Universal Design versteht sich als ganzheitliche Strategie im Sinne einer barrierefreien Gestaltung - unabhängig vom Alter und Maßstab. Generationengerechte Gebäude überzeugen durch großzügige Bewegungsräume und bequemes Wohnen sowie durch eine einfache Handhabe von Türen und Fenstern. Dabei lässt sich das Prinzip „Universal Design – Design für Alle “ als strategisches Instrument für die Kundenansprache einbringen.
Mit Blick auf die Generation 50+ erinnern entsprechend ausgestattete Wohnungen dann häufig mehr an ein modernes Loft, als an altengerechtes Wohnen.
Uta Kurz: „Design für Alle ist ein wichtiges Argument für die Zielgruppe 50+. In dieser Altersgruppe wird überdurchschnittlich viel Geld für die Renovierung bzw. Neuausstattung der eigenen vier Wände ausgegeben. Dabei steht immer mehr die eigene Verantwortung für das sichere Wohnen im Alter im Fokus.“ Heute wohnen rund 50 Prozent der über 70-jährigen seit rund 30 Jahren in ihrer Wohnung, so Kurz. „Diese Menschen möchten so lange wie möglich im eigenen Heim bleiben und selbstbestimmt und ohne fremde Hilfe leben.“
Die Kundenansprache muss stimmen
Wollen Handwerker diese Kundengruppe ansprechen, ist Sensibilität gefragt, es muss die Ansprache stimmen. Worte wie „altentauglich“, „barrierefrei“ oder „altengerecht“ seien zwar fachlich richtig, führten aber oft nicht zur positiven Kaufentscheidung. Besser sei es hier, den konkreten Nutzen des Angebotes in den Vordergrund zu stellen. In dem Moment, wo Ältere nicht ausgegrenzt würden, sondern sich als Teil der großen Familie fühlen können und Produkte erwerben, um die sie sogar die Kinder und Enkel beneiden, mache ihnen das Einkaufen wieder Spaß und wird zum Erlebnis.
Im Kundengespräch mit der älteren Zielgruppe sei die richtige Wortwahl das A und O, so die Beraterin: „Wenn man glaubt, dass ältere Menschen, auch solche mit körperlichen Einschränkungen, empfänglich sind für eine ‚behindertengerechte Ansprache‘, so irrt man gewaltig. Ganz im Gegenteil. Sätze wie ‚Sie sind ja auch schon ziemlich wackelig auf den Beinen, da sollten wir unbedingt einen Hocker vor dem Waschtisch vorsehen‘ ist das Ende einer gut gemeinten Beratung.“
Wichtig sei für den Handwerker zu verstehen, dass alle Menschen als individuelle Persönlichkeiten wahrgenommen werden wollen. Gerade die Generation 50+ wende sich aus der Gewohnheit früherer Zeiten gerne an den Handwerker ihres Vertrauens, um ihre Wohnungsausstattung auf ihre individuellen Bedürfnisse anpassen zu lassen.
Für diese Zielgruppe sei neben der fachlichen Kompetenz besonders das persönliche Gespräch und die langjährige Bindung von zentraler Bedeutung. Vertrauen von Mensch zu Mensch spiele für die Auswahl des Beraters eine entscheidende Rolle.
Positiv sei, so Kurz, dass das Thema Barrierefreiheit im Handwerk mehr und mehr Fuß fasse und sich viele Betriebe für die Anforderungen an barrierefreie und generationsgerechte Planung schulen lassen.
Vor lauter Technik das Design nicht vergessen
Universal Design bedeute gute und zeitgemäße Gestaltung für alle – nicht speziell für Menschen die älter sind oder eine Behinderung haben. Dabei lassen sich moderne Materialien und Farben mit ergonomischen und technischen Anforderungen kombinieren.
Bei der Umsetzung fehle oftmals der ganzheitliche Ansatz, der die ergonomischen Anforderungen an Barrierefreiheit mit ästhetischen Gesichtspunkten und gutem Design verbindet. „Es reicht eben nicht, sich nur auf funktionale Anforderungen zu beschränken. Heute machen die Handwerker das Rennen, die gutes Design mit sicheren Funktionen für das individuelle Wohlfühlen verkaufen.“
Wenn Fachbetriebe ihren Kunden Maßnahmen empfehlen und Vorschläge zu Universal Design unterbreiten, sei weniger oft mehr, so die Erfahrung der Beraterin. Zu viele Alternativen und Möglichkeiten tragen eher dazu bei, den Kunden zu verwirren. Gleichzeitig sollte die emotionale Ansprache wichtiger sein als technische Details: „Drei gut durchdachte Beispiele reichen aus“, so Kurz. „Kunden gehen doch gerade deshalb zum Fachbetrieb, weil sie sicher sind, dass dieser die richtige technische Lösung bietet. Darum sollte bei der Beratung der Kunde mit seinen Wünschen und persönlichen Anforderungen im Zentrum stehen. Und der Handwerker sollte daraufhin individuell angepasste Lösungsmöglichkeiten vorschlagen.“
Neben einer ansprechenden Gestaltung sollten barrierefreie Bauelemente und Anwendungen vor allem praktisch sein: pflegeleicht, einfach zu handhaben, selbsterklärend und unkompliziert, erläutert Kurz. „Das kann eine leichtgängige Tür sein, mit einem Türgriff, der ergonomisch in der Hand liegt. Seien Sie zurückhaltend mit Technik.“ Touchscreens und technische Entwicklungen, die zur Zeit unter dem Begriff AAL (Ambient Assisted Living = selbstbestimmtes Leben durch innovative Technik) erprobt werden, können das Leben unterstützen und dem Menschen viele tägliche Aufgaben abnehmen. Für die aktuelle Generation der Zielgruppe 60+ sei diese Form der Technik oftmals sehr fremd und werde eher abgelehnt.“
Der Kunde will sehen, was ihn erwartet
Fachhandwerker sollten auch die Chance nutzen, potenziellen Kunden ein Gefühl zu geben, was sie später erwartet. Eine ansprechende Ausstellung mit verschiedenen Einrichtungssituationen gibt den Interessenten einen guten Überblick über die Möglichkeiten und Alternativen. Dort kann man vorführen, wie leise eine Automatiktüre läuft oder wie leichtgängig sich das Fenster mit einem Designgriff öffnen lässt.
Darüber hinaus erleichtern klar strukturierte Angebote und Checklisten die Beratung und geben beiden, dem Kunden wie dem Verkäufer, Sicherheit. „Emotionale Wünsche und praktische Aspekte stehen aus Sicht des Kunden im Mittelpunkt. Deshalb lohnt es für den Handwerker bei der Beratung und beim Verkaufsprozess seine Kunden immer mit einzubinden und ihnen gleichzeitig sehr konkrete Problemlösungen anzubieten“, so Uta Kurz. —
Die Autorin
Insa Lüdtke, studierte Architektin, leitet das Beratungsbüro Cocon Concept mit den Schwerpunktthemen Zukunft des Wohnens, Gesundheits- und Sozialimmobilien im Wandel. Nach dem „Entwurfsatlas Wohnen im Alter“ (Hrsg. E. Feddersen, I. Lüdtke – Basel, 2009) ist von ihr eine Publikation zum Thema „Architektur und Demenz“ in Vorbereitung.