Als „barrierefrei“ galten bislang Gebäude, die behinderten und älteren Menschen den Zugang erleichterten und ihnen auch im Inneren möglichst wenige Hindernisse in den Weg stellten – eine relativ vage Vorgabe. Mit der Novellierung der DIN 18040 für öffentliche und seit kurzem auch für private Gebäude wurden die Maßgaben verschärft: Jetzt sollen alle Haupteingänge stufen- und schwellenlos erreichbar sein, untere Türanschläge werden unzulässig. Nur in Ausnahmefällen dürfen die Schwellen maximal zwei Zentimeter hoch sein. In der Praxis allerdings sorgen oft umständliche Sonderanfertigungen für etwas leichteren Zugang. Ideal sind diese Lösungen nicht, darin sind sich Experten wie die Architekten Ulrike Rau und Prof. Lothar Marx einig. Viele dieser Konstruktionen sind zudem problematisch, weil sie weder zugluftsicher noch schallgeschützt sind. Ein neuartiges System, das ebenerdige Durchgänge ermöglicht und gleichzeitig Türen sicher abdichtet, kommt von der Alumat Frey GmbH aus Kaufbeuren. Es basiert auf dem Schließmechanismus durch Magnete.
Stolperfalle und Rollstuhlfalle
Fünf Millimeter – für Rollstuhlfahrer und ältere Menschen kann selbst solch eine winzige Schwelle zur Stolperfalle oder gar zu einem unüberwindbaren Hindernis werden. „Barrierefreies Bauen bedeutet Bauen für alle“, sagt die Architektin Ulrike Rau. Seit vielen Jahren setzt sie sich dafür ein, dass Menschen mit Einschränkungen ihrer motorischen, sensorischen oder kognitiven Fähigkeiten in ihrem Alltag so wenige bauliche Erschwernisse wie möglich im Weg stehen. Kürzlich ist die zweite Auflage ihres Buches „Barrierefrei – Bauen mit Zukunft“ erschienen – pünktlich zum Beschluss der DIN-Kommission, die veraltete DIN 18025 zum barrierefreien Bauen zu überarbeiten. Demnach sind jetzt untere Türanschläge und -schwellen mit einer Höhe von zwei Zentimetern nur noch zulässig, wenn dies technisch unumgänglich ist.
Herausforderung für die Zukunft
Laut dem Münchner Professor Lothar Marx, Mitglied des Normenausschusses für barrierefreies Bauen und betreutes Wohnen, sind die starken Veränderungen der Demographie im westlichen Europa ein zentraler Grund für die Novellierung der Norm. „Bis 2020 wird es 200 Mio. pflegebedürftige Menschen geben. Man kann davon ausgehen, dass mehr als 90 Prozent zu Hause betreut werden“, so Marx. „Daher wird das barrierefreie Bauen in den kommenden Jahren zu einer zentralen Gestaltungsherausforderung.“
Im nicht-privaten Bereich seien ebenerdige Zugänge inzwischen zur Normalität geworden, etwa bei öffentlichen Verkehrsmitteln und in Flughafengebäuden. „Doch im privaten Wohnungsbau wird das Thema bei vielen Verantwortlichen weiterhin als Gespenst und unlösbare Aufgabe betrachtet“, hat Marx festgestellt. „Es ist an der Zeit, dass Planer, Entwickler und Sachverständige ihre teilweise veralteten Denkweisen aufgeben.“ Gute bauliche Lösungen würden immer noch vermieden, obwohl deren Funktion längst nachgewiesen sei, so Marx.
Permanentmagnete schließen den Türspalt
Ein Beispiel, wie sich Schwellen vermeiden lassen, ist das Magnettürdichtungssystem der Alumat Frey GmbH. Bei dieser Lösung werden zwei frei liegende Permanentmagnete im Alu-Bodenprofil und entsprechende Gegenstücke an der Unterseite der Tür installiert. Ist die Tür geschlossen, werden die Bodenmagnete nach oben gezogen und schließen somit den Spalt auch ohne Schwelle komplett ab. Wird sie geöffnet, stoßen sich die Magnete wieder ab und fallen in ihre Ausgangsposition zurück. Geeignet ist das System sowohl für Türen im Innen- als auch im Außenbereich, unabhängig davon, ob als Material Holz, Kunststoff oder Aluminium verwendet wird. Auch in Altbauten kann es nachträglich eingebaut werden.
„Entscheidend ist dabei auch, dass das Oberflächen- und Fassadenwasser aus dem Eingangsbereich möglichst schnell und ohne Rückstau abgeführt wird“, erklärt die Architektin Rau. „Insbesondere bei Tauwetter entstehender Schneematsch oder bei schlagartig hohen Niederschlagsmengen ist eine Entwässerungsrinne bei Abdichtungshöhen nach Flachdachrichtlinie unter fünf Zentimetern empfehlenswert.“ Um zu verhindern, dass Feuchtigkeit in die Innenräume gelangt, werden beim Alumat-System die Laufschienen mit einem integrierten Wasserablauf nach außen entwässert. Die verstellbare Silikon-Schleifdichtung im Wetterschenkel sorgt außerdem dafür, dass Schmutzablagerungen die Magnetfunktion nicht beeinträchtigen. Grober Schmutz wird beim Schließen der Tür nach außen abgestreift. Eine Dichtung aus EPDM-Material unter der Innenseite der Tür hält zusätzlich Zugluft ab.
Durch diesen komplexen Aufbau halten die Alumat-Magnetdoppeldichtungen sowohl die Normen für höchste Beanspruchung von Schlagregen bis 100 Meter Geschosshöhe als auch die Grenzwerte für Luftdurchlässigkeit ein. Bei niveaugleichen Sonderkonstruktionen, die je nach Einbausituation und Lage der Türdurchgänge auch von Tischlereien hergestellt werden, seien stets zusätzliche Maßnahmen erforderlich, um die Schwellenabschlüsse vor Wasserbelastung zu schützen. Darunter zählen beispielsweise ausreichend große Vordächer, Fassadenrücksprünge und unmittelbar entwässernde Rinnen mit Gitterrosten.
„„erantwortungsbewusstes Bauen bedeutet, für alle Menschen gleichermaßen zu bauen“, so Rau. Statt spezielle, separierte Lösungen für Menschen mit Behinderungen oder sonstigen Einschränkungen zu entwickeln, werde das Thema „inklusives Bauen“ mehr und mehr ein selbstverständlicher Bestandteil bei den Gebäudeplanungen. „So können beispielsweise im Voraus vermiedene Schwellen zur Sturzprophylaxe beitragen“, erklärt Rau. Auch Marx ist sicher, dass trotz der noch bestehenden Skepsis ebenerdige Durch- und Zugänge auch im privaten Wohnungsbau bald zur Normalität gehören werden, sowohl bei Wohnungstüren als auch bei Aufzügen, Balkonen, Terrassen, Loggien und in Duschen. „Nicht nur für Menschen mit Rollstühlen sind fehlende Hindernisse eine Erleichterung“, so Marx. Auch für ältere Menschen mit eingeschränktem Seh- und Wahrnehmungsvermögen oder verminderter Kognition bedeute eine verbesserte Qualität der Gebäude mehr Selbstständigkeit und Erleichterung im Alltag. —