Stahl und Glas, unendlich viel Licht und angenehme Wärme, Toskana, Bambus, Eukalyptus. Was auf den ersten Blick wie eine logische Folge zusammenhängender Fakten wirkt, birgt – übertragen auf Glasanbauten in Mitteleuropa – einige Fallen. Um es ganz unverblümt auszusprechen: Bei der Pflanzenauswahl können fundamentale Denkfehler begangen werden, was einen Großteil der Bepflanzung in den ersten Jahren eingehen lässt. So mancher Wintergarten-Hersteller ist sicher schon erschrocken, wenn er bei Kundenbesuchen die vermeintliche Pflanzenpracht in Augenschein nahm. Anbieter können aber im Vorfeld dem Kunden helfen, einige Fehler zu vermeiden. Solche Kardinalfehler sind:
- Die Temperatur in Wintergärten ist oft zimmerwarm. Das korrespondiert nicht mit den Lebensbedingungen beispielsweise von Oliven in deren Heimat – dort ist es im Winter kalt. Die Folge: Die Pflanzen veratmen sämtliche Stoffwechselreserven, verlieren zu viel Blätter und bilden dünne, weiche Triebe.
- Der Sonnenstand in unseren Breiten ist im Winter extrem niedrig, ebenso wie die Tageslänge kurz ist. Folge: Lichtmangel.
- Durch Sonnenschutzgläser (Metallbeschichtungen) sinken die Lichtdurchgangswerte, sodass nur noch schattenliebende Arten gedeihen.
- Pflanzen sind keine Einrichtungsaccessoires im Sinne von Möbelstücken. Die fortlaufende Pflege ist ein Muss. Wer dazu nicht bereit ist, sollte an Kunstpflanzen denken oder generell Pflanzen vermeiden.
Welche Wünsche haben Gärtner an die Technik?
- Wenn der Glasanbau hoch genug ist (mindestens 3,5 m) kann auf eine Schattierung verzichtet werden. Natürlich nur bei optimaler Lüftung (75 % der Lüftungsflügel oben, 25 % der Belüftung von unten). Die Lüftung oben muss thermostatgesteuert sein, die Zuluft unten kann auch manuell geregelt werden.
- Wenn möglich, keine Sonnenschutzgläser verbauen. Da wir in Mitteleuropa im Winter selbst in Gewächshäusern Lichtmangel haben, mindert eine zusätzliche Lichtverknappung die Pflanzenqualität. Die Pflanzen werden dünn, schütter und leichter von Schädlingen befallen.
- Eine (träge) Fußbodenheizung alleine reicht nicht aus. Kurz nach Sonnenuntergang fällt die Temperatur in Glasanbauten stark ab, rasch muss Wärme verfügbar sein. Im Idealfall sind Konvektoren entlang der Glasscheiben angeordnet – die aufsteigende Warmluft trocknet die Scheiben.
- Wenn eine Schattierung vorhanden ist, muss sie der Lüftung nachgeordnet gesteuert werden: Wenn es heiß wird, sollte zuerst die Lüftung aufgehen, danach die Schattierung. Und wenn die Bewohner aus dem Haus sind, sollte die Schattierung generell später zugehen – die Mediterranpflanzen halten Temperaturen bis ca. 44°C locker aus.
- Wichtig für die Pflanzenauswahl: Man muss wissen, wie warm der Wintergarten geheizt werden soll.
Die Minimumtemperatur in den Winternächten ist entscheidend dafür, welche Pflanzen ausgewählt werden. Gärtner unterscheiden zwischen winterharten Pflanzen, Kalthaus-, Lauwarmhaus- und Warmhauspflanzen. Während bei ersteren der Boden gefrieren kann, brauchen die letztgenannten eine Bodentemperatur von mindestens 18°C – die Grenze zwischen Kalthaus und Lauwarmhaus liegt etwa bei 12°C.
Kalte Glashäuser – Pflanzenparadiese für Energiebewusste
In Verbindung mit Solararchitektur taucht oft die Frage nach ungeheizten Wintergärten auf. Geht das überhaupt? Ja, nur muss einiges beachtet werden: Im Herbst können die Pflanzen langsam abhärten, im Winter muss die Frosthärte erhalten bleiben und im Frühjahr dürfen die Pflanzen nur langsam aus ihrem „Winterschlaf“ wieder erwachen. Deshalb lautet die Devise: lüften, lüften, lüften. Schon bei Temperaturen um +5°C muss gelüftet werden, damit die Frosthärte nicht verloren geht. Im Hochwinter ist der Wintergarten aber kaum zu nutzen. Wichtig, falls irgend machbar: offene Beete, um die empfindlichen Wurzeln zu schützen. Das passende Grün für solche Wintergärten: Die Vegetation Ostasiens, z. B. Bambus und Kamelie, oder frostverträgliche Arten aus den Mittelmeergebieten – hier mögen Oliven und Feigen als Symbole angeführt sein –, aber auch Pflanzen aus den südlichen USA.
Ganz anders der gerade frostfreie Wintergarten: In kalten Winternächten wird er auf Temperaturen knapp über 0°C gehalten. An sonnigen Wintertagen jedoch darf man hier die Sonnenkraft nutzen und die Lüftung geschlossen halten.
Für ein paar Stunden lässt sich auch die Heizung hochdrehen. Hier kommen dann neben den oben genannten Pflanzen auch Arten aus Australien/Neuseeland ins Spiel – auch in den kühleren Gegenden Südafrikas oder Südamerikas wird man fündig. Unter ökologischen Gesichtspunkten stellt der gerade frostfreie Wintergarten wohl die Optimierung von Kosten/Nutzen dar.
Der lauwarme Wintergarten
Optimal für den, der sich nicht festlegen will: Die lauwarme Glasoase. Die ist einerseits kühl genug, um den klassischen Kübelpflanzen ein Auskommen zu bieten, andererseits warm genug für einen Hauch von Tropenstimmung. Bedenkenlos können manche Nächte warm gehalten werden. Regulär wird jedoch die Temperatur nachts auf ca. 10 bis 12°C abgesenkt.
Das Spektrum der verfügbaren Pflanzen weitet sich nun enorm. Neben den klassischen Immergrünen aus den Gebieten rund ums Mittelmeer, aus Südafrika, Südamerika oder den kühleren Gegenden Australiens bzw. Neuseelands kommen nun schon viele Blütenpflanzen der wärmeren Subtropen infrage: Knallige Farborgien mit verschiedenfarbigen Bougainvillea-Hybriden, Obsternte von Echten Guaven oder Papayas, auch die nahezu ununterbrochen blühenden Hibiskus-Sorten können bei Temperaturen von mindestens 12°C schon gedeihen. Eine Fülle von Kletterpflanzen – blauer Uhrenwein, roter Blutwein, gelber Goldwein – zaubern selbst bei kleiner Grundfläche eine vielfältige Pflanzenwelt.
Der warme Wintergarten – für tropische Pflanzenschätze
Wer einmal in den feuchten Tropen weilte, kennt den Quantensprung in der Vegetation. Wer möchte nicht deren ‚Highlights‘ in unser vergleichsweise erbärmliches Klima hinüberretten: Der schwere, tropisch üppige Duft der Frangipani nach Kokos und Marzipan, die markanten Silhouetten der verschiedenen Palmen, nicht zu vergessen das Rascheln der Bananenblätter.
Wer es sich einfach machen will, nimmt gewöhnliche Zimmerpflanzen. Nahezu alle Arten gedeihen hier bestens. Doch ist das Spektrum der möglichen Pflanzen viel, viel größer. Gänzlich zu kurz im gängigen Zierpflanzenhandel kommen die lichthungrigen blühenden Tropen- und Subtropengehölze, beispielsweise der knallrot blühende Afrikanische Tulpenbaum.
Der laufend zu zahlende Preis für einen durchgehend warmen Wintergarten – die höheren Heizkosten – wird durch die inzwischen phantastisch niedrigen U-Werte der Wärmeschutzgläser akzeptabler. So manches Kalthaus wurde im Laufe der Nutzung stillschweigend zum warmen Wintergarten befördert. Deshalb der Rat: Wer sich hinsichtlich der Minimumtemperaturen nicht sicher ist, sollte sich für den Kompromiss des lauwarmen Wintergartens entscheiden.
Beckenpflanzung oder Kübel?
Ganz grundsätzlich ist das Pflanzenwachstum in Beeten besser, die tägliche Pflege einfacher, leichte Fehler in der Temperaturführung und in der Bewässerung werden gepuffert. Rangieren oder Austauschen von Pflanzen ist hingegen nur noch schwer möglich. Entsprechend des stärkeren Wachstums müssen Pflanzen in Becken häufiger geschnitten werden als solche im Einzelgefäß. Gleichwohl ist der Arbeitsaufwand bei Becken geringer, weil das ständige Überprüfen von Einzeltöpfen auf Trockenheit entfällt. Bei eingewurzelten Pflanzen reicht bei entsprechender Beckentiefe ein einwöchiger Gießturnus im Sommer, im Winter muss meist nur alle 2 bis 3 Wochen gewässert werden.
Bildbestimmend werden ein bis drei Leitpflanzen – kleine Bäume – sein, die gleichzeitig für Schatten über dem Sitzplatz sorgen. Kletterpflanzen können die innere Hauswand beranken. Ihre wild wuchernden Ranken sorgen für das richtige Dschungelgefühl. Sobald sie jedoch an die Glasscheiben stoßen, werden sie zurückgeschnitten. —
Die Autorin
Maria Sansoni-Köchel ist Leiterin der Gärtnerei Flora Mediterranea und im Bereich Gartenbau durch zahlreiche Veröffentlichungen, vor allem zu den Themen mediterrane Pflanzen und Wintergärten („Wintergarten – Das Praxisbuch“), bekannt. Sie studierte nach einer Gärtnerlehre an der TU München-Weihenstephan Gartenbau.