Den Ausgangspunkt bildete eine in Hamburg-Wilhelmsburg gelegene, unsanierte Doppelhaushälfte aus den 1950er-Jahren. Mit einer Grundfläche von acht Metern im Quadrat sowie dem kleinen, ursprünglich als Stall genutzten Anbau entsprach das Objekt nicht mehr den aktuellen Ansprüchen an Raumgrößen und -höhen. Um zusätzliche Wohn- und Nutzfläche zu gewinnen und mehr Freiheiten für individuelle Bedürfnisse zu schaffen, wurde der Anbau durch einen neuen Erweiterungsbau ersetzt und das Bestandsgebäude umfassend modernisiert. Dabei wurde die geschlossene, kleinteilige Raumstruktur aufgebrochen und großzügige Aufenthalts-, Erlebnis- und Verkehrsbereiche wurden geschaffen. Zudem konnte im Rahmen der Umbau- und Modernisierungsarbeiten Barrierearmut im Erdgeschoss realisiert werden.
Fensterfläche wurde verdoppelt
Gleichzeitig versorgt eine anspruchsvolle Tageslichtarchitektur das Gebäude mit viel natürlichem Licht und frischer Luft und sorgt für Wohlbefinden und Behaglichkeit. Hierfür wurde unter anderem die Fensterfläche im Bestandsgebäude verdoppelt. So versorgt nun eine Dachfensterfront von fast fünf Metern Länge den gesamten Raum des neuen offenen Treppenhauses vom Erdgeschoss bis zum Dach mit viel natürlichem Licht. Diese sogenannte „Tageslicht-Lampe“ macht Tageszeiten erlebbar und eröffnet den ungestörten Blick in den großen Garten.
Auch die geschickt angeordnete Treppe bietet mit ihrem Geländer aus weißem Stahlrohr und gespannten Stahlseilen höchstmögliche Transparenz und ermöglicht ungehinderten Lichteinfall. Ebenfalls im Bestandsgebäude befinden sich zwei Kinderzimmer, ein Schlafzimmer mit Ankleide sowie zwei Badezimmer. Zudem verwandelt sich der ehemals ungenutzte Spitzboden dank großzügiger Dachfenster in einen zusätzlichen Wohn- oder Bürobereich.
Ein eingeschossiger Zwischenbau mit Flachdach, der als Hauseingang und Gartenaustritt dient, verbindet das Bestandsgebäude mit der Holzrahmenkonstruktion des Erweiterungsbaus. Dieser bietet mit einer flexiblen Raumaufteilung Platz für einen Wohn-, Koch- und Essbereich und garantiert dabei ein Höchstmaß an Variabilität. Architektonisches Gestaltungselement und Wetterschutz zugleich sind die großflächigen Glasfassadenelemente von Velfac, mit denen die Außenwände der Süd- und Nordfassade verkleidet wurden. Den Abschluss bildet ein Carport, der aus der Konstruktion des Anbaus hervorgeht. Zugleich trägt der Anbau mit einem intelligenten Energiedesign zum Erreichen der energetischen Autarkie bei: Dank des Einbaus von Solarkollektoren entsteht auf dem Erweiterungsbau ein regelrechtes „Energiedach“. Dabei kommen sowohl Solarthermie- als auch Photovoltaik-Module zum Einsatz. Zudem gewährleisten großflächige Dachfenster ein optimales Zusammenspiel zwischen Belichtung, passiven, solaren Wärmegewinnen und sommerlichem Wärmeschutz.
Voraussetzung für CO2-Neutralität im Betrieb ist ein möglichst geringer Gesamtenergiebedarf für beide Gebäudeteile. Bei der energetischen Ertüchtigung der Altbausubstanz standen deshalb die Dämmung nach modernsten Erkenntnissen und der Einsatz hoch innovativer Materialien im Mittelpunkt. Ein Beispiel: Beim Einbau der 3-fach-verglasten Dachfenster, darunter zwei Lichtbänder und ein Ausstiegsfenster, kam der Velux-Eindeckrahmen EDW zum Einsatz. Dieser ermöglicht den vertieften Einbau der Fenster und sorgt so für eine zusätzliche Reduzierung von Wärmeverlusten in diesem Bereich.
Neben der optimierten Wärmedämmung tragen insbesondere die Dachfenster in beiden Gebäudeteilen durch ihren hohen Anteil an der Gesamtfensterfläche dazu bei, den Energiebedarf des LichtAktiv-Hauses zu minimieren. Die ausgewählten Fenster schaffen durch Größe, Standortwahl und Beschaffenheit genau die benötigte Balance zwischen erforderlicher Wärmedämmung (U-Wert) und Nutzung solarer, passiver Wärmegewinne (g-Wert). Außerdem lässt sich – je nach Wetter, Tages- und Jahreszeit – der Einfall von Tages- und Sonnenlicht im Zusammenspiel von Fenstern und Beschattungselementen dynamisch regulieren – der Einsatz von künstlicher Beleuchtung kann gleichzeitig reduziert werden.
Darüber hinaus spielen die Dachfenster eine zentrale Rolle bei der Be- und Entlüftung des Gebäudes. In der aus energetischen Gründen luftdichten Bausubstanz öffnen und schließen sich die Fenster automatisch je nach Temperatur, CO2-Konzentration und Luftfeuchtigkeit. Dabei sorgen
Wind und Temperaturunterschiede zwischen außen und innen für eine gute Frischluftzufuhr. Zudem verstärkt die unterschiedliche Höhe der Fenster die Wirkung des sogenannten Kamineffekts und unterstützt eine natürliche Belüftung von unten nach oben. Dadurch wirkt das gesamte System von Rollläden, Sonnenschutzelementen und Fenstern wie eine natürliche Klimaanlage und sichert ein gesundes und behagliches Raumklima.
Die ganzjährige Bereitstellung von Wärme für Wasser und Heizung übernimmt eine Luft-Wasser-Wärmepumpe von Sonnenkraft. Da die Wärmepumpe unmittelbar in den Solarkreis eingebunden ist, erhöht sich ihr Wirkungsgrad gegenüber einer herkömmlichen Anlage um 25Prozent. Zudem heizt die Wärmepumpe im Heizbetrieb nicht erst den Speicher auf, sondern speist die Heizkreise direkt.
Der benötigten Restmenge an Energie wie Haushaltsstrom, Beleuchtung oder Hilfsstrom für die Wärmepumpe stehen in gleichem Umfang Energiegewinne durch Photovoltaik gegenüber. Die eingesetzten Glas-Glas-Photovoltaikmodule von Scheuten Solar haben eine Fläche von insgesamt zirka 75 m2 und nutzen damit die gesamte verbleibende Dachfläche des Neubauriegels aus. Somit werden alle verursachten CO2-Emissionen durch regenerative Energieerzeugung vollständig neutralisiert.
Dank ausgefeilter Tageslicht-, Belüftungs- und Beschattungskonzepte sowie einer durchdachten Raumplanung kann der jährliche Energiebedarf für Heizung, Warmwasser und Strom von ursprünglich 293,6 kWh/m2 auf 108,4 kWh/m2 gesenkt werden. Dieser kann ganzjährig durch die nachhaltig selbst erzeugte Energieausbeute von insgesamt 108,6 kWh/m2 ausgeglichen werden. Dadurch ermöglicht der deutsche Beitrag zum europaweiten Projekt Model Home 2020 erstmalig CO2-neutrales, nachhaltiges Wohnen im modernisierten Siedlerhaus und sorgt dafür, dass steigende Energiepreise im LichtAktiv-Haus keine Rolle spielen. —
Velux Model Home 2020
Das Projekt ist ein Teil einer groß angelegten Kampagne: Der Dachfensterspezialist hat unter dem Namen „Velux Model Home 2020 – Bauen und Wohnen der Zukunft“ sechs Konzepthäuser umgesetzt. Dabei ging es immer um ein beispielhaftes Energiedesign mit höchstem Wohnwert für das Wohnen und Arbeiten mit angenehmem Raumklima, viel Tageslicht und optimaler Energieeffizienz. Auch hier im LichtAktiv-Haus wird die benötigte Energie inklusive des Haushaltsstroms vollständig durch erneuerbare Energien erzeugt. Damit will man beweisen: CO2-neutrales Wohnen im modernisierten Siedlerhaus ist damit erstmals möglich. Der Mensch steht im Mittelpunkt: Die Projekte greifen die jeweils unterschiedlichen klimatischen, kulturellen und architektonischen Bedingungen auf und entwickeln spezifische Lösungen – für höchsten Wohnwert und bestmögliche Energieeffizienz. Dazu werden Energieverbrauch und die Innenklimabedingungen während der Nutzungsphase laufend gemessen und die Ergebnisse dokumentiert.
Weitere Konzepthäuser stehen in Dänemark (Einfamilienhaus Home for Life, Århus, und das Verwaltungsgebäude Green Lighthouse an der Uni Kopenhagen), in Österreich (Sunlighthouse, die GLASWELT hat das österreichische Modell bereits im Mai 2011 vorgestellt), in Großbritannien (CarbonLight Homes) und in Frankreich (Maison Air et Lumière).