Der Begriff „Barrierefrei“ ist flexibel und dynamisch. Es handelt sich hierbei um ein Konzept, das individuelle Wünsche und persönliche Anforderungen berücksichtigt, ohne dabei neue Hindernisse aufzubauen. Damit ist Barrierefreiheit weit mehr als nur der begriffliche Ersatz der Adjektive „senioren-, alten- oder behindertengerecht“. Nicht nur bauliche Anlagen öffentlicher Träger müssen barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden können, wie es die Musterbauordnung § 50 Absatz 2 vorschreibt. Sowohl private Bauherren als auch die Wohnungswirtschaft schauen mit Weitblick auf das Thema: Der Trend geht eindeutig in die Richtung der „absoluten Bewegungsfreiheit“, sei es in den eigenen vier Wänden oder dem vermieteten Wohngebäude. Ein Abbau von Schwellen in Wohnobjekten ist über „Förderbausteine“ der KfW-Banken förderfähig. Förderungen sind vor Baubeginn oder Sanierung durch den Bauherrn oder Planer individuell zu prüfen.
Wie ist die Barrierefreiheit erreichbar?
Entscheidet sich ein Bauherr, seine Wohnung nach den Grundsätzen der Barrierefreiheit zu sanieren, so muss er laut DIN 18040-2 Absatz 5.4 folgendes beachten: „Wenn der Wohnung ein Freisitz (Loggia, Balkon, Terrasse) zugeordnet wird, muss dieser barrierefrei nutzbar sein. Er muss von der Wohnung aus schwellenlos erreichbar sein und eine ausreichende Bewegungsfläche von mindestens 120 × 120 cm bzw. 150 × 150 cm für Rollstuhlfahrer betragen.“ Hierbei wird unterschieden zwischen „barrierefrei nutzbaren Wohnungen“ und „barrierefrei uneingeschränkt nutzbaren Wohnungen“ zum Beispiel für Rollstuhlfahrer. In der DIN-Norm 18040-2 sind die Anforderungen an rollstuhlgerechte Ausführungen mit einem großen „R“ gekennzeichnet.
Barrierefreiheit erreicht man bei einer Schwellenhöhe von maximal 2 cm. Diese Lösung gilt laut Fachregeln als Sonderkonstruktion. Sie erfordert ebenfalls abdichtungstechnische Sonderlösungen, die zwischen Planer, Monteur und dem ausführenden Dachdecker abzustimmen sind.
Die minimale Anschlusshöhe allein kann die Dichtigkeit am Türanschluss nicht sicherstellen. Deshalb sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich, ggf. auch in Kombination miteinander:
- wannenförmiger Entwässerungsrost gegebenenfalls beheizbar mit unmittelbarem Anschluss an die Entwässerung,
- erhöhtes Gefälle der wasserführenden Ebene vom Gebäude weg,
- Schlagregen- und Spritzwasserschutz durch Überdachung,
- zusätzliche Abdichtung im Innenraum mit gesonderter Entwässerung.
Unterstützend zu dieser Sonderlösung sind Fassadenrücksprünge, Vordächer, unmittelbar entwässernde Rinnen- oder Drainagesysteme einzuplanen. Auch die Notentwässerung ist so tief anzuordnen, dass die Türschwelle bei einer möglichen Verstopfung der Hauptentwässerung nicht überstaut und das Wasser nicht in den Wohnraum eintritt.
Komplett schwellenlos = völlig uneingeschränkt
Von einer „uneingeschränkten Barrierefreiheit“ nach DIN-Norm 18040-2 spricht man, wenn der Übergang zwischen Balkon-, oder Terrassenoberbelag komplett schwellenlos ist. Ein fachgerechtes Abdichten an die vorhandene Abdichtung kann hier nur erreicht werden, wenn man auf spezielle Tür- und Rahmenelemente zurückgreift, die einen fertigen Anschluss (inklusive Eckausbildung) seitens der Türhersteller integriert haben (siehe Grafik).
Selbstverständlich muss diese vorkonfektionierte Abdichtung den für diese Beanspruchungsart gestellten Anforderungen entsprechen. Abdichtungen von genutzten Dächern werden in zwei Beanspruchungsarten unterteilt (vgl. DIN 18195 und Fachregeln für Abdichtungen – Flachdachrichtlinien.):
- mäßige Beanspruchung (zum Beispiel Balkone) und
- hohe Beanspruchung (zum Beispiel Dachterrassen).
Im Hinblick auf die Auswahl der jeweils geeigneten Kunststoffbahnen sind insbesondere die höheren Bahnendicken bei hoher Beanspruchung zu beachten. Hinweise finden Planer und Verarbeiter im Stoffteil der DIN 18195-2 und in den Produktdatenblättern im Anhang der Flachdachrichtlinien. Bei den hier beschriebenen Türelementen mit Flanschkonstruktion wird der entsprechend verwendete Werkstoff aus einer bitumenverträglichen EVA-Kunststoff-Dachbahn konstruktiv in den unteren Türanschluss eingebaut und kann so vom Dachdecker an die vorhandene Abdichtung des Außenbereiches fachgerecht angeschlossen werden. Auch bei der Ausführung solcher Sonderlösungen sind zusätzliche Maßnahmen zur sicheren Abführung des Oberflächenwassers, wie oben geschildert, vorzunehmen.
Eine weitere technische Herausforderung bei der Ausführung schwellenloser Übergänge ist neben der Andichtung an die Abdichtung ebenfalls die Schlagregendichtheit. Hersteller haben Gesamtkonzepte entwickelt, die eine integrierte und gleichzeitig kontrollierte Abführung des Schlagregenwassers möglich machen. Das abgeführte Wasser wird hierbei über eine Schlauchkupplung unter der ebenfalls lieferbaren Drainage vom Gebäude abgeleitet.
Die Situation zwischen Tür und Schwelle wird mittels einer Magnetkupplung geregelt (siehe Bilder auf der vorigen Seite). Ein Magnet ist an der Türunterseite befestigt, ein weiterer in eine Bodenschiene eingelassen. Dieser hebt sich und dichtet die Tür ab, sobald sie geschlossen ist. Wird die Tür geöffnet, sinkt der Magnet zurück und macht den Durchgang frei – völlig ohne Barriere.
Dialog der Gewerke ist wichtig
Die praktische Umsetzung von barrierefreien Anschlüssen im Übergangsbereich vom Wohnraum zur Dachterrasse oder Balkon unter Einhaltung der relevanten technischen Regeln erfordert eine vorausschauende Planung. Dabei ist die Kommunikation, in diesem Fall insbesondere mit Herstellern der unterschiedlichen Gewerke (Türhersteller, Lieferant von besonderen Türelementen, Hersteller von Entwässerungsrosten, Hersteller der Kunststoff-Dachbahn), von elementarer Bedeutung, um den Anforderungen von Sonderkonstruktionen zu entsprechen. Lösungen eines Systemanbieters, wie hier dargestellt, sind darüber hinaus zeitsparend hinsichtlich des Planungs- und Koordinierungsaufwands sowie wirtschaftlich, funktional und nachhaltig. Sie bieten einen tatsächlich barrierefreien Übergang mit fachgerechter Anbindung an die Abdichtung und eine Entwässerung unmittelbar im Tür-/Schwellenbereich. Qualifiziertes Fachpersonal der jeweiligen Handwerksbetriebe sorgt letztendlich dafür, dass durch den Einbau und die Abdichtung dieses Systems die technisch einwandfreie Umsetzung einer „Sonderkonstruktion“ realisiert wird. —
Der Autor
Josef Löcherbach ist beim Flachdach-Abdichtungsspezialisten Alwitra Leiter des Produktmanagements Dach- und Dichtungsbahnen. Der Fachbeitrag erschien in der Erstveröffentlichung in DDH - Das DachDeckerHandwerk.