Die energetische Sanierung im Bestand wird zunehmend ein wesentlicher Aufgabenbereich für unsere Branche. Steigende Energiekosten und staatliche Förderprogramme erhöhen zudem die Investitionsbereitschaft von Hausbesitzern, Eigentümern und Wohnungsbaugesellschaften, um laufende Kosten einzusparen oder den Wert und die Attraktivität ihrer Immobilie zu steigern.
Bei der Sanierung im Bestand handelt es sich um eine anspruchsvolle Aufgabe, die vom Ausführenden im besonderen Maße Erfahrung und umfangreiches Know-how erfordert. Bauaufnahme, Detailplanung, Umsetzung, Logistik und die Abstimmung vor Ort gestalten sich häufig umfangreicher und schwieriger als dies im Neubau der Fall ist. Hinzu kommt, dass bei Einzelmaßnahmen (keine Gesamtsanierung des Gebäudes) typischer Weise ein Bauplaner nicht mit eingeschaltet ist und Planungsleistungen häufig vom Ausführenden mit übernommen werden sollen.
Besonderheiten bei der Sanierung
Folgende Besonderheiten sind bei der Sanierung im Bestand zusätzlich zu beachten:
- Fenstererneuerung im Gebäudebestand bedeutet einen Eingriff in das vorhandene Gleichgewicht des Gebäudehaushalts (z.B. reduzierter, nutzerunabhängiger Luftwechsel aufgrund dichterer Konstruktion und Einbau).
- Der Wärmeschutzstandard der Gebäudehülle entspricht oft nicht den heutigen Anforderungen (verschärfte Wärmebrückenproblematik im Anschlussbereich). Das Bild unten zeigt die typischen Schwachstellen.
- Die Bausubstanz ist – entsprechend der Ausführungsqualität bei der Errichtung des Gebäudes, der bisherigen Nutzungsdauer und -beanspruchung sowie durchgeführter Wartungsmaßnahmen – in unterschiedlichstem Zustand. Dies erfordert nicht selten zusätzliche Maßnahmen zur Instandsetzung der Bausubstanz im Anschlussbereich, um die Fenster fachgerecht einbauen zu können.
- Die baulich vorhandenen Gegebenheiten sollen nach Möglichkeit häufig erhalten bzw. unverändert bleiben (Anforderungen des Denkmalschutzes, Leibungen, Fensterbänke, Rollläden).
- Der Bauherr erwartet, dass nicht nur das Bauteil Fenster, sondern auch der Einbau den heutigen Anforderungen entspricht.
- Bei während der Sanierung genutzten Gebäuden ist die Zugängigkeit am Objekt häufig nur eingeschränkt möglich. Es müssen zusätzliche Schutzmaßnahmen vorgesehen werden. Maueröffnungen müssen am selben Tag wieder geschlossen werden.
Daraus folgt, dass gerade bei der Sanierung im Bestand – neben der erforderlichen Erfahrung des Ausführenden – eine umfassende und sorgfältige Aufnahme der Situation sowie Abklärung der notwendigen und sinnvollen Maßnahmen, unabdingbare Voraussetzungen für eine erfolgreiche Fenstererneuerung sind.
Insbesondere wenn sich Modernisierungsmaßnahmen in der Gebäudehülle auf die Fenstererneuerung beschränken, sind den Möglichkeiten der anforderungsgerechten Umsetzung oftmals Grenzen gesetzt; es müssen Kompromisslösungen nach den Gesichtspunkten der Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit gesucht werden. Hierbei liegt es in der Verantwortung des Planers und des Ausführenden, dem Auftraggeber im konkreten Einzelfall aufzuzeigen, inwieweit einzelne Anforderungen mit „üblichem“ Aufwand nicht voll umfänglich umgesetzt werden können und welche Konsequenzen hieraus zu erwarten sind.
Aufnahme der Bausituation, Problemerfassung
Wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Sanierung ist die gründliche Aufnahme der Bausituation vor Ort. Dabei sind neben dem reinen Aufmaß der Öffnungen auch die besonderen Gegebenheiten aus dem Objekt und dem Umfeld zu berücksichtigen und aufzuzeichnen. Insbesondere bei größeren Bauvorhaben können partielle Bauteilöffnungen wichtige Erkenntnisse für die Detailplanung und Umsetzung liefern. Eine Tabelle (= Checkliste) gibt einen Überblick über die wesentlichen Punkte der Bauaufnahme.
Detailplanung und Abstimmung
Anhand der planerischen Vorgaben (soweit vorhanden) und der Erkenntnisse der Bauaufnahme ist die Detailplanung für den Austausch durchzuführen. Für den Bereich der Montage sind dabei zunächst folgende Problemstellungen zu lösen:
- Wie kann die Lastabtragung und mechanische Befestigung der Elemente erfolgen? Die Auswahl eines geeigneten Befestigungsmittels erfolgt nach den planmäßig zu erwartenden Belastungen, dem Außenwandaufbau und der vorgegebenen Einbauebene, dem gegebenen Befestigungsgrund, dem Rahmenwerkstoff und den erforderlichen Randabständen.
- Wie kann raumseitig der luftdichte Anschluss ausgeführt werden? Für die Auswahl der Dichtsysteme sind folgende Kriterien von Bedeutung: zu erwartende Bewegungen und Belastungen im Fugenbereich, Beschaffenheit der Fugenflanken, bauseitige Toleranzen, Fugengeometrie und angrenzende Materialien und gestalterische Belange.
- Welche Maßnahmen sind für den schlagregendichten Anschluss auf der Außenseite erforderlich? Bei Einsatz eines Dichtsystems gelten die Kriterien wie zuvor.
Können die Anforderungen an den Mindestwärmeschutz bei den vorhandenen baulichen Gegebenheiten erfüllt werden? Gerade im Bereich der Sanierung beinhaltet die Außenwand im Anschlussbereich häufig wärmetechnische Schwachstellen, die den Mindestwärmeschutz nach heutigen Anforderungen nicht erfüllen. Aus durchgeführten Isothermenberechnungen im Sanierungsbereich hat sich gezeigt, dass bei U-Werten der Außenwand im Leibungsbereich über 1,0 W/(m2K) der Mindestwärmeschutz in der Regel nicht erfüllt werden kann. Mit aufgezeigter Abschätzung (Bild links) kann in einem ersten Schritt überschlägig beurteilt werden, ob es sich um eine unkritische oder kritische Einbausituation handelt. Ergibt sich anhand der Abschätzung eine kritische Einbausituation, sind zusätzliche Maßnahmen am Baukörper erforderlich, die mit dem Auftraggeber, ggf. unter Hinzuziehung von entsprechenden Fachleuten abzuklären sind.
Im Weiteren ist ggf. die Umsetzung zusätzlicher Eigenschaften, z.B. Schallschutz, Einbruchhemmung, abzustimmen und festzulegen und es sind die Erfordernisse bezüglich besonderer Schutzmaßnahmen und der Baustellenlogistik zu klären.
Praktische Umsetzung
Eine sorgfältige Bauaufnahme, eine gute Detailplanung und Arbeitsvorbereitung sind bereits die „halbe Miete“ für die praktische Umsetzung. Dennoch ist gerade bei der Sanierung immer wieder mit Überraschungen zu rechnen, wenn die alten Elemente ausgebaut sind und Schwachstellen zum Vorschein kommen, die im Rahmen der Bauaufnahme noch nicht erkennbar waren. Nach dem Motto „Augen zu und durch“ ist hierbei sicherlich die schlechte Variante, denn ein zunächst nach Fertigstellung optisch ordentlicher Einbau muss auch funktionieren. D.h., es muss bei Abweichungen ständig hinterfragt werden, ob die Anforderungen erfüllt werden können, oder ob hier neue Lösungen gefunden und abgestimmt werden müssen.
Das Bild unten zeigt eine typische Situation, die erst nach dem Ausbau des alten Fensters erkennbar wurde. Die Bausubstanz ist in einem maroden Zustand und muss zunächst instand gesetzt werden, um einen fachgerechten Fenstereinbau zu ermöglichen.
Fazit
Die energetische Sanierung erfordert vom Ausführenden Erfahrung und fachliche Kompetenz, und Planungsleistungen müssen mit übernommen werden. In diesem Zusammenhang wird man häufig mit der Aussage konfrontiert, dass eine „RAL-Montage“ bei der Sanierung im Bestand nicht möglich ist, da die vermeintlich geforderte Anwendung bestimmter Produkte/Materialien zum Einbau und zur Anschlussausbildung hier nicht umsetzbar ist. Die Grundsätze eines fachgerechten Baukörperanschlusses sind jedoch nicht produktbezogen, sondern funktionsorientiert:
- definierte Befestigung und Lastabtragung,
- ausreichende Wärmedämmung der Anschlussfuge,
- umlaufend luftdichter Fugenabschluss,
- schlagregendichte Anbindung,
- Vermeidung von Feuchteanreicherung
mit dem Ziel:
- die Gebrauchstauglichkeit sicherzustellen,
- dem Nutzer ein behagliches und gesundes Raumklima zu ermöglichen,
- die Baukonstruktion vor klimabedingten Schäden zu schützen und
- den Energieverbrauch zu minimieren.
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Der Autor
Wolfgang Jehl ist seit 2003 als stellvertretender Prüfstellenleiter beim ift, Zentrum Fenster und Fassaden zuständig für die Bereiche Fenster, Wintergärten, Abschlüsse, Sonderbauteile und Baukörperanschluss.