzt durch die DIN 18008 geregelt sind: Absturzsicherung (früher TRAV, jetzt DIN 18008-4), Überkopfverglasungen (früher in den TRLV, heute in DIN 18008-2) und – wenn man auch diese Anforderung beim Thema Isolierglas nennen will – begehbare Verglasungen (früher TRLV, heute DIN 18008-5).
Glaswelt – Und wird das in der Praxis auch wirklich von den Fensterbauern umgesetzt?
Grönegräs – Sicher wird es das. Es bleibt aber eben der Löwenanteil des Marktes übrig, in dem es keine Anforderungen gibt – ich denke hier an das gewöhnliche Lochfenster oder die Fenstertür zur Terrasse.
Glaswelt – Der Einsatz vorgespannter und/oder laminierter Gläser erzeugt Zusatzkosten. Ist eine Umsetzung bei der gegenwärtigen Preisdebatte um billige Fenster aus Polen möglich?
Grönegräs – Gerade in einer solchen Debatte müssten solche Mehrwerte doch für alle Beteiligten eigentlich eine willkommene Ablenkung vom ewigen Preisthema sein.
Glaswelt – Was denken Sie würde passieren, wenn es verpflichtend wäre, mit Sicherheitsglas zur arbeiten?
Grönegräs – Dann müssten sich alle Anbieter aus allen Ländern auf dem deutschen Markt daran halten.
Glaswelt – Aber ISO aus Sicherheitsglas bringt doch für den Nutzer eine Reihe von Vorteilen, auch was den Einbruchschutz angeht. Ich denke hier an die aktuell angestiegenen Einbruchzahlen?
Grönegräs – Wir haben gerade gemeinsam mit anderen Verbänden zur Ausgestaltung der angekündigten Förderung von mehr Einbruchssicherheit über einen Vorschlag abgestimmt, den wir beim Bundesumwelt- und Bauministerium einreichen werden.
Grundsätzlich steht das Thema natürlich auf einem anderen Blatt – nicht jedes Sicherheitsglas verfügt über die gewünschten Eigenschaften für die Einbruchssicherheit, und außerdem muss das ganze Fenster und nicht nur das Glas Einbruchschutz bieten. Aber im Prinzip stimmt es natürlich trotzdem, dass Sicherheitsglas mehr Schutz bietet als normales Floatglas.
Glaswelt – Wird sich der Verband für eine gesetzliche Regelung pro Sicherheitsglas einsetzen?
Grönegräs – Es muss nicht unbedingt ein Gesetz sein, aber der Vorstand des BF hat tatsächlich vor einiger Zeit entscheiden, dass wir Regelungen unterstützen wollen, die verstärkt den Einsatz von Sicherheitsglas verlangen.
Wir sehen darin eine wichtige Verbandsaufgabe – schon im Leitbild des BF steht, dass wir eine „Anwendung der Produkte der Unternehmen der Flachglasbranche auf einem sicheren Niveau“ anstreben. Das ist ja auch eine Imagefrage, dass Produkte einer Branche nicht in den Ruf kommen, gefährlich zu sein.
Glaswelt – Und in welchem Rahmen könnte eine solche Regelung eingeführt werden?
Grönegräs – Dafür kommen natürlich z. B. Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften in Betracht. Die Glasanwendungen im Privatbereich erreicht man damit aber nicht. Hier sind zum Beispiel die immer wieder zitierten Lichtausschnitte in Zimmertüren zu nennen oder auch die erwähnten Terrassentüren. Also (bodentiefe) Verglasungen, an die es heute keine Anforderungen gibt, weil sie z. B. keine Absturzsicherung leisten müssen, die aber in unseren Augen dennoch sicherheitsrelevant sind. Wir wissen, dass wir da beim DIBt auf Wohlwollen stoßen – aber nationale Zusatzanforderungen durch das DIBt sind nach dem EuGH-Urteil ja aktuell nicht sehr angesagt.
Eine Möglichkeit ist, solche Anforderungen bei der ohnehin anstehenden Weiterbearbeitung der DIN 18008 aufzunehmen. Wir werden bei der nächsten Sitzung einen entsprechenden Vorschlag einbringen.
Glaswelt – Wie glauben Sie, wird der Markt darauf reagieren? Für die Vermarktung wäre dies doch eine Steilvorlage für Fensterbauer und Isolierglashersteller. Oder sehen Sie das anders?
Grönegräs – Nein, das sehen wir genauso, dass eigentlich sowohl die Isolierglashersteller als auch die Fensterbauer ein Interesse an höherer Wertschöpfung haben müssten. Aber der Verband hat natürlich weder die Aufgabe noch das Ziel, Produkte zu verteuern, sondern unsere Bemühungen zielen auf mehr Sicherheit ab.
Glaswelt – Und was ist Ihre persönliche Meinung dazu?
Grönegräs – Persönlich wundere ich mich schon immer, dass auf der einen Seite dauernd über niedrige Preise geklagt wird, es auf der anderen Seite aber sofort heißt, das Produkt dürfe wegen zusätzlicher Anforderungen auf keinen Fall teurer werden. Wenn alle Anbieter die gleichen Anforderungen erfüllen müssen – was soll dann so schlimm daran sein? Nachvollziehen könnte ich diese Bedenken erst dann, wenn der Hauseigentümer bei der Sanierung oder der Planer beim Neubau sich dazu entscheiden würde, auf die teuren Fenster zu verzichten und das Loch in der Wand lieber zumauern und von außen mit Styropor dämmen würde. Aber von diesem Punkt sind wir doch wohl weit entfernt. —
Die Fragen stellte Matthias Rehberger.