Glaswelt – Herr Roßbach, die Aufregung nach dem Artikel in der GLASWELT war groß, klären Sie uns auf warum?
Thomas Roßbach – Aus unserer Sicht wurde in dem Artikel der Eindruck erweckt, dass es sich bei der neuen RAL Gütesicherung um ein marktausgrenzendes Instrument handelt. Das Gegenteil ist der Fall – das System der RAL Gütesicherung ist privatrechtlich organisiert und interessensneutral. Jede der 121 verschiedenen RAL Gütegemeinschaften steht allen interessierten Marktteilnehmern jederzeit offen.
Glaswelt – Der Weg zum Gütezeichen beschreibt den Ablauf zu dessen Erlangung? Ein Verfahren, das seit 90 Jahren fast unverändert angewendet wird. Ist es immer noch zeitgemäß?
Roßbach – Dieser Ablauf ist zeitgemäßer denn je. Bei der Entwicklung von Güte- und Prüfbestimmungen bindet RAL in einem öffentlichen Anhörungsverfahren alle tangierten Fach- und Verkehrskreise wie Wirtschafts- und Verbraucherverbände, Ministerien und Prüfeinrichtungen mit ein. Das gewährleistet die Neutralität von RAL Gütezeichen und verhindert, dass mit einer Gütesicherung nur die Interessen eines Marktteilnehmers verfolgt werden. Zudem erfolgt eine vereinsrechtliche, wettbewerbsrechtliche, kartellrechtliche und markenrechtliche Prüfung aller Satzungs- und Zeichenunterlagen einer neu zu schaffenden Gütegemeinschaft. Schließlich unterwerfen sich die Gütezeichenbenutzer einer stetigen Eigen- und regelmäßigen Fremdüberwachung ihrer Produkte und Leistungen durch unabhängige Prüforganisationen. Hierdurch bieten RAL Gütezeichen eine sichere Orientierung für Verbraucher, Unternehmen sowie Auftraggeber in einem wachsenden Angebot von Waren und Dienstleistungen.
Glaswelt – Schauen wir auf die neue Güterichtlinie „Gütegesicherter Sicht-/Blend- und Sonnenschutz mit Textilbehängen“. Haben sich die „interessierten Kreise“ nicht ausreichend an dem Entstehungsprozess beteiligt?
Roßbach – Auch im öffentlichen Anhörungsverfahren der Gütesicherung Sicht-, Blend- und Sonnenschutzsysteme wurde den betroffenen Verbänden und Institutionen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Im Verfahren steht es Jedem frei, sich zu äußern oder nicht. Jedenfalls findet jede Stellungnahme – soweit technisch umsetzbar – Berücksichtigung bei der Erstellung der Güte- und Prüfbestimmungen. Die Anerkennung einer Gütesicherung durch RAL erfolgt erst nach Auswertung aller Eingaben im Benehmen mit den Fach- und Verkehrskreisen. RAL als Dachverband und Systemgeber nimmt nicht am Wettbewerb teil und ist zur Neutralität verpflichtet. Deshalb sind wir maßgeblich auf die fachliche Zuarbeit der Beteiligten angewiesen.
Glaswelt – Wir haben explizit die Durchgängigkeit der Zeichnungen moniert, die ausschließlich von einem Hersteller kommen. Ein Fehler bzw. ein Punkt, den man beheben kann?
Roßbach – Viele der heute 155 RAL Gütezeichen wurden auf Initiative von nur einem Unternehmen ins Leben gerufen. Da liegt es nahe und in der Natur der Sache, dass sich zunächst auch technische Zeichnungen des Initiators in den Güte- und Prüfbestimmungen wiederfinden. Die in der Gütesicherung Sicht-, Blend- und Sonnenschutzsysteme abgebildeten Zeichnungen sind beispielhaft aufgeführt und bedeuten nicht, dass die gütegesicherten Produkte nur nach dieser Vorgabe gefertigt werden dürfen. Das steht auch so in den Güte- und Prüfbestimmungen. Träger einer RAL Gütegemeinschaft ist immer ein Kollektiv in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, der für alle Marktteilnehmer offensteht. Den Mitgliedern bzw. Gremien des Vereins steht es frei, die Güte- und Prüfbestimmungen redaktionell oder inhaltlich zu überarbeiten.
Glaswelt – Was passiert, wenn die „interessierten Kreise“ nach wie vor kein Interesse zeigen, sich in die Güterichtlinie einzubringen?
Roßbach – Ein „nach wie vor” können wir hier nicht erkennen. Die Gütesicherung ist erst seit wenigen Wochen von RAL anerkannt und in der Branche noch nicht bekannt. Erkennbar ist aber, dass bei Verbrauchern der Wunsch nach qualitativ hochwertigen Sicht-, Blend- und Sonnenschutzsystemen vorhanden ist. Mit der neuen RAL Gütesicherung besteht die Möglichkeit, in einem bisher ungeregelten Bereich eine Kennzeichnung für Güte zu schaffen, die allen Marktteilnehmern eine verlässliche Orientierung bietet.
Glaswelt – Nach diesen Informationen heißt es dann also doch „RAL gut – alles gut?
Roßbach – In jedem Fall. Allerdings mit einem anderen Satzzeichen. Mit Ausrufezeichen anstatt einem Fragezeichen: „RAL gut – alles gut!“.—
Das Gespräch führte Olaf Vögele in Bonn.