_ Eigentlich ist die Anwendung der Eurocodes in Deutschland für alle Bauvorhaben die nach dem 1. Juli 2012 eingereicht wurden verbindlich geregelt. Aus bauaufsichtlicher Sicht wurden mit diesem Stichtag die Eurocodes in Deutschland eingeführt und sind somit als geltendes Recht bindend. Die Bayerische Landesregierung machte dazu eine Ausnahme und gewährte eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2013, sodass bis zu diesem Tag wahlweise noch die alten Normen oder auch die aktuellen Eurocodes verwendet werden konnten. Einen Sonderfall stellte dabei die alte DIN 18800-7 dar, die den Bereich der Herstellung von Stahltragwerken umfasste. Hier wurde eine zweijährige Übergangsfrist zur Anwendung der alten Norm gewährt, sodass aber auch hier spätestens mit dem 1. Juli 2014 die Eurocodes bei den Stahltragwerken nach EN 1090-2 verbindlich anzuwenden sind.
Eine Vermischung der Vorschriften innerhalb eines Bauvorhabens wurde dabei jedoch ausgeschlossen. Könnte man an dieser Stelle jetzt noch trefflich darüber diskutieren, ob eine in Bayern hergestellte und zertifizierte Konstruktion in einem anderen Bundesland hätte überhaupt verkauft werden dürfen, so sind mit dem Ablauf der letzten Übergangsfristen all diese Fragen längst Makulatur und zum heutigen Tage die Frage nach der Gültigkeit der Eurocodes keine mehr.
Der aktuelle Status der Branche
Angekommen ist die Einführung der Eurocodes in der Branche noch nicht so ganz. Betrachtet man die Messebesucher der BAU und der R+T ist es eigentlich vollkommen egal, wo man anfängt zu fragen.
Auf der Seite der Fachhändler und Handwerker herrscht überwiegend Unwissen über das Thema Eurocode. Da wird fleißig weitergebaut und gewerkelt, Fundamente gegossen und viel zu oft getreu dem Motto „Das haben wir schon immer so gemacht” gehandelt. Nachfragen nach den Eurocodes ergeben meistens fragende Gesichter, wobei man natürlich auch die Fachhändler erwähnen muss, die sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben und meistens über ihre Vorlieferanten entsprechend informiert sind.
Auf der Herstellerseite gibt es viele positive Beispiele, wie man die Anforderungen der Bauproduktenrichtlinie und den Eurocodes nachkommt. Das betrifft aktuell vor allem die deutschen Hersteller, die sich schon sehr früh und intensiv mit den auf sie zukommenden Themen befasst haben. Entsprechend sind diese Betriebe zertifiziert und unterliegen auch der jährlichen Überwachung.
Mit Erstaunen muss das Handeln von vielen ausländischen Herstellern betrachtet werden. Bei den Dachkonstrukteuren, als die am meisten gewachsene Ausstellergruppe auf der R+T, konnte man hier in den allermeisten Fällen feststellen, dass das Thema Eurocode nicht oder nur unzureichend bekannt ist. Für den Fachhändler, der auf der Suche nach neuen oder alternativen Produkten ist, bedeutet das eine mitunter gefährliche Situation. Denn das, was der ein oder andere nicht weiß, kann auch nicht nachgefragt werden. Das Unwissen beider zusammen führt im Ergebnis zum einer Überdachung, die nicht den Vorschriften entspricht und der Kunde nicht bezahlen muss, weil geltende Vorschriften verletzt werden. Eine Nachzertifizierung ist da wegen der Statik nicht so ohne Weiteres möglich.
Die Realität der Normung
Um es nochmal auf den Punkt zu bringen: Da mit der Einführung der Bauproduktenrichtlinie 89/106/EWG in Europa der Verwirklichung des Binnenmarktes für Bauprodukte Rechnung getragen werden sollte, wurden als Folge auch die bisher gültigen nationalen Normen im Stahlbau DIN 18800-7 sowie für Aluminiumkonstruktionen DIN V 4113-3 durch die Normenreihe DIN EN 1090, Teil 1 bis 3 ersetzt. Deshalb endete auch allerspätestens am 1. Juli 2014 die Koexistenzperiode der europäisch harmonisierten Norm DIN EN 1090-1 und die damit verbundene Übergangsfrist und parallel mögliche Anwendbarkeit mit der DIN 18800-7 bzw. DIN V 4113-3. Mit diesem Datum gilt ausschließlich die DIN EN 1090-1 als europäisch harmonisierte Norm. Streng genommen sind mit der bauaufsichtlichen Einführung der Eurocodes in Deutschland zum 01. 07. 2012, Stahl- und Aluminiumkonstruktionen bereits seit diesem Zeitpunkt nach der DIN EN 1090-1 umzusetzen.
Werkseigene Produktionskontrolle
Um eine Konformitätserklärung abgeben zu dürfen, muss die werkseigene Produktionskontrolle des Herstellers auf Basis einer Erstinspektion von einer unabhängigen Überwachungs- und Zertifizierungsstelle („Notified Body“) nach dem System 2+ zertifiziert werden. Die technischen Regeln für die Ausführung der Konstruktionen werden dazu in der DIN EN 1090-2 (Stahl) und DIN EN 1090-3 (Aluminium) aufgeführt. Je nach zu errichtender Konstruktion und Anforderung, erfolgt dabei die unterschiedliche Regelung durch vier verschiedene Ausführungsklassen (EXC 1 bis EXC 4).
Worauf ist zu achten?
Aluminiumkonstruktionen, egal ob Glasdach oder Wintergarten, sind Aluminium-Tragwerke und unterliegen damit den Bestimmungen der DIN EN 1090 mit den Anforderungen an die Standsicherheit nach den Eurocodes 1, 2 (Lastannahmen, bisher DIN 1055) und 9 (Bemessung und Materialauswahl). Für tragende Holzkonstruktionen gilt Eurocode 1, 2 (Lastannahmen, bisher DIN 1055) und 5 (Bemessung und Materialauswahl). Für die Bemessung der Verglasung (Eigenlast, Schnee- und Windlasten) gilt die Normenreihe DIN 18008 und Achtung, in einigen Bundesländern wahlweise noch die TRLV, TRPV und TRAV. Generell sollte der Fachhändler darauf achten, dass sein Vorlieferant für fertig konfektionierte Systeme oder Langmateriallieferungen eine Zertifizierung nach Eurocode besitzt und es muss ganz genau geprüft werden, ob geplante nachträgliche Anpassungen oder die Zulieferung von selbst gefertigten Teilen an dem zertifizierten System ohne weitere Prüfung überhaupt möglich und zulässig sind.
Augen und Ohren offen halten
Für den Fachhändler kann das ganze Prozedere nur Vorschriften haben, auch wenn es auf den ersten Blick von vielen als eine weitere unsinnige Vorschrift gesehen wird. Gerade durch die Forderungen der Eurocodes kann der Fachhändler zusammen mit seinem zertifizierten Vorlieferanten gegenüber den Billiganbietern punkten und den Hasardeuren in diesem Bereich durch gezielte Informationen beim Kunden das Leben schwer machen. Letztlich dürfen Autos ohne TÜV-Plakette auch nicht fahren, und das akzeptiert der Endverbraucher.—