GLASWELT: Wie ist das Jahr 2007 für einen der weltweit führenden Fassadenbauer gelaufen, Herr Lother? Und was erwarten Sie von 2008?
Lother: Im Jahr 2007 konnte sich Gartner gegenüber dem Vorjahr steigern. Unser Geschäft entwickelte sich sogar besser als geplant. In England und auch in Deutschland konnten wir Großprojekte wie die BMW Welt termingerecht abschließen und viele Aufträge gewinnen, darunter spektakuläre Projekte wie die Elbphilharmonie in Hamburg oder den Opernturm in Frankfurt. Direkt gegenüber der St. Pauls Cathedral werden wir im Herzen Londons eine 22 000 m² große Glasfassade für das One New Change fertigen. Auch in Macao und Hongkong zieht unser Geschäft deutlich an. Beim Wachstum und bei der Profitabilität sehen wir aber noch Verbesserungspotenzial. Kurz: Wir sind noch nicht dort, wo wir sein wollen.
In 2008 dürften wir uns weiter verbessern. Unser Wachstum wird allerdings durch die verfügbaren Ressourcen in den Bereichen Konstruktion und Projektmanagement gehemmt. Wir suchen gut ausgebildetes Personal und haben in diesem Jahr 47 Mitarbeiter zusätzlich eingestellt. Außerdem haben wir eine interne Qualifizierungsoffensive gestartet.
GLASWELT: Sie haben die BMW Welt mit einer Heiz- und Kühlfassade in Form einer Wolke erwähnt. Geht der Trend im Fassadenbau in Richtung freier Formen?
Lother: In der anspruchsvollen Architektur liegen freie und komplexe Gebäudeformen im Trend. Solche Fassaden entwickeln wir mit leistungsstarken Computerprogrammen dreidimensional und setzen die Planung dann in der Fertigung passgenau um. Ein weiterer Trend ist die verbesserte Energieeffizienz. Steigende Energiepreise und Komfortwünsche führen zu neuen Anforderungen an die Gebäudehülle. Ein Beispiel sind die markanten Türme der Deutschen Bank in Frankfurt, deren Fassade wir Anfang der 80-iger Jahre gefertigt haben. Unsere Fassade ist zwar noch funktionsfähig, aber sie ist mittlerweile technisch veraltet und entspricht nicht den energetischen Möglichkeiten. Deshalb wurden wir aufgefordert, Verbesserungen aufzuzeigen. In dieser Sanierung von Bestandsfassaden öffnet sich gerade ein neuer Markt.
Im Fassadenbau entwickeln wir zunehmend Schlüsseltechnologien zum energieeffizienten Bauen. In Zukunft werden gläserne Fassaden Energie erzeugen und das Klima individuell steuern. Wir entwickeln beispielsweise eine Fassade, die solare Wärmegewinne zur Gebäudekühlung nutzt. Mit neuen Kollektoren und sogenannten Adsorptions-Kältemaschinen können Gebäude so in Zukunft kostengünstig gekühlt werden. Selbstverständlich nutzen wir Photovoltaik. Allerdings macht Photovoltaik mehr Sinn im Dachbereich wie beim neuen Novartis-Gebäude in Basel (siehe hierzu GLASWELT-Objekt des Monats, gegenüber auf Seite 6) oder der California Academie of Science.
Beim Glas geht der Trend zu immer komplexeren Formen und Aufbauten gekoppelt mit neuen Funktionen. Beispiele sind die stark gebogenen Gläser der Elbphilharmonie oder die Gläser von One New Change mit einer einzigartigen Bedruckung. Moderne Gläser spielen eine wesentliche Rolle, um den Wärmeeintrag in das Gebäude zu reduzieren, mehr Tageslicht in die Räume zu holen oder reizvolle Lichteffekte zu erzeugen.
GLASWELT: Die meisten Fassaden fertigen Sie in Gundelfingen an der Donau und montieren sie dann im Ausland. Welche Rolle spielt Deutschland im weltweiten Fassadenmarkt?
Lother: Im Fassadenbau ist Deutschland der Innovationsstandort Nummer 1. Die meisten Technologien gehen vom deutschen Fassadenmarkt aus. Von der Zweiten-Haut-Fassade bis zur Integrierten Fassade zum Heizen und Kühlen. Als Technologiemarkt setzt Deutschland Standards für andere Länder. Hohe Umweltstandards haben zur Verbesserung der Energieeffizienz beigetragen. Aber Länder wie England oder die USA holen auf. Dort gibt es teilweise weitergehende Vorschriften zum Energiehaushalt von Gebäuden. Mit unserem technologischen Know-how und unserer Erfahrung in diesem Bereich haben wir aber weiterhin ausgezeichnete Chancen im Wettbewerb.|
Weitere Informationen
Klaus Lother
ist Geschäftsführer der Josef Gartner GmbH in Gundelfingen. Gartner ist einer der weltweit größten Fassadenbauer. Im Stammwerk in Deutschland und in den Tochtergesellschaften entwickelt, plant und fertigt das Unternehmen hauptsächlich kundenindividuelle Fassadenkonstruktionen aus Aluminium und Stahl.