Fenster und Verglasungen werden immer großflächiger. Nebst den mittlerweile mehr oder weniger zum Standard gewordenen 3-fach Isoliergläsern, kommt noch der vermehrte Einsatz von Sondergläsern mit z.B. erhöhten Schallschutz- oder Einbruchhemmungsanforderungen dazu. Die Bemessung ist mit den Vorgaben der Isolierglashersteller und den einschlägigen Bemessungsnormen relativ einfach zu lösen. Auch im Bereich der Beschläge wurden Anstrengungen unternommen um größere Gewichte tragen zu können. Aber halten unsere seit Jahrzehnten bewährten Eckverbindungen diesen Belastungen noch stand? Oder für den Fensterbauer die fast täglich wiederkehrende und daher wichtigere Frage: Wo liegen denn die Grenzen meines Fenstersystems? Und wie kann ich allenfalls die darüber hinausgehenden Wünsche der Kunden wirtschaftlich erfüllen?
Eckverbindungen und Fenstersysteme
In den letzten Jahren hat sich bei den holzbasierten Fenstern eine relativ große Vielfalt an Eckverbindungen und Fenstersystemen am Markt etabliert. Gedübelte Verbindungen mit Konterprofilierung oder auch mechanisch mit Schrauben verbundene Lösungen haben vielerorts die klassische und bewährte Schlitz-Zapfenverbindung abgelöst. Die Gründe dafür sind vielfältig, häufig liegen dabei aber die fertigungstechnischen Überlegungen im Vordergrund.
Auch bei den Fenstersystemen selbst ist ein Wandel im Gange und es kann nicht mehr nur von Holz- oder Holz-Alu-Systemen gesprochen werden. Unübersehbar sind die schlanken Integral- und Verbundsysteme, welche einen zusätzlichen Trend ausgelöst haben und auch bei architektonischen Überlegungen oft zum Zuge kommen. Diese minimierten Profilquerschnitte bedeuten auf der anderen Seite aber auch eine Einschränkung bei der Gestaltung der Eckverbindung.
Die Eckverbindung aus der Sicht der Fertigungsoptimierung
Bei der Evaluation der Eckverbindung steht die Fertigung wie bereits erwähnt oft im Vordergrund. Die Frage der Verbindung stellt sich den Betrieben häufig dann, wenn eine Ersatzinvestition der Hauptmaschine ansteht. Für die Schlitz-Zapfen-Verbindung spricht, dass sie sich im Betrieb bewährt hat und für die produzierten Fenstersysteme die Werkzeuge vorhanden sind. So kann mit bescheidenem Planungsaufwand weiter produziert werden.
Ein Wechsel des Eckverbindungssystems ist mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Dieser sollte aber geprüft werden, wenn gleichzeitig ein neues Fenstersystem eingeführt werden soll und dabei auch neue Werkzeuge beschafft werden müssen. Oder auch wenn Überlegungen zur Einzelteilfertigung und Einzelteillackierung gemacht werden. Je nach Eckverbindungsvariante sind Änderungen im Produktionsablauf nötig. Es lohnt sich dabei genau abzuklären, ob sich die Eckverbindung für alle vorgesehenen Fenstersysteme eignet. Hier ist vor allem zu berücksichtigen, dass im Holzbereich eine äußerst große Variantenvielfalt vorherrscht und die Systemanbieter kaum jede der Varianten bereits geprüft haben. Zum Beispiel müssen alle Glasfalzoptionen in Kombination mit Friesdimensionen und Profilierungen mit dem Eckverbindungssystem überprüft werden. Der Fensterbauer wird in der Regel dabei selber eine wichtige Eigenleistung erbringen müssen, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.
Nebst den Fertigungskosten müssen die Kosten für die zusätzlichen Materialien wie Dübel, Schrauben etc. sowie deren Verarbeitung und Einbringung inkl. der dazu notwendigen Einrichtungen berücksichtigt werden. Auch eignet sich nicht jede Maschinentechnologie optimal für jede Verbindung.
Statik und Festigkeit
Die Erhöhung der Glasgewichte als auch die größer werdenden Flügeldimensionen belasten die Fensterkonstruktion als Ganzes. Mit den erwähnten schlanken Profilierungen geht bezüglich der Flügeleckverbindung aber in der Regel auch ein Verlust an Verbindungs- und damit Klebefläche einher. Dies kann die Tragfähigkeit einer Eckverbindung herabsetzen. Die Frage ist nun, ob die Festigkeit der Verbindung hoch genug ist, dass auch mit reduziertem Querschnitt genügend Reserve bleibt. Um dies beantworten zu können, müssen einerseits Festigkeitswerte bekannt sein und andererseits die auf die Verbindung einwirkenden Kräfte ermittelt werden.
Lastfälle:
- Permanente statische Vertikallasten in geschlossenem und geöffnetem Zustand (Flügelgewicht)
- Kurzfristige statische oder dynamische Vertikallasten in geöffnetem Zustand (z.B. Person hält sich an Flügel fest)
- Dynamische Horizontallasten (Wind, stolpernde Personen)
Weitere Einflussfaktoren:
- Flügelabmessung unter Berücksichtigung des Seitenverhältnisses
- Öffnungsart (Drehflügel, Drehkipp, Festverglasung)
- Flügelrahmenprofil (Querschnitt, Profilierung)
- Glaseinbau (Verklotzung, Verklebung)
- Eckverbindung
- Bandtyp
In Bezug auf die statischen Anforderungen können die Eckverbindungen auf ihre Festigkeit geprüft und die entsprechenden Bemessungswerte unter Berücksichtigung der verschiedenen Einwirkungen und Randbedingungen ermittelt werden. Ein solches Nachweisverfahren beschreibt die ift-Richtlinie „Rahmeneckverbindungen für Holzfenster“. Das Verfahren eignet sich bezüglich Statik aber nur für eine generelle Betrachtung. Verkauf und Arbeitsvorbereitung eines Fensterbaubetriebes benötigen verifizierte Vorgaben bezüglich der Systemgrenzen aller verarbeiteten Fensterprofilvarianten. So müssen im täglichen Arbeitsprozess schnell und unkompliziert die maximal möglichen Abmessungen für verschiedene Glas- (Gewicht, Stärke) und Öffnungsvarianten ersichtlich sein. Eine Überschreitung der zulässigen Grenzen kann fatale und teure Folgen haben. Andererseits ist es ärgerlich, wenn ein Mitbewerber den Zuschlag erhält, weil man selber unsicher war, ob die eigene Konstruktion den Anforderungen gewachsen ist. Eine genaue Kenntnis der Möglichkeiten und Grenzen kann entsprechend ein nicht zu unterschätzender, wirtschaftlicher Vorteil sein.
In den letzten Jahren wurden die Dreh-Kippbeschläge weiter entwickelt, sodass deren Tragkraft signifikant erhöht werden konnte. Man muss aber davon ausgehen, dass heutige Fensterflügel in gewissen Anwendungen trotzdem zu schwer sind und diese Beschlagsgrenzen überschreiten. Abhilfe schaffen allenfalls Einbohrbänder oder Spezialbänder.
Die Frage stellt sich, welcher der genannten Einflussfaktoren limitierend ist und entsprechend verbessert werden muss, um diese Fensterelemente mit geringem Risiko einsetzen zu können.
Im Rahmen von diversen Mandaten für Fensterbaubetriebe sowie eigenen Entwicklungsvorhaben wurden an der Berner Fachhochschule folgende Untersuchungen durchgeführt:
- Festigkeit von Fenstereckverbindungen
- Festigkeit von Drehbändern
- Optimierungsvarianten zur Verbesserung der Tragfähigkeit von Bändern
- Tragfähigkeit und Bruchverhalten von gesamten Fensterkonstruktionen unter Vertikallast
Ziel war es, die Tragfähigkeit der Fensterkonstruktionen zu optimieren und zu verbessern sowie mit den Ergebnissen über Annäherungsverfahren kundenspezifische Systemgrenzen für die Fenstersysteme zu erarbeiten.
Im Folgenden wird auf die Problematik der Eckverbindung eingegangen. Die Festigkeit einer Fenstereckverbindung hängt von verschiedenen Faktoren ab. Diese sind:
- Verbindungstyp (geschlitzt, geschraubt, gedübelt, Kombinationen und weitere)
- Profilquerschnitt
- Fensterkonstruktion (IV, Holz-Alu, Integral)
- Glasstärke
- Klebstoff
- Verarbeitungsqualität, Toleranzen
Maßgebend für die Festigkeit ist aufgrund der Untersuchungen nicht unbedingt der Eckverbindungstyp. Größere Unterschiede können zwischen den Fenstertypen festgestellt werden. Die auftretenden Kräfte werden von der Glasscheibe über die Verklotzung in die Flügelkonstruktion eingeleitet.
Bei Holz-Alu- oder Integralfenstern steht das Glas einseitig im Flügelquerschnitt, was eine ungünstige Lastverteilung innerhalb des Profils ergibt, weil der direkt unter dem Glas liegende Bereich stärker beansprucht wird (Bild 2). Bei sehr schlanken Flügelprofilen kann das beim Bruch ein Abscheren im Glasfalz zur Folge haben. Wichtig sind in jedem Fall die optimale Position von Dübel und Schrauben oder auch die geschickte Anordnung der Klebeflächen bei Schlitz-Zapfenverbindungen.
Ein weiterer Faktor sind die variablen Glasstärken, welche innerhalb eines Fenstersystems signifikante Festigkeitsunterschiede in der Eckverbindung verursachen können. Je dicker das Glaselement, desto mehr wird der Holzquerschnitt geschwächt.
Schwierig zu beurteilen sind die Einflüsse von Bearbeitungstoleranzen in der Fertigung. Dazu ist auch die Klebstoffapplikation zu zählen. Insbesondere bei manuellem Auftrag des Klebstoffes sind innerhalb einer Fertigungscharge große Streuungen bei den Bruchwerten möglich.
Vertikale Belastungen an großen, einflügeligen Fenstern geben unter anderem Aufschluss über die Tragfähigkeit der Eckverbindungen sowie die Wirkung allfälliger Optimierungsmaßnahmen im Bereich der Bänder und Hölzer. Bei schweren Gläsern wird die Gesamtkonstruktion so weich, dass die Gebrauchstauglichkeit ohne Maßnahmen nicht mehr gegeben ist. Durch die Aussteifung des Flügels mit einer gezielten Verklebung der Scheibe mit dem Flügelrahmen können signifikant größere Flügeldimensionen realisiert werden. Die Eckverbindung wird damit entlastet, Potenzial zur weiteren Verbesserung verspricht die Optimierung der Bandbefestigung im Flügel und Blendrahmen.
Auf der Suche nach der besten Eckverbindung
Immer schlankere Fensterprofile kombiniert mit immer schwereren Gläsern sind in Bezug auf die Fensterstatik eine Herausforderung an den Fensterbauer. Die Wahl der Eckverbindungslösung sollte sehr gut überdacht und auf die betrieblichen Anforderungen überprüft werden. Nebst der Fertigung sollten dabei auch die zu erwartenden statischen Anforderungen abgeklärt werden. Grundsätzlich lässt sich je nach Fenstersystem die Eckverbindung bei hohen Belastungen mit geeigneten Maßnahmen entlasten. Die Kunst ist es, diese wirtschaftlich zu gestalten und nur dann einzusetzen, wenn sie auch wirklich notwendig sind.
Eine „beste“ Eckverbindung gibt es im eigentlichen Sinne nicht. Vielmehr müssen die Anforderungen aus Fertigung, Ästhetik und Statik gewichtet und daraus die beste Lösung für den Betrieb gewählt werden. Dazu ist es unerlässlich die Festigkeitswerte zu ermitteln.
Auch die Forschung hat noch Aufgaben. So müssen Bemessungsmodelle und Verfahren entwickelt werden, welche es erlauben, die maximalen Flügeldimensionen und -gewichte mit einer akzeptablen Genauigkeit, das heißt unter Berücksichtigung aller maßgebenden Faktoren, rechnerisch zu bestimmen. —
Literaturnachweis:
[1] ift Richtlinie: Rahmeneckverbindungen für Holzfenster, Anforderungen, Prüfung und Bewertung (2008)
[2] DIN EN 14608 Fenster – Ermittlung der Widerstandsfähigkeit gegen Lasten in der Flügelebene
[3] DIN EN 13115 Fenster– Klassifizierung mechanischer Eigenschaften Vertikallasten, Verwindung und Bedienkräfte
[4] SIA 260:2003 Grundlagen der Projektierung von Tragwerken
[5] SIA 261:2003 Einwirkungen auf Tragwerke
[6] SIA 265:2003 Holzbau
[7] SN EN 14358:2006 Holzbauwerke – Berechnung der 5%-Quantile für charakteristische Werte und Annahmekriterien für Proben
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Der Autor
Urs Uehlinger ist Dipl. Holzingenieur und Leiter der Forschungseinheit Fassadenelemente, Innenausbau und Möbel an der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau.
„Taste of windays“
Der Autor wird diesen Beitrag auch auf der Veranstaltungsreihe „Taste of windays“ der Berner Fachhochschule in Kooperation mit der Holzforschung Austria auf der fensterbau/frontale halten, die von Donnerstag, den 22.03. bis zum Samstag, den 24.03.2012 stattfindet. Darin geht es in mehreren Referaten um die Fertigung. Fensterexperten informieren über die neuesten Erkenntnisse aus der Forschung rund um die Entwicklungen im Fenster- und Fassadenmarkt. Die Themen reichen von der „Jahrhundertchance Holzfenster“ über Neuigkeiten bei der Einbruchhemmung und im Bereich der Brüstungspaneele bis hin zu der Zukunft der Glasklebetechnologie (mehr Informationen auch auf S. 68)
Die drei Fachveranstaltungen finden jeweils von 10.30 bis 12.30 Uhr statt.
Die Teilnahme ist kostenlos, Anmeldung erforderlich unter: http://www.ahb.bfh.ch/weiterbildung => Holz => Seminare/Tagungen/Kurse.
http://www.ahb.bfh.ch | NCC Ost, Raum Kiew