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Geklebte Ganzglaskonstruktion (Teil 1)

Klarer Halt

Die gläserne Box vor dem Eingang des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung, Dresden, dient als Witterungsschutz für historische Druckbehälter. Die Verbindung der einzelnen Verglasungselemente erfolgt allein über lastabtragende Klebungen. Auf metallische Verbindungsmittel wird komplett verzichtet, was ein baurechtliches und bautechnisches Novum in Deutschland ist.

Aufgesetzt auf eine Betonwanne schirmt die Glasbox (7,70 m x 4,40 m Grundfläche und 2,50 m Höhe, Bild unten) die Anlage gegen Umwelteinflüsse ab. Gleichzeitig gibt die Glashülle den Blick auf die Stahlbehälter und die Technik frei.

Vier Glasrahmen sind im Abstand von 1,90 m angeordnet und tragen die transparente Hülle. Die Rahmen bestehen aus vierschichtigen Verbund-Sicherheitsglas-Elementen aus ESG. Die Eckverbindung ist einer Schlitz- und Zapfenverbindung aus dem Holzbau entlehnt.

Bei den Rahmenstielen laufen die jeweils äußeren Glastafeln des Laminats bis in die Ecke durch, bei den Rahmenriegeln die beiden inneren, sodass eine Gabellagerung entsteht. Im Bereich der Überschneidung sind die einzelnen Elemente flächig mit einem transparenten, strahlungshärtenden Acrylatklebstoff gefügt. Die Breite des Klebspaltes ergibt sich aus der Stärke der Zwischenschichten aus Polyvinyl-Butyral.

Die äußere Verglasung der Box bildet den Raumabschluss und steift die gesamt Konstruktion aus. Die Ausführung der Hülle erfolgt als Einfachverglasung aus VSG aus Float. Die Seitenscheiben laufen über die Gesamtlänge des Bauwerks (etwa 7,70 m) durch. Die Verglasung des Dachs ist hingegen dreigeteilt.

Rahmen und Außenhülle werden mit Structural-Sealant-Glazing-Silikon linienförmig verbunden. Auch untereinander erfolgt die Fügung der äußeren Verglasungen durch Kleben.

Aufgrund des unterirdischen Zugangs erhält die Glashülle ein sehr homogenes Erscheinungsbild ohne Türen und Beschläge. Ein Belüftungssystem verhindert das Beschlagen der Scheiben bei hoher Luftfeuchtigkeit.

Baurechtliche Situation

Tragwerke aus Glas sowie geklebte Verglasungen sind bauaufsichtlich nicht geregelt. Die hier gezeigte Glaskonstruktion wurde daher über eine Zustimmung im Einzelfall genehmigt. Die Grundlage bildeten Untersuchungen an Klebstoffen und Klebverbindungen, eine redundante Ausbildung der Tragkonstruktion und der rechnerische Nachweis realistischer Ausfallszenarien.

Vor allem die besondere Nutzung der Glaskon­struktion vereinfachte die erstmalige Umsetzung unter Zustimmung der Obersten Bauaufsichtsbehörde. Nur eingewiesenes Wartungs- und Reinigungspersonal darf das Innere betreten. Durch die Lage direkt vor dem Haupteingang des Instituts ist eine erhöhte Hemmschwelle in Bezug auf vorsätzliche Beschädigung sowie ein kurzfristiges Erkennen sichtbarer Schäden zu erwarten. Die erhöhte Ausführung auf dem Betonsockel trägt zusätzlich zum Schutz der Glasbauteile bei.

Die geklebte Eckverbindung von Rahmenriegel und -stiel weist materialbedingt eine temperaturabhängige Nachgiebigkeit auf. Entsprechend des Fail-Safe-Konzepts sichert ein transparenter Kunststoffklotz den vertikalen Lastabtrag der Klebung und erhöht somit nicht nur die Redundanz des Tragwerks, sondern verhindert die Ausbildung undefinierter Kriecherscheinungen unter Dauerlasten. Am Fußpunkt sind die Rahmen über Verklotzungen in einem Stahlköcher eingespannt und biegesteif am Beton angeschlossen. Die Glasrahmen dienen als Auflager für die Verglasung von Dach und Fassade und übernehmen die Queraussteifung. Die Längsaussteifung erfolgt über die durchlaufenden Seitenscheiben. Alle Vertikalverglasungen wurden zusätzlich als Umwehrung zur Absturzsicherung bemessen.

Das Tragsystem ist redundant ausgebildet, d.h. durch Ausfall oder Beschädigung einzelner Elemente tritt kein Totalausfall der Gesamtkonstruk­tion ein. Folgende Szenarien wurden untersucht:

  • Planmäßiges Szenario, alle Verglasungen intakt: Berücksichtigung temperaturabhängiger Biegesteifigkeiten der Rahmenecke
  • Ausfallszenario 1, Totalausfall der transparenten Klebfugen: In den Rahmenecken bilden sich Gelenke. Der Lastabtrag der Riegelelemente erfolgt im Gabellager der unten eingespannten Rahmenstützen über die transparenten Tragklotzungen.
  • Ausfallszenario 2, Totalausfall der Dach- und Riegelelemente: Die eingespannten Rahmenstützen und die vertikalen Hüll­elemente übernehmen allein die Funktion der Absturzsicherung.

Numerische Simulation

Spannungen und Verformungen wurden mit ­Finiten-Element-Berechnungen (FE) ermittelt. Ein Rechenmodell bildete die Gesamtkonstruktion ab. Für detaillierte Analysen wurden einzelne Konstruktionsteile und Ausschnitte in Submodellen diskretisiert.

Die Beanspruchungen der Klebfugen wurden unter Berücksichtigung temperaturabhängiger Materialeigenschaften mit den experimentell ermittelten und statistisch ausgewerteten Festigkeitswerten in Bezug gesetzt.

Für alle eingesetzten Materialien ist sowohl im planmäßigen Zustand als auch bei Ausfall systemrelevanter Konstruktionsteile die Bestimmung globaler Sicherheitsniveaus möglich.

Die Pendelschlagversuche zum Nachweis einer ausreichenden absturzsichernden Wirkung der vertikalen Verglasungen wurde ebenfalls an FE-Modellen simuliert.

Eine Simulation bietet enorme wirtschaftliche Vorteile, da auf Versuche an Bauteilen in Originalgröße verzichtet werden kann. Zusätzlich ist durch die Betrachtung verschiedener Grenzfälle und die gezielte Diskretisierung besonders beanspruchter Bereiche eine umfassendere Betrachtung der absturzsichernden Elemente im Vergleich zu einer experimentellen Prüfung möglich. Bei diesem Projekt wurde ein nichtlineares transient dynamisches Rechenverfahren verwendet. Die Verifizierung und Validierung der Rechenmodelle erfolgt auf Grundlage von [1] und [2].

Dieses Projekt entstand in direkter Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro GSK – Glas Statik Konstruktion in Dresden, das für das Tragwerkskonzept sowie die numerische Simulation verantwortlich war.

Der zweite Teil des Beitrags erscheint in der Augustausgabe der GLASWELT und erläutert für das ­vorliegende Objekt die notwendigen Tests im Vorfeld der Planung sowie die Herstellung und Montage der geklebten ­Konstruktion.

Literatur

[[1] Wörner, J.-D.; Schneider, J.: Abschlussbericht zur experimentellen und rechnerischen Bestimmung der dynamischen Belastung von Verglasungen durch weichen Stoß. Forschungsbericht. TU Darmstadt, 2000.

[2] Brendler, S.: Rechnerisches Bemessungskonzept für absturzsichernde Glastafeln. Eine Dissertation, TU Braunschweig, 2007.

Die Autoren

Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weller leitet das Institut für Baukonstruktion der TU Dresden. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu Themen des Konstruk­tiven Glasbaus und der Fassadentechnik.

Felix Nicklisch und Volker Prautzsch sind als Bauingenieure wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut und im Rahmen der Projekte Glaskonnex (BMBF) beziehungsweise transparent geklebte Glas-Rahmenecken (BMWI) tätig. Beide untersuchen seit mehreren Jahren verschiedene Problemstellungen an Klebungen im Konstruktiven Glasbau.

http://www.bauko.bau.tu-dresden.de

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