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Solarfassaden

Da steckt Energie drin

GLASWELT: Sehr geehrter Prof. Willkomm, Sie arbeiten und forschen im Themenfeld Solar, welche Entwicklungen im Bereich Fassade sind gerade aktuell?

Wolfgang Willkomm: Informationsvermittlung ist immer ein aktuelles Thema. Planer kennen die Möglichkeiten der Solarenergie oft zu wenig, Solarkomponenten-Hersteller kennen die Wünsche und Notwendigkeiten der Architektur oft zu wenig. Mit den Architekten­kammern der Bundesländer versuchen wir in Weiter­bildungsmaßnahmen, seit einigen Jahren hier die Lücken zu schließen. Technisch-konstruktiv aber auch gestalterisch ist im Bereich der Photovoltaik-Fassaden einerseits die Dünnschicht­technologie ein sehr aktuelles Thema, mit ihren neuen Möglichkeiten der Flexibilität, Transluzens und geringen Gewichte. Andererseits wird auch der Wunsch der Planer und Anwender nach ausgereiften Bausystemen immer deutlicher. Systeme, bei denen man nicht alle Details neu entwickeln muss und bei denen Kompatibilität mit bewährten Konstruktionen anderer Fassadenmaterialien gegeben ist. Einige Hersteller aus dem Bereich Dach und Außenwand in den Materialgruppen Glas, Blech und Kunststoff haben hier bereits gute Angebote, davon wird mehr gebraucht.

GLASWELT: Wenn künftig mehr Solarfassaden gebaut werden, worauf müssen sich Planer und Verarbeiter einstellen, was ändert sich zu herkömmlichen Fassaden?

Willkomm: Die Unterschiede zu herkömmlichen Fassaden klingen banal, sind aber sehr komplex. Eine PV-Fassade soll unverschattet sein, ist ein stromproduzierendes und damit stromführendes Bauteil und erzeugt finanzielle Einnahmen. Das alles tut eine herkömmliche Fassade nicht. Daraus ergeben sich alle zusätzlichen Planungs- und Anwendungsregeln. PV-Fassaden sind außerdem multifunktionale Bauteile, weil sie eben außer der Stromproduktion, und damit als Generator und dezentrales Kraftwerk, auch Wetterschutz, Sichtschutz und/oder Durchblick, Tageslicht und ggf. auch Schall- und Blitzschutz und in einigen Fällen auch elektromagnetische Abschirmung bieten können. Planer und Verarbeiter müssen die inzwischen umfangreich vorhandenen gestalterischen und technischen Möglichkeiten besser kennenlernen und ihren Auftraggebern gegenüber Kompetenz in diesem Bereich beweisen. Viele sind nicht über die große Bandbreite des Angebots informiert, sowie die gestalterischen Chancen und die technisch-physikalischen Bedingungen. Manche wissen nicht einmal, wann die Sonne wo wie hoch steht und können keine Verschattungen ermitteln. Einige können immer noch Photovoltaik-Module mit Solarzellen nicht von Warmwasser-Kollektoren unterscheiden, geschweige denn Dünnschicht- von kristalliner Technologie.

GLASWELT: Und was bedeutet dies in der praktischen Umsetzung für die Verarbeiter?

Willkomm: Verarbeiter müssen verschiedene Gewerke integrieren, je nach dem Grad der oben genannten Multifunktionalität – mindestens aber Fassadenbau und Elektroinstallation. Sie müssen damit auch deren Chancen und Risiken beherrschen. PV-Fassaden und -Dächer sind Gleichstrom führende Bauteile, sobald Licht auf sie fällt.

GLASWELT: Welche Potenziale mit Solarfassaden sehen Sie für die Sanierung?

Willkomm: Sehr große Potenziale liegen bei der sogenannten „fünften“ Fassade, dem Dach. Allein im vorhandenen Baubestand sind z.B. die Dachflächen auf den flachen und flachgeneigten Gewerbe- und Bürobauten riesig groß, oft in gewissen Zeitabständen sanierungsbedürftig und selten gestalterisch ansprechend. In der aktuellen Architektur existieren auch immer wieder Beispiele mit einem fließenden Übergang vom Dach zur Fassade und mit geneigten Fassadenflächen. Es kann deshalb sinnvoll sein, die Gebäudehülle insgesamt zu betrachten und dann in ihren verschiedenen Ausrichtungen eine Solaranwendung zu untersuchen, anstatt sie in Dach- und Fassadenflächen zu zerlegen.

Für Fassaden wie für Dächer gehört zur wirkungsvollen Erweiterung der Potenziale unbedingt das Angebot der genannten Bausysteme mit bewährten konstruktiven Lösungen und Details, die von Planern und Verarbeitern ohne eigene Neuentwicklungen eingesetzt werden können.

Mögliche Einschränkungen der quantitativen Potenziale liegen natürlich im Denkmalschutz, dort gelten sie beispielsweise ja auch für großflächige Verglasungen, wobei aber moderne Dünnschichtprodukte auch da bereits sehr diskrete gestalterische Integrationen zulassen.

GLASWELT: Und wo sehen Sie Einschränkungen beim Einsatz von Solarfassaden?

Willkomm: Einschränkungen liegen natürlich in allen verschatteten Bereichen und bei spezifischen Materialvorgaben durch Gestaltungssatzungen, Festlegungen im Bebauungsplan und im Denkmalschutz.

GLASWELT: Betrachtet man die Fassade als Bestandteil des gebäudetechnischen Konzepts, was muss man sich darunter ­vorstellen?

Willkomm: Gebäudetechnisch muss man sich darunter zunächst einen Generator von Gleichstrom vorstellen, der zur Integration in das Wechselstromnetz einen Wechselrichter braucht, für den der Blitzschutz und Brandschutz stromführender Bauteile gelöst werden muss, der aber für das Gesamtgebäude die Betriebskosten reduziert und sich nach einigen Jahren amortisiert. Und das kann sonst kein Fassaden­material – nämlich Geld verdienen.

GLASWELT: Werden wir in Zukunft nur noch Solarfassaden bauen?

Willkomm: Natürlich nicht im Schatten, aber sicherlich werden vermehrt in besonnten Bereichen immer mehr PV-Fassaden und PV-Dächer erstellt werden. —

Zur Person

Prof. Dr.-Ing. habil. Wolfgang Willkomm ist Studiendekan Master Architektur an der HafenCity Universität Hamburg (HCU). Er ist Partner im Architekturbüro hwp Hullmann, Willkomm & Partner, Hamburg.

http://www.hwp-hullmann-willkomm.de

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