Im Land der Dichter und Denker wird oft und lange darüber nachgedacht, wie man etwas perfekt machen und jegliche Fehler vermeiden könnte. Und das ist zugegeben nicht trivial: kompliziert eben. Doch je komplexer es wird, desto besser. Denn in einem ist Deutschland sicherlich weiterhin absoluter Weltmeister: Komplexität in Perfektion zu meistern.
Auch wenn Komplexität oftmals als Bedrohung gesehen und meist so beschrieben wird, als sei sie etwas Gefährliches, Schlechtes, nicht Beherrschbares – eine Folge von Fehlern oder Fehlentscheidungen oder von außen auf ein Unternehmen Einstürzendes. Viele sehen sie auch als Bereicherung und Herausforderung.
Doch meist läuten bei vielen Managern erst einmal die Alarmglocken. Sie fühlen sich unsicher, machtlos und überfordert. Manche blenden das Phänomen aus und ignorieren es einfach; andere setzen alle Hebel in Bewegung, um die vermeintliche Komplexität in den Griff zu bekommen – und machen vieles dann noch komplizierter.
Denn gerade dann, wenn ein Unternehmen in schwieriges Fahrwasser gerät, neigt es oft dazu, seine Komplexität unnötigerweise zu erhöhen. Wenn die Umsätze und Gewinne einbrechen, suchen die Verantwortlichen nach dem rettenden Strohhalm. Sie erhöhen die Produktkomplexität, indem sie ihr Leistungsangebot erweitern, weil sie meinen, damit mehr Umsatzträger zu haben. Sie erhöhen die Kundenkomplexität, indem sie jedem Kunden nachrennen, der ein paar Euro Umsatz verspricht. Und sie erhöhen die Prozesskomplexität, weil alles nur noch schnell gehen und deshalb auch auf Standards und vernünftige Kalkulationen verzichtet werden muss.
Doch Komplexität ist nicht wirklich das Problem, sondern bietet enorme Chancen, gegenüber dem Wettbewerber den entscheidenden Vorsprung zu sichern. Voraussetzung dafür ist allerdings: Zuständigkeiten klar zu regeln, Ziele verständlich zu formulieren, Prozesse einfach zu gestalten, kompetente Vorgesetzte und engagierte Mitarbeiter. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer: Beseitigt das Unternehmen diese individuelle Komplexität nicht, dann sind die Mitarbeiter schnell unzufrieden, verlieren ihre Motivation und Begeisterung und bringen sich nicht mehr mit ihren Ideen in die Entscheidungsfindung ein.
Denn meist wird viel zu viel überlegt und lamentiert, bevor überhaupt angefangen wird, etwas zu machen! Statt unnötig Zeit mit Gedanken an Perfektion zu verschwenden, gilt es einfach mal loszulegen. Verbessern und verändern kann man dann immer noch.
Otmar Ehrl
Otmar Ehrl ist der Gründer des Querdenker-Clubs. Dieser zählt mit über 200000 interdisziplinären Entscheidern heute zu den größten Wirtschaftsvereinigungen im D-A-CH Raum. Das Netzwerk bringt branchenübergreifend Impulsgeber, Kreativmanager, Regelbrecher, Mutmacher und Zukunftsgestalter auf Management-Ebene zusammen. Dabei geht es darum, über den Tellerrand zu schauen, ungewöhnliche Denkansätze zu generieren und sich von Vordenkern inspirieren zu lassen. http://www.querdenker.de