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GLASWELT vor Ort bei Glasbiegerei Döring, einer SGG Business Unit Facade

Gläserne Fracht just in time ans Ziel

_ Der Berliner Traditionsbetrieb ist auf die Verarbeitung planer Gläser zu gebogenen Sonderformen spezialisiert und verfügt dabei an über 65 Jahren Erfahrung am Biegeofen. Die GLASWELT wollte wissen, welche Logistik diese Maßanfertigungen erfordern. Vertriebsleiter Carsten Kunert und Marketingleiter Christian Huber vertrauen bei der Auslieferung der gebogenen Gläser auf Spediteure.

Mit dieser Strategie wurden erfolgreich sämtliche Projekte der letzten Jahre in Deutschland, Europa und rund um den Globus bewältigt. „Wir produzieren ‚Just-in-time’, damit wir möglichst wenig Lagerkapazität vorhalten müssen und Platzprobleme in der Fertigung gar nicht erst entstehen“, so Kunert. Zum geplanten Liefertermin sind die Gläser geformt und abholfertig. Und von dieser Strategie weichen die Biegespezialisten nur in Ausnahmen ab, wenn sich Terminpläne bei Auftraggebern verschieben. Für solche Fälle mietet der Glasverarbeiter kurzfristig Lagerflächen an.

Nach der Auslieferung montieren dann Metallbau-Fachbetriebe die gebogenen Scheiben vor allem bei Projekten in West- und Nordeuropa. Die Spezialanfertigungen aus Berlin wurden selbst bis nach Asien und Nordamerika geliefert.

Auch in der Bundeshauptstadt stehen Prestigebauten mit den Gläsern von Döring, etwa in Berlin Mitte, wie z. B. das Dom Aquaree oder die Medizintechnik am Potsdamer Platz, ein weißer Kubus mit runden Glasecken.

Derzeit veredeln die Spezialisten Großformatgläser für den „Atrium Komplex“ in Amsterdam. Die zylindrisch gebogenen Gläser erreichen eine Höhe von über zwei Meter und kommen als Eck-Elemente in der Fassade zum Einsatz.

Das Traditionsunternehmen erwirtschaftet durch den Export gut 61 % des Umsatzes, im letzten Jahr rund 6 Mio. Euro, den Rest in Deutschland.

„Wir vermeiden es, unsere gebogenen Formate wie Flachglas auf offenen Metallgestellen zu transportieren,“ erläutert Vertriebsleiter Kunert. Bevor die Spediteure die Fracht übernehmen, verpackt der Glasverarbeiter die Elemente in Kisten aus Grobspanplatten und fixiert sie mit Holzleisten.

Die Verpackungen sind für die Lasten von mehreren Scheiben ausgelegt, die durch Trennmaterial auf Distanz gehalten werden. Das verhindert Schäden auf der Oberfläche.

„Wir befestigen außen am Holz kleine Signalgeber, die farblich anzeigen, ob eine Kiste während des Transports über ein bestimmtes Maß hinaus geneigt oder erschüttert wurde“, so der Vertriebsleiter. „Damit können wir im Schadensfall feststellen, ob dieser Schaden während der Lieferung oder auf der Baustelle zustande kam.“

Genaue Dokumentation ein Muss

Holz als Verpackungsmaterial schützt zwar die Gläser, doch das Material schafft neue witterungsbedingte Herausforderungen. „Wenn es beim Verladen oder kurz zuvor regnet, können feuchte Kisten zum Problem werden, sobald das Holz während des Transports trocknet und Gewicht verliert“, erklärt der Vertriebsleiter. Das Unternehmen wiegt die Fracht in Berlin und notiert die Werte in den Dokumenten.

Das Gewicht der Kisten weckte an einem Zielort in Russland schon mal das Interesse der Behörden vor Ort, weil die dort gemessenen Werte nicht mit denen auf den Papieren übereinstimmten. Saint-Gobain Glassolutions Döring Berlin musste den Verdacht ausräumen, verbotene Inhalte transportiert zu haben.

Im Voraus planen die Biegespezialisten die Details für die Lieferungen, etwa die Route und/ oder einen zusätzlichen Witterungsschutz. Beim Transport zum Flughafen Baku (Aserbaidschan) war eine festgelegte Strecke durch Weißrussland, die Ukraine und Russland einzuhalten.

Ein Maximalwert an Höhenmetern durfte nicht überschritten werden, damit der veränderte Luftdruck die Gläser nicht beschädigt, die auf dem Werksgelände am Zeppelinpark bei 30 m über Meeresniveau veredelt werden.

„Unsere Fachleute wachsen mit den Projekten. Vor einer Lieferung auf die Philippinen erklärt uns niemand, inwieweit Glas bei einer Verschiffung über einen langen Seeweg korrodiert. Das Problem lösen wir selbst“, lacht Kunert.

Biegespezialist der Gruppe

Innerhalb der Saint-Gobain-Gruppe gehört Döring zum Bereich Building Glass Europe. Rund 37 % der Kunden kommen direkt aus der Gruppe. Der größere Teil, 63 % sind externe Kunden. Europa-weit arbeitet Saint-Gobain Glassolutions Döring Berlin mit Fachbetrieben aus der Gruppe zusammen.

„Wir greifen auf deutsche Firmen bei der Vorproduktion zurück und vertrauen unseren europäischen Partnern beim Vertrieb“, so Christian Huber.

Möglich ist zudem, die Fertigung mit anderen Betrieben der Gruppe zu koppeln, die spezielle Interlayer zwischen den Verbundelementen aufbringen, die von den Spezialisten in Berlin gebogen wurden; dazu gehören z. B. Brandschutzverglasungen, elektrisch schaltbare Gläser oder Heizgläser.

Das Traditionsunternehmen ist in der Lage, verschiedenste Gläser zu verarbeiten. „Wir biegen jedes Glas, da die Entscheidung für den Hersteller meist schon getroffen wurde, wenn wir den Auftrag für ein Projekt erhalten“, betont Kunert.

Diese Strategie, eine große Bandbreite von Produkten zu veredeln, sichere, wie auch bei anderen Verarbeitern, das Bestehen am Markt.

Wichtigstes Geschäftsfeld mit etwa 90 % sind Architekturgläser. Die restlichen 10 % verteilen sich auf Kühltheken und Stadtmöbel, zu denen transparente Wände für Werbesäulen oder Dächer für Haltestellen zählen. Unter den Produkten sind viele Sonderformen: Sie reichen von einzelnen gebogenen Gläsern über bearbeitetes laminiertes Glas bis hin zum Klimaschutz- und Brandschutzglas. Dass sich der Trend zu großen Formaten künftig fortsetzt, bekräftigen der Vertriebsleiter und der Marketing-Verantwortliche einstimmig. Saint-Gobain fertigt in Kürze auch Gläser in XXL-Formaten bis 18 × 3,21 m.

Neuester Trend: Der Knick

Noch ein wenig extravaganter als sonst sind die von den Berlinern veredelten Gläser für das Projekt QOB Paris. Im Biegeofen erhalten die quadratischen Designgläser einen diagonalen Knick. Der französische Fassadenbauer Rinaldi montiert die Spezialanfertigungen auf einer rund 1600 m² großen Fläche an dem Gebäude aus den 1960er Jahren, das derzeit saniert wird.

Die Fertigung ist anspruchsvoll, denn auf der Oberfläche dürfen später keine Verzerrungen zu sehen sein, wenn sich die Umgebung darin spiegelt. „Ein Knick lässt sich schwerer als ein Bogen ins Glas einarbeiten und hängt von Format, Aufbau sowie von der Dicke des Werkstoffs ab“, so der Vertriebsleiter.

„Das Material muss langsamer gebogen werden als beim Biegevorgang, damit sich ein Knick ausbildet ohne dass der umgeformte Bereich bricht.“ Beschichtungen an der Stelle sind auch schwierig, da sie beim Bearbeiten gedehnt bzw. gestaucht werden.

Die Formen für das Schwerkraftbiegen bestehen aus Stahlprofilen, über denen Matten und eine Schicht Vlies ausgebreitet werden.

Komplexere Strukturen entstehen mit 3D-Software am Computer, wie z. B. Wellen, Biegungen entlang mehrerer Achsen oder Formen ohne eine einzige gerade Kante. Beim Biegen ruht der Werkstoff dann auf vollflächigen Profilen.

Die Anlagentechnik wird kontinuierlich modernisiert. 2015 installierte der Betrieb einen Autoklaven für VSG bis zu 8 m Länge. Die meisten Abläufe beim Biegen und Waschen erfolgen nicht mit automatischen Maschinen, sondern in Handarbeit, die zeit- und personalintensiv ist.

Ein starkes Team aus Spezialisten

Döring beschäftigt aktuell 43 Mitarbeiter. „Bei uns arbeiten viele Quereinsteiger, neben Flachglasmechanikern und -meistern auch gelernte Metallbauer und Tischler“, so der Vertriebsleiter.

Die Kollegen sammeln ihr Know-how bei der Arbeit und geben die Erfahrungen untereinander weiter. Für die nahe Zukunft lautet die Prognose: „Verglasungen mit Knick entwickeln sich zum Wachstumsfeld, vor allem bei großen Formaten“, so die Glasbiegespezialisten aus Berlin.—

Henry Rasch

Das sagen Vertrieb und Marketing

Vertriebsleiter Carsten Kunert und Marketing-Verantwortlicher Christian Huber erläutern die Besonderheiten des Transports gebogener Gläser.

GLASWELT – Große gebogene Scheiben auf die Baustelle zu bekommen, erfordert einen immensen logistischen Aufwand. Wie setzen Sie das in der Praxis um?

Christian Huber – Wir betreiben keine eigene Logistik, sondern beauftragen externe Spediteure. Unsere Gläser werden verschifft, per Lkw oder per Flugzeug transportiert. Für jede Logistiksparte gibt es heute Experten.

GLASWELT – Welche Punkte sind bei der Logistikplanung relevant? Wie gehen Sie mit engen Zeitfenstern um, z. B. bei Straßensperrungen in Großstädten?

Carsten Kunert – Bei engen Zeitfenstern verlassen wir uns auf den Logistiker bzw. den Metallbauer, der die Aufgabe bewältigen kann. Der Logistik-Aufwand z. B. in London ist insgesamt sehr hoch. Ein Lieferant braucht zum Befahren des ‚Inner Circle’ Zertifikate, die es in mehreren Stufen ‚Gold’‚ Silber’ und ‚Bronze’ gibt. Lieferanten mit ‚Bronze’-Zertifikat dürfen nicht im ‚Gold’-Bereich ausladen. Im ‚Inner Circle’ ist eine Anlieferung nur nachts erlaubt. Dort darf das Glas nicht nur in Holzkisten, sondern muss wegen der Arbeitssicherheit zusätzlich auf zertifizierten Gestellen transportiert werden.

Huber – Viele Herausforderungen der Logistik berücksichtigen wir bereits im Vorfeld. Bei der See- oder Luftfracht kommt es oft auf jeden Zentimeter an, um die Ladung an den Stauraum anzupassen. Bei der Verschiffung legen wir Trockenmittel in die Kisten, damit das Glas nicht infolge der Luftfeuchtigkeit korrodiert.

GLASWELT – Berechnen Sie Ihre Leistungen als Gesamtpaket?

Kunert – Wir konzentrieren uns auf die Produktion und Fertigung der gebogenen Gläser. Wir beschäftigen keine eigenen Montage-Teams und liefern unsere Gläser nicht mit eigenen Fahrzeugen zur Baustelle. Wenn der Auftraggeber das wünscht, empfehlen wir Unternehmen für die Montage.

www.doeringglas.de

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