GLASWELT: Sehr geehrter Herr Dr. Spenke, wie ist die aktuelle Situation beim Bundesverband Wintergarten? Wie viele Mitglieder aus welchen Regionen zählt der Verband?
Dr. Spenke: Jedes Jahr entscheiden sich weitere Betriebe für die Mitarbeit in unserem Verband. Mit etwa 20 neuen Mitgliedern pro Jahr in den letzten drei Jahren freuen wir uns natürlich über das wachsende Interesse. Das erweitert unseren Handlungsspielraum und stärkt die Position bei der Vertretung der Interessen der Wintergartenbauer. Insgesamt haben wir etwa 8 Prozent der Branche erreicht. Das eröffnet noch Perspektiven, entspricht aber dem Stand ähnlich gelagerter Verbände, die weit länger als wir aktiv sind.
GLASWELT: Die Nachfrage nach Fenster und Fassaden erlebte auch dank der Konjunkturpakete einen regelrechten Boom. Wie schätzen Sie den Wintergartenmarkt heute und in überschaubarer Zukunft ein?
Dr. Spenke: Die Mitglieder unseres Verbandes bieten im Wesentlichen Luxusgüter an: Wohn-wintergärten, unbeheizte Glasanbauten, Terrassendächer, Carports, Glas-Sonderbauten. Unsicherheiten bei der Anlage des Geldes und magere Zinsen wie gerade jetzt führen dann eher zu Investitionen ins eigene Heim – vor allem bei den Bevölkerungsschichten, die unsere Hauptkunden sind. Wir profitieren nicht von staatlichen Förderungen. Diese werden verständlicherweise in andere Richtungen, z.B. Fenster, Türen oder Fassaden gelenkt, wo sie volkswirtschaftlich (Beschäftigtenzahlen) und energiewirtschaftlich (Einsparungspotenziale) eine viel breitere Wirkung entfalten. Ohne der umfassenden Auswertung unserer jährlichen Konjunkturumfrage vorgreifen zu wollen, zeigt der erste Blick auf die bisher vorliegenden Ergebnisse, dass unsere Mitgliedsbetriebe bei wintergartenspezifischen Produkten bis auf wenige Ausnahmen 2010 einen Zuwachs beim Umsatz erreicht haben und das auch wieder für 2011 erwarten. Dabei waren die Jahre 2008 und 2009 bereits erfolgreiche Jahre. Allerdings muss man bezüglich der eingesetzten Materialarten etwas differenzieren: Beim Holz gab es spürbare Rückgänge, die sich 2011 fortsetzen werden, während Aluminiumdächer und Alu- wie auch PVC-Unterbau-Elemente weiter im Aufwärtstrend sind. Besonders gefragt sind gegenwärtig Terrassendächer. Dieser Umsatz kompensiert eine Dämpfung des Wintergartengeschäftes, eröffnet aber auch Potenzial beim Ausbau dieser Dächer zu kalten Wintergärten.
GLASWELT: Leider werden immer wieder Wintergärten geplant und gebaut, ohne die bauphysikalischen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Was empfiehlt der Verband, damit im Wintergarten keine „dicke Luft“ entsteht?
Dr. Spenke: Unsere Mitgliedsbetriebe haben sich mit den grundsätzlichen Fragen der Bauphysik des Wintergartens intensiv beschäftigt. Im Grunde weiß jeder Wintergartenverkäufer, dass ohne ausreichende Lüftungselemente, ohne lagegemäße Beschattung und Einsatz hochwertiger Verglasung kein Wintergarten „funktioniert“. Wesentliche Punkte haben ihren Niederschlag im „Ratgeber Wintergarten“ gefunden, den wir jährlich neu herausgeben – gerichtet an den Endkunden aber auch als Unterstützung des Wintergartenverkäufers bei der Kundenberatung. Parallel dazu haben wir auf unserer Homepage einen noch ausführlicheren Planungs-Ratgeber, ein Forum und eine Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ für Endkunden eingerichtet, die auch für Wintergartenbauer eine Fundgrube für Argumentation und Verständnis der Zusammenhänge ist. Darüber hinaus haben wir Merkblätter herausgegeben und sind dabei weitere auszuarbeiten, mit deren Hilfe eine weitere Qualifizierung sowie die Festlegung von Minimalanforderungen angestrebt wird. Eine gute Grundlage für eine klare Leistungsbeschreibung und Vertragsgestaltung bilden auch unsere Checkliste und der Mustervertrag.
Für das „Funktionieren“ eines Wintergartens ist aber auch der richtige Gebrauch durch den Kunden ein wesentlicher Faktor, sowie die Einsicht, dass sommerlicher Wärmeschutz beim Wintergarten auch einschließt, dass es Zeiten gibt, in denen die Behaglichkeitswerte überschritten werden. Das ist ja aber bei den fast ausschließlich privat genutzten Wintergärten im Gegensatz zu großzügig verglasten Bürofassaden in der Regel kein Problem.
GLASWELT: Was war der Anlass, dass der Verband eine Bedienungs-, Pflege- und Wartungsanleitung herausgebracht hat?
Dr. Spenke: In meiner Praxis als Sachverständiger werde ich ständig mit Problemen konfrontiert, die daraus resultieren, dass der Kunde einfach schlecht informiert war. Qualifizierte, aber auch nachweisbare „Einweisung“ des Kunden ist nötig. Außerdem hat sich auch im Zusammenhang mit dem CE-Zeichen eingebürgert, dass der Kunde eine Gebrauchs- bzw. Bedienungs-, Pflege- und Wartungsanleitung erhält. Daran kommen auch Wintergartenbauer nicht vorbei. Ein Beispiel: Selbstverständlich muss der Kunde darauf aufmerksam gemacht werden, dass beim beheizten Wintergarten Möbel oder hohe Pflanzen nicht in die Außenecken gestellt werden dürfen, denn damit wird die Luftzirkulation behindert, die für die Aufheizung der Scheiben und der Profile über die Taupunkttemperatur zwingend notwendig ist. Die Gebrauchsanleitung dient dazu, damit der Kunde Detailfragen auch später noch einmal nachlesen kann oder es beim Hausverkauf seinem Nachfolger übergeben kann.
GLASWELT: Was sind für Sie die bekanntesten und gravierendsten Montage- und Konstruktionsfehler beim Wintergartenbau?
Dr. Spenke: Hier stehen wohl die Anschlüsse an das vorhandene Bauwerk an erster Stelle. Die Wintergartenbauer sind in der Regel sehr gute Tischler bzw. Schreiner oder Metallbauer. Hier handelt es sich allerdings um ein Bauwerk, das meist an ein vorhandenes Bauwerk, das aus völlig anderem Material errichtet ist, angeschlossen werden soll.
Bei Holzwintergärten ist aus meiner Sicht der konstruktive Holzschutz, insbesondere am Bodenanschluss und an Riegeln sowie im Bereich von Stößen und Verbindungen, hervorzuheben.
Ein Dauerbrenner ist die unzureichende oder falsche Beheizung von beheizten Wintergärten. Ich vertrete die Auffassung, dass der Wintergartenbauer so weit gewerbeübergreifend denken sollte, dass er den Kunden offensiv über die erforderliche Heizleistung und Anordnung der Heizkörper berät, um groben Fehlern des Heizungsbauers vorzubauen. Wir gehen auf unserer Webpage ( http://www.bundesverband-wintergarten.de ) ausführlich auf diese und weitere Fragen (FAQs) ein.
GLASWELT: Was ist die geeignete Grundlage für Wintergarten-Werkverträge mit Privatkunden - BGB oder VOB?
Dr. Spenke: Mit der Neufassung des Forderungssicherungsgesetzes im Jahre 2008 wird im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs klargestellt, dass die VOB in der Verwendung gegenüber Verbrauchern (Privatkunden) nicht privilegiert ist. Das bedeutet, dass bei Privatkunden im Streitfall jede einzelne Bestimmung der VOB nach § 305 ff BGB danach überprüft werden muss, ob sie im konkreten Streitfall angemessen ist oder gegen §§ 308 und 309 BGB verstößt. Für Verträge mit Privatkunden ist also die VOB als Vertragsgrundlage nicht geeignet. Übrigens gilt im Streitfall, wenn zu einem Streitpunkt im Vertrag nichts konkret vereinbart wurde, immer das BGB.
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Tipp der Redaktion: Die Verbandsversion der Bedienungs-, Pflege- und Wartungsanleitung des Bundesverband Wintergarten haben wir in unserem Downloadbereich hinterlegt: Sie finden die pdf-Datei unter http://www.glaswelt.de/downloads. .
Jahrestagung des Bundesverbandes Wintergarten
Das nächste Verbandstreffen (Mitgliederversammlung und Jahrestagung 2011) findet am 05.05. und 06.05. in Magdeburg statt. Auf dem Programm diesmal: Die Betriebsbesichtigung der Euroglas Deutschland und eine abendliche Schleusenrundfahrt mit der MS-Magdeburg.
Mehr Infos: http://www.bundesverband-wintergarten.de