Unter Barrierefreiheit wird die Eigenschaft von Gebäuden und baulichen Anlagen verstanden, wenn sie für alle Menschen (mit und ohne Behinderungen) in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe, zugänglich und nutzbar sind. Vereinfacht gesagt: Etwas ist barrierefrei, wenn man es leicht erkennen, verstehen, erreichen und nutzen kann. Übertragen auf Türen müssen diese deutlich wahrnehmbar, leicht zu öffnen und zu schließen sowie sicher zu passieren sein (Schutzziel).
Produkte, die eine Barrierefreiheit gewährleisten, werden künftig den Kernmarkt darstellen und nicht länger ein Sonderprodukt für eine kleine Gesellschaftsgruppe.
Rechtliche und normative Vorgaben
In Artikel 3 des Grundgesetzes findet sich der Hinweis: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Für den Bereich Hochbau findet dieses Benachteiligungsverbot seine Umsetzung in der Musterbauordnung (MBO) und den jeweiligen Landesbauordnungen (LBO). Die Vorgaben zum barrierefreien Bauen sind unterschiedlich in den LBOs der einzelnen Bundesländer geregelt und können deshalb differieren.
Nationale Bauordnung: In der Musterbauordnung (MBO) heißt es in § 50 „Barrierefreies Bauen“: „In Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein. In diesen Wohnungen müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad sowie die Küche oder die Kochnische mit dem Rollstuhl zugänglich sein.“
Die geforderte Zugänglichkeit für den Rollstuhl wirkt sich auf die Schwellen-, die Drückerhöhen und die lichten Durchgangsbreiten der Türen aus.
Europäische BauPV: In der seit 24.03.2011 gültigen Bauprodukten-Verordnung (BauPV) wird – gegenüber zur bisherigen Bauprodukten-Richtlinie (BPR) – erstmals die Barrierefreiheit gefordert. So muss künftig bei Entwurf und Ausführung des Bauwerks die Barrierefreiheit und die Nutzung durch Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden.
Seit den 1970er Jahren existieren normative Regelungen zur Barrierefreiheit (DIN 18024 und DIN 18025 mit je zwei Teilen). Alle vier Normen wurden in den 90er Jahren überarbeitet. Was damals noch plakativ als „behindertengerechtes Bauen“ bezeichnet wurde, wird heutzutage mit Begrifflichkeiten wie „Design for all“ oder „Universal Design“ belegt. Gemäß der Definition aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist Universal Design ein internationales Design-Konzept, das Produkte, Geräte, Umgebungen und Systeme derart gestaltet, dass sie für so viele Menschen wie möglich ohne weitere Anpassung oder Spezialisierung nutzbar sind.
Beschrieben wird dies im Sinne der Barrierefreiheit für den Wohnungsbau „neu“ anhand DIN 18040-2 „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 2: Wohnungen“ seit September 2011. Die hierin getroffenen Festlegungen zielen im Wesentlichen auf gute Nutzbarkeit, leichtgängige Bedienung und gut erreichbare Bedienelemente der Türen ab.
Maßliche Anforderungen: In Tabelle 1 der DIN 18040-2 findet man eine Übersicht über alle Werte. Die wesentlichen geometrischen Anforderungen sind:
- eine lichte Öffnungsbreite ≥ 90 cm (nutzbare lichte Durchgangsbreite),
- eine lichte Höhe über OFF ≥ 205 cm,
- Drücker, Griffe in Höhe von 85 cm (in Ausnahmefällen bis 105 cm).
Dazu einige Hinweise zur nutzbaren lichten Durchgangsbreite der Tür. Die für die Barrierefreiheit entscheidende nutzbare lichte Durchgangsbreite (b) ist ein Mindestdurchgangsmaß von 90 cm (Bild 01). Hier ist zu berücksichtigen, dass dieses Maß durch hervorstehende Beschlagteile nicht beeinträchtigt werden darf. Vom Planer sind hervorstehende Teile mit zu berücksichtigen, und die Türen müssen sich entsprechend weit öffnen lassen (prEN 14351-2 Annex D). Dazu ein Beispiel: Ist ein Türdrücker an einer Drehtür montiert, so muss sich diese über 90° öffnen lassen, da ansonsten der Griff die nutzbare lichte Durchgangsbreite (b) beeinflusst.
Schwellenhöhe: Untere Türanschläge und Schwellen sind grundsätzlich nicht zulässig. Sind sie technisch unabdingbar, dürfen sie nicht höher als 20 mm sein. Mit anderen Worten: In Ausnahmefällen, z.B. bei extremer Schlagregenbelastung, dürfen an Haustüren oder Zugangstüren zu Mehrfamilienhäusern max. 20 mm hohe Anschlags-Schwellen vorhanden sein. Wohnungseingangstüren sowie Zimmertüren innerhalb von Wohnungen dürfen keine unteren Türanschläge oder Schwellen haben (bei Anforderungen an den Schallschutz sind Halbrundschwellen bis ca. 8 mm tolerierbar).
Beschläge: Drückergarnituren sind für motorisch eingeschränkte, blinde und sehbehinderte Menschen greifgünstig auszubilden. Dies wird beispielsweise erreicht durch:
- bogen- oder U-förmige Griffe,
- senkrechte Bügel bei manuell betätigten Schiebetüren.
Orientierungshilfen: Auffindbarkeit bzw. Erkennbarkeit von Türen und deren Funktion müssen auch für blinde und sehbehinderte Menschen möglich sein. Dies wird u.a. erreicht durch
- das Ertasten eindeutig erkennbarer Türdrücker, Türblätter oder –zargen,
- visuell kontrastierende Gestaltung, z. B. helle Wand/dunkle Zarge, heller Flügel/dunkle Hauptschließkante und Beschlag,
- zum Bodenbelag visuell kontrastierende Ausführung von eventuell vorhandenen Schwellen,
- horizontale Streifen auf Glastüren.
Ganzglastüren und großflächig verglaste Türen müssen sicher erkennbar sein (siehe auch ifz info TU-01/1 „Verglasung von Innentüren“). Hierzu definiert die Norm klare Vorgaben an anzubringende Sicherheitsmarkierungen, die den optischen Ansprüchen von Planern und Architekten nicht immer genügen, für sehbehinderte Menschen aber unabdingbar sind.
Die Bedienelemente wie Drücker, Griffe sollen sich optisch vom Türflügel abheben, auch bei schlecht beleuchteten Räumen oder beim Bewegen ohne Brille. Die Erkennbarkeit von Türdrückern von Bestandstüren lässt sich auch durch kontrastreiche Aufkleber auf dem Türblatt realisieren.
Bedienkräfte und Automatisierung
Das Öffnen und Schließen von Türen muss auch mit geringem Kraftaufwand möglich sein. Hier fordert die DIN 18040-2 für die Bedienkräfte und -momente mindestens die Klasse 3 nach DIN EN 12217. Andernfalls sind automatische Türsysteme erforderlich.
Als Vorzugslösung sind automatische Schiebetüren zu nennen. Hierbei schlagen die Flügel nicht in notwendige Bewegungsflächen oder in Richtung des Benutzers auf, was gerade für Menschen mit Handicap sehr vorteilhaft ist. Allerdings haben diese Türen zur Öffnungsseite einen erhöhten Platzbedarf oder benötigen eine Wandtasche.
Daher sind diese Türsysteme im Wohnbereich nur selten vorzufinden, könnten aber bei frühzeitig geschultem Bewusstsein stärker in der Planung berücksichtigt werden.
Ausblick
Mit der steigenden Bedeutung des barrierefreien Bauens als einer zentralen Aufgabe der Bauwirtschaft und deren breiten Umsetzung steigt naturgemäß auch die Nachfrage. Für den Markt, d.h. für die Hersteller und Verarbeiter, folgt daraus die Aufgabe, die entsprechenden Produkte technisch und qualitativ hochwertig zur Verfügung zu stellen.
Wünschenswert ist, dass diese barrierefreien Komfort-Produkte zur Selbstverständlichkeit werden und bei Anfragen als Standard angeboten werden. Für die zukünftige Umsetzung ist zudem die Bereitschaft von Planern und Investoren nötig, sich auf die Idee des barrierefreien Bauens einzulassen. Die Barrierefreiheit sollte ein Muss in der Planung und der Umsetzung werden – getreu dem Motto: „barrierefrei = bewegungsfrei“. —
Tipp der Redaktion: Weitergehende Informationen zum Thema finden Sie im ifz info TU-07/1 Barrierefreie Türen für den Wohnbereich und https://www.ift-rosenheim.de/ifzinfos.
Die Autoren
Andreas Schmidt (Prüfingenieur, Auditor) und Knut Junge (Leiter Technische Auskunft) betreuen am ift Rosenheim das Themengebiet Barrierefreiheit.