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Plasmatechnologie zur Vorbehandlung von Glas

Kontaktlos sauber

Jede langzeitstabile Haftung von Klebstoffen, Dichtungen, Beschichtungen oder Lackierungen setzt eine optimale Vorbehandlung, d.h. die Reinigung und Aktivierung der Glasoberfläche voraus. Auf dem Glas abgelagerte Grob- oder Feinststäube aus der Umgebungsluft, Feuchtigkeit, Fette oder ein einzelner Fingerabdruck können die gewollte Haftung bedeutend mindern, wenn nicht sogar zunichte machen.

Die ungenügende Aktivierung einer Oberfläche resultiert in einer zu niedrigen Oberflächenenergie des Werkstücks, was wiederum eine ungenügende Benetzbarkeit bei Beschichtungen zur Folge hat. Zur Lösung dieser Probleme gibt es unterschiedliche chemische und physikalische Verfahren, wobei vor allem der Einsatz von lösungsmittelhaltigen Reinigern, Primern und Haftvermittlern sehr gebräuchlich ist. Doch es geht auch umweltfreundlich.

Mit der atmosphärischen Plasmatechnologie Openair wurde ein Verfahren entwickelt, bei dessen Anwendung die benannten Probleme völlig eliminiert werden. Die Technik bewirkt die ­mikrofeine Reinigung, hohe Aktivierung sowie nanofeine Beschichtung von Materialoberflächen und ersetzt nass chemische Prozesse im Vorreinigungsprozess meist vollständig (Bild 1).

Was ist Plasma?

Plasma beruht auf einem einfachen physikalischen Prinzip. Durch Energiezufuhr ändern sich die Aggregatzustände: aus fest wird flüssig, aus flüssig gasförmig. Wird einem Gas nun weitere Energie zugeführt, so wird es ionisiert, d.h. die Elektronen erhalten eine höhere kinetische Energie und verlassen die Schale. Es entstehen freie Elektronen, Ionen und Molekülfragmente und das Gas geht in den Plasmazustand, der auch als „4. Aggregatzustand“ bezeichnet wird, über. Dieser Zustand war jedoch früher unter Normaldruck aufgrund seiner Instabilität nur sehr eingeschränkt zu verwenden.

Die 1995 von Plasmatreat, Steinhagen, entwickelte potenzialfreie Atmosphärendruck-Plasmatechnologie namens Openair schuf neue Möglichkeiten: Durch die Entwicklung und den Einsatz von Plasmadüsen gelang es, den bis dahin industriell kaum genutzten Aggregatzustand „inline“ in Produktionsprozesse zu integrieren und damit Plasma unter normalen Luftbedingungen, also ohne aufwendige Vakuumkammer, für die Vorbehandlung von Glas, Kunststoffen, Metall und Keramik für automatisierte und kontinuierliche Prozesse in der Industrie nutzbar zu machen. Bei dem heute in praktisch allen Industriebereichen weltweit eingesetzten patentierten Verfahren treten keinerlei Umweltprobleme auf, benötigt werden allein Luft, als Prozessgas und elektrische Energie.

Optimierter Herstellungsprozess

Die Forderung nach nachhaltigem und ressourcenschonendem Verhalten der Industrie wird von der Glasindustrie umgesetzt, indem beispielsweise Altglasscherben als Rohstoff bei der Glasschmelze zugeführt werden. Doch bei der Vorbehandlung von Gläsern oder Rahmen vor der Verklebung werden noch immer große Mengen lösemittelhaltiger Chemikalien verwendet. Sie bringen durch ihre große VOC-Absonderung (Volatile Organic Compounds / flüchtige organische Verbindungen) deutliche Probleme für den Mensch am Arbeitsplatz und die Umwelt mit sich. Auch lassen sie sich nur schlecht automatisieren und bieten keine hohe Prozesssicherheit. Bei dem Einsatz von atmosphärischem Plasma gibt es diese Problematik nicht.

Die Anforderungen im Flachglasbereich sind im Prinzip denen in der Automotiv-­Glasindustrie sehr ähnlich. Bei beiden geht es um die ­Reinigung und Aktivierung mit dem Ziel, die langzeitstabile Haftung von Klebstoffen oder Beschichtungen zu sichern. Den möglichen Einsatz dieser Plasmatechnik bei einem Isolierglasfenster zeigen die drei Beispiele A, B und C im unteren Bild.

Beschichtung (A): Glasscheiben werden oft mit Funktionsschichten versehen, sei es für den Easy-Clean-Effekt, den Wärme- und Sonnenschutz, für Verspiegelungen, Entspiegelungen oder andere Aufgaben. Eine Vorbehandlung ist hier zwingend erforderlich. Die schonende Reinigung mittels Plasma entfernt feinste organische Verunreinigungen von der Glasoberfläche bei gleichzeitiger Aktivierung. Damit sind ein optimaler Lackverlauf sowie die langzeitstabile Beschichtung gesichert.

Kunststoffrahmen (B): Kunststoffrahmen aus PVC werden üblicherweise im Spiegelschweißverfahren (B) gefügt. Dies ist aber dann nicht mehr möglich, wenn auch andere Materialien im Einsatz sind, wie z.B. Polypropylen Verbunde. Eine wirtschaftliche Lösung bietet hier das Verkleben mit einer vorhergehenden Plasmabehandlung.

Entschichtung (C): Ist die Glasscheibe beschichtet und soll sie anschließend verklebt werden, so geht das nur, wenn zuvor die Beschichtung an der Klebenaht wieder entfernt wird. Dies geschieht in einem sehr aufwendigen Prozess, da die Entschichtung üblicherweise mechanisch erfolgt und zudem häufig Produktionsstillstände verursacht, bedingt durch Werkzeugwechsel. Neben der ständigen Möglichkeit einer mechanischen Beschädigung entsteht vor allem Staub. Und dieser Staub legt sich bei der Bearbeitung dann wieder auf das Glas, sodass es erneut gereinigt werden muss.

Ein Arbeitsschritt kann entfallen

Das Plasmaverfahren kann zur selektiven, staubfreien und völlig risikofreien Entschichtung eingesetzt werden. Das System arbeitet kontaktlos, also ohne die empfindliche Glasfläche zu berühren. Im Moment, wo das Plasma auf das Glas trifft und die Beschichtung punktgenau entfernt, verdampfen ihre Partikel im Plasma. Da somit Staub erst gar nicht entsteht, entfällt auch der ansons­ten folgende Waschvorgang. Das bedeutet, dass durch den Einsatz der Plasmatreat Technologie ein kompletter Arbeitsgang eingespart wird.

Die genannten Einsatzmöglichkeiten gelten ebenso für viele andere Glas-Klebprozesse. Sei es bei der Fertigung von Solarpaneelen oder bei der Automobilverglasung, wo die Unterkanten der versenkbaren Seitenscheiben auf sogenannte „Liftbars“ geklebt werden. Hier übernimmt das Plasma die mikrofeine Vorreinigung bei gleichzeitiger selektiver Entschichtung der Glaskante.

Auch bei der Fertigung von Duschzellen oder Backofentüren aus Glas muss vorbehandelt werden, wenn der Rahmen direkt mit dem zuvor funktionell beschichteten Glas verklebt werden muss. Andere Methoden, wie das Auflegen von Masken, eignen sich nur schwer zur Automatisierung.

Mit der Anwendung der Openair Technik können Scharniere an Spiegelglastüren ohne Bohrungen und Sicherheitsgläser ohne mechanische Hilfsmittel mittels Plasma direkt verklebt werden.

Das kontaktlos arbeitende System wurde speziell für die vollautomatische und kontinuierliche Fertigung entwickelt. Es zeichnet sich durch eine hohe Prozesssicherheit und Reproduzierbarkeit aus und wirkt sehr schonend an der Oberfläche. Die für unterschiedlichste Geometrien einsetzbaren Düsen sind roboterkompatibel und können jederzeit in eine neue oder bereits bestehende Fertigungslinie integriert werden.—

Das Openair Plasmaverfahren bewirkt folgende Prozesse

Aktivierung: Es aktiviert die Oberfläche durch gezielte Oxidationsprozesse und erhöht die Oberflächenspannung um ein Vielfaches. Die Folge ist eine extreme Erhöhung der Flächenbenetzbarkeit und die Bildung reaktiver Oberflächen. Viele Oberflächen werden so erst aufnahmefähig für Prozessschritte wie das Beschichten, Bedrucken oder Kleben.

Entladung: Im technischen Sinne bezeichnet man einen Plasmazustand als elektrisch leitfähiges Gas. Trifft der potenzialfreie Plasmastrahl auf eine Oberfläche, können die elektrischen Ladungsträger des statisch aufgeladenen Werkstücks gegen Erde abfließen. Damit erfolgt die statische Entladung der Oberfläche.

Reinigung: Das mit hoher Geschwindigkeit auf die Oberfläche strömende Plasma bewirkt die Entstaubung oder Entfettung, Mikroreinigung und selektive Entschichtung von Glas, Metallen, Kunststoffen und Keramik.

Beschichtung: Durch den Zusatz eines Precursors können selektive Nanobeschichtungen inline erfolgen. Eine individuelle Modellierung der Oberflächen gemäß den Anforderungen der späteren Produkteigenschaften wird damit ermöglicht.

Der Autor

Peter Langhof ist Market Manager für Glas, Elektronik, Photovoltaik-Systeme bei der Plasmatreat GmbH.

peter.langhof@plasmatreat.de

Kontakt

Plasmatreat GmbH

33803 Steinhagen

Tel. (0 52 04) 99 60-0

https://www.plasmatreat.com/de/

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