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Die Folgen unterschiedlicher Benetzbarkeit bei Floatglas

Ungewollte “Erscheinungen“

Grund für das Auftreten von ­Körper- oder Fingerabdrücke, Abdrücke von Etiketten und Saugern oder Streifen von Silikonspuren etc., ist die unterschiedliche Benetzungsfähigkeit verschiedener Substrate. Betrachtet man eine Glasscheibe unter dem Mikroskop, stellt man fest, dass die Oberfläche nicht glatt ist. Dies ist auch der Grund, warum Verschmutzungen an den Glasoberfläche haften bleiben. Aber wie kommt es überhaupt zur Verschmutzung, die sich bei einer kondensierten Glasoberfläche von den übrigen Flächen abzeichnet?

Um Schäden auf der Oberfläche von Basisglas beim Transport zum Verarbeiter zu vermeiden, werden Trennmittel auf die Scheiben aufgebracht oder beim Zuschnitt ist technisch bedingt die Zugabe von Schneidöl erforderlich, was ebenfalls die Gläser verunreinigt.

Um eine optisch einwandfreie (Isolierglas-) Scheibe zu erhalten, müssen diese Hilfsmittel bzw. ihre Rückstände durch Reinigung der Gläser vor dem Zusammenbau zu Isolierglas vollständig entfernt werden. Dies erfolgt in speziellen Waschmaschinen mit mehreren Waschstufen mittels oszillierenden und rotierenden Bürsten unter Verwendung von demineralisiertem Wasser. Normales Leitungswasser würde Rückstände auf dem Glas hinterlassen und zudem die empfindlichen Funktionsschichten chemisch angreifen.

Durch diesen Waschvorgang ist die Glasoberfläche nicht nur sauber, sondern für erneute, auch kleinste Verschmutzungen hoch aktiv. Bei Hautkontakt werden so z.B. Fettsäuren und Schweiß auf die aktive Glasoberfläche übertragen. Auch Etiketten und Distanzplättchen können unterschiedliche Klebstoffbestandteile hinterlassen, wenn diese längere Zeit auf den Scheiben verbleiben. Und wenn das Glas mit Vakuumsaugern transportiert oder eingebaut wird, können durch den Unterdruck Wasser oder sonstige Partikel aus der mikroskopisch unregelmäßigen Glasoberfläche quasi ­ herausgesogen oder weggeschoben werden, sodass sich an dieser Kontaktfläche chemisch gesehen die Oberflächenaktivität verändert. Die Folge ist eine über die gesamte Glasoberfläche gesehene unterschiedliche Kontamination.

Wozu ist der Verarbeiter verpflichtet?

Beim Transport, beim Verglasen und am Bau verschmutzt die Glasoberfläche mehr oder weniger stark aufgrund von Staub und Feuchtigkeit etc. Selbst bei der üblichen Baufeinreinigung oder der Unterhaltsreinigung entsteht, so paradox es klingen mag, gewissermaßen eine Verschmutzung. Denn das Waschwasser ist am Ende der Fensterreinigung stärker von Schutz belas­tet, als am Anfang der Reinigung. Fensterleder, Schwamm und Tücher nehmen Schmutzpartikel auf und verteilen diese auf der Glasoberfläche. Dennoch wirkt das trockene Glas blank und sauber. Der Zweck der Reinigung ist somit erfüllt.

Bedingt durch die beschriebene unterschiedlichen Kontaminationen verändert sich die Oberflächenenergie der Glasoberfläche ebenso unterschiedlich. Dadurch entsteht ein unterschiedliches Spreitverhalten zum Beispiel von Wassertröpfchen aus Kondensat oder Regenwasser auf den Glasoberflächen. Unter dem Spreitverhalten versteht man die Fähigkeit von Substanzen, sich auf einem Festkörper auszubreiten. Jede Verunreinigung bzw. jeder Stoff hat eine andere Oberflächenenergie. Tritt jetzt auf der Glasfläche Feuchtigkeit auf, kann bei einer verunrei­nigten Scheibe die Größe oder Form der Wassertröpfchen variieren (von ganz flach bis halbkugelförmig). Diese unterschiedlichen Formen von Wassertröpfchen lassen die eingangs erwähnten bildhaften Erscheinungen sichtbar werden

Je flacher ein Wassertropfen ausläuft, d.h. je spitzer der Randwinkel des Tropfens ist, umso größer ist die Benetzungsfläche und desto geringer ist die Randspannung. Je höher ein Wassertropfen ist, d.h. je steiler der Randwinkel des Tropfens ist (kugelige Form), umso kleiner ist die Benetzungsfläche und desto höher die Randspannung. Erst wenn die Tröpfchen zu groß und somit zu schwer werden, wird die Randspannung überwunden, das Wasser läuft ab und kleinere Tröpfchen bilden sich neu.

Die DIN 18361, VOB/B fordert als Nebenleistung unter 4.1.6 „Rückstandsfreies Entfernen der Klebestreifen, Etiketten, Distanzplättchen oder Glasverbindungsmittel.“ Bei den zur unterschiedlichen Benetzbarkeit von Floatglas durch Wasser oder Wasserdampf führenden Einflüssen, handelt es sich im Sinne der VOB um keine (sichtbaren) Rückstände, die der Glaser erkennen und als Nebenleistung entfernen müsste.

So entfernt man die Verunreinigungen

Auch wenn der Glaser nicht verpflichtet ist, die zur unterschiedlichen Benetzbarkeit führenden Rückstände zu entfernen, stellt sich die Frage, wie man zu einer gleichmäßig benetzbaren Glas­oberfläche kommen kann und wodurch man die genannten Abdrücke und Spuren entfernt? Dazu muss der Verarbeiter versuchen, unter die Randwinkelspannung der Substrate zu gelangen, indem man die Störschichten entfernt bzw. indem man sie unterwandert. Dies gelingt nur durch geeignete abrassive Reinigungsprozesse, welche die Glasoberfläche nicht beschädigen.

Als probate Wasch- bzw. Reinigungsmittel sind solche geeignet, die Ammoniak enthalten. In hartnäckigen Fällen hat es sich bewährt, einen sauberen Leinenlappen mit einer Mischung aus etwa 50Prozent verdünntem Salmiakgeist und 50Prozent Spiritus gut zu durchfeuchten und darauf „Wiener Kalk“ zu streuen, damit sich ein „Schlamm“ bildet. Dieser Schlamm ist auf die Scheiben aufzutragen und kräftig zu verreiben. „Wiener Kalk“ ist in Reinigungs-Fachgeschäften und den meis­ten Drogerien erhältlich.

Auch mit feiner Stahlwolle Nr. 00 und handelsüblichen Edelstahl-Putzmittel, wie z.B. „Stahlfix“, lassen sich ohne großen Aufwand gute Erfolge erzielen. Dabei ist das Edelstahlputzmittel mit der Stahlwolle Nr. 00 zu verreiben und die abgetrockneten weißen Rückstände mit einem sauberen und trockenen Baumwolltuch abzureiben.

Benzin oder herkömmliche alkoholische Präparate funktionieren nicht, ebenso wie in aller Regel handelsübliche Glasreinigungsmittel.

Ausblick

Weder für den Glashersteller, den Isolierglasproduzenten noch für den glasverarbeitenden Handwerker kann die unterschiedliche Benetzbarkeit der Glasoberflächen ein Reklamationsgrund sein.

Die Erfahrung zeigt, dass sich nach mehreren Monaten durch Witterungseinflüsse und wiederholten Unterhaltsreinigungen unterschiedliche Benetzbarkeiten der Glasoberflächen mehr und mehr angleichen und somit die störenden Erscheinungen an der feuchten Scheibe von alleine verschwinden. Nutzern, die nicht die Geduld aufbringen diesen etwas länger dauernden Zeitraum abzuwarten ist zu empfehlen, eine Grundreinigung der (Isolier-) Gläser mit geeigneten abrassiven Mitteln, wie im Artikel beschrieben durchzuführen, oder als gesonderte Leistung zu beauftragen.—

Der Autor

Thomas Fiedler ist technischer Leiter der Uniglas GmbH & Co. KG, einer Ko­­ operation von unabhängigen Isolierglasherstellern und Glasveredlern. Er ist für die Qualitätssicherung sowie für den technischen Wissenstransfer im Bereich zuständig. Weitere Arbeitsschwerpunkte liegen in der Beratung, Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter in den Uniglas-Gesellschaften. Darüber hinaus ist er als Sachverständiger für Glas, Glas am Bau und Bauphysik tätig.

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