Im Projekt „Denkmal und Energie” entwickelten die Deutsche Bundesstiftung Umwelt DBU und die TU Dresden ein energetisches Gesamtkonzept für die Sanierung denkmalgeschützter Gebäude der Nachkriegsmoderne. Gleichwertige Parameter waren dabei: Energieeffizienz, Denkmalschutzkriterien, Gestaltung, Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit. Referenzprojekte waren Gebäude aus der Berliner Schillerpark-Siedlung. Die Bauten wurden von Hans Hoffmann sowie Bruno und Max Taut errichtet und sind als UNESCO-Welterbe gelistet. Im Mittelpunkt der Forschung standen die hoffmannschen Häuser (1954–1959), die eine frühe Form einer doppelschaligen Glasfassade besitzen. Auf der Grundlage einer umfangreichen Bestandsanalyse entstand eine neue, energieeffiziente Lösung, die den Denkmalschutz erfüllt.
Bei den Untersuchungen in Berlin lag ein besonderes Augenmerk auf der baukonstruktiven und technischen Lösung für die großflächige, denkmalgeschützte Verglasung, die sogenannten Blumenfenster. Die geschosshohen und begehbaren Verglasungen gelten als typisches Markenzeichen des Architekten. Für das Pilotprojekt besaßen diese Blumenfenster energetische und denkmalpflegerische Priorität. Als zentraler Bestandteil des Denkmalwerts sollten sie möglichst ohne starke Eingriffe erhalten bleiben.
Für diese Konstruktion galt es, den solaren Gewinn zu optimieren und Wärmeverluste im Winter sowie Überhitzung im Sommer zu reduzieren. Dies wurde durch den Einsatz moderner Funktionsgläser und einem speziellen Lüftungskonzept erreicht. Im Gegensatz zur konventionellen Lösung, bei der die Verglasung auf eine Ebene reduziert wird und eine 3-fach-Verglasung zum Einsatz kommt, blieb die begehbare Doppelverglasung erhalten. So konnten die Fensterprofile im Vergleich zu 3-fach-ISO wesentlich schlanker ausfallen.
Das Lüftungskonzept sah eine Durchströmung der Blumenfenster durch einen Unterdruck in den Wohnungen vor. Damit sollte eine gezielte Luftführung innerhalb der Wohnung und eine Erwärmung der Außenluft im Bereich der Blumenfenster erreicht werden. Der Unterduck sorgt für eine Einströmung in die Wohn- und Schlafräume und eine Abströmung aus Küche und Bad.
Aus bauphysikalischen Gründen musste sichergestellt werden, dass es zu keiner Rückströmung in das Blumenfenster kam. Anhand einer Musterwohnung musste in der Bauphase die Funktionsfähigkeit des Lüftungskonzeptes experimentell nachgewiesen werden. Bei der vorgesehenen Normallüftungsrate stellt sich heute die gewünschte Durchströmung der Blumenfenster ein. Bei der Sanierung wurde großer Wert auf die Einhaltung der Luftdichtigkeit gelegt. Für den künftigen Sommerfall wurde eine erhöhte Nachtdurchströmung in Erwägung gezogen.
Thermische Behaglichkeit ein wichtiges Kriterium
Die Erfahrung beim Betrieb von Gebäuden zeigt, dass die größten bau- und anlagentechnischen Anstrengungen zur Energieeinsparung ins Leere laufen, wenn sie von den Mietern nicht angenommen werden. Neben den funktionellen Belangen wie die Bedienbarkeit entscheidet dabei in erster Linie das wärmephysiologische Wohlbefinden über die Nutzerakzeptanz. Die thermische Behaglichkeit besitzt deshalb eine hohe Bedeutung für die Umsetzung und Praxistauglichkeit von energetischen Konzepten. Deutliche Abweichungen von vernünftigen thermischen Verhältnissen führen zu Eingriffen des Nutzers in den Anlagenbetrieb. Dazu zählen u.a.:
- Anhebung der Raumtemperatur durch dezentrale Temperaturregelung
- Verringerte Lüftungsrate
- Eingriff in die zentrale Vorlauftemperaturregelung
- Installation zusätzlicher (elektrischer) Heizquellen
- Verzicht auf intermittierende Betriebsweisen zur Energieeinsparung
Aus diesen Gründen erfolgte bei der Planung der energetischen Sanierungsvarianten eine intensive Analyse der thermischen Behaglichkeit.
Hierbei richtete sich das Augenmerk auf die Luftführung und die Luftqualität. Die Untersuchungen erfolgten für den Bestand sowie für die Sanierungsvorschläge, um schon in der Planungsphase Hinweise auf auftretende Vor- und Nachteile der einzelnen Konzepte liefern zu können. Beim Bestand wurde durch das Oberlicht in den Raum eintretende kalte Frischluft im Bodenbereich vom Heizkörper angesaugt; durch die vom Heizkörper angetriebene, große Raumluftwalze kam es zu einem Luftaustausch. Zudem zeigte sich eine sehr starke vertikale Temperaturschichtung infolge der erforderlichen großen Heizleistung.
Die Strömungssimulationen für die Sanierungsvariante ergaben, dass das Konzept der durchströmten Blumenfenster thermisch behagliche Zustände und die notwendige Belüftung sicherstellt. Verschiedene Simulationsläufe zeigten, dass der Einsatz einer Isolierverglasung für die äußere Ebene der Fassade dringend zu empfehlen ist. Die verbesserte Wärmedämmung und die daraus resultierende geringere Heizlast sorgen für eine günstigere Temperaturverteilung im Raum. Der Aufenthaltsbereich gewann so an kalten Wintertagen deutlich an Qualität. Eine gezielte Luftführung durch den Scheibenzwischenraum zur effektiven Lufterwärmung und zur gleichmäßigen Frischluftversorgung des Raums erwies sich als günstig.
Ergebnisse der Untersuchungen
Mit der behutsamen und denkmalfreundlichen Sanierung wurden sowohl energetische als auch denkmalpflegerische Aspekte berücksichtigt. Die Sanierung zeichnet sich durch Wärmedämmmaßnahmen in einer relativ geringen Stärke und durch den Erhalt wesentlicher Elemente des Gebäudes aus, um möglichst die Authentizität der hoffmanschen Architektur zu bewahren. Dazu zählt in erster Linie das Blumenfenster. Durch eine geschickte Integration in das Lüftungskonzept trägt die durchströmte Doppelfassade zur Energieeinsparung und zur Raumluftqualität entscheidend bei, ohne den ursprünglichen Aufbau zu verändern. —
Fachtagung „Denkmal + Enregie“
Die Tagung Denkmal und Energie 2011 am 12.12.2011 im Zentrum für Umweltkommunikation (ZUK) in Osnabrück behandelt die energetische Fassadensanierung vor dem Hintergrund des Denkmalschutzes. Erläutert werden der Stand der Forschung und Technik sowie Praxislösungen für Fassadensanierungen. Die Veranstaltung ist als akkreditierte Weiterbildungsveranstaltung anerkannt. Teilnehmerbeitrag: 120 Euro.
Projektpartner
Winfried Brenne Architekten; Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG; Hans Timm Fensterbau GmbH; TU Dresden, Institut für Thermodynamik.
Die Autoren
Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weller leitet das Institut für Baukonstruktion an der TU Dresden und Dipl.-Ing. Sven Jakubetz ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter.