Neulich habe ich einen sehr interessanten Vortrag von Prof. Dr. Michael Braungart gehört. Dabei ging es unter anderem um die Frage, was der Verbraucher eigentlich möchte. Und das wurde am Beispiel Fernsehen sehr anschaulich erläutert: Man will Fernsehen und kauft dazu ein Gerät. Was für ein Gerät das ist und dass es aus ca. 4600 Einzelteilen besteht, spielt für den Nutzer eigentlich keine Rolle. Es geht also in erster Linie um die Nutzung. Und das hat bei mir die Frage aufgeworfen: Wie verkauft man dem Verbraucher eine Nutzung statt ein Produkt. Bei Musik, die man als Download kaufen kann, funktioniert das ja bereits.
Wenn man diese Überlegung jetzt auf den Baubereich – und insbesondere auf Fenster und Fassaden – überträgt, was würde das bedeuten? Was will eigentlich der Nutzer eines Gebäudes oder einer Wohnung?
Er will Licht im Raum, Sicherheit, Ruhe und Wärme im Winter bzw. Kühle im Sommer. Und der Energieverbrauch/-verlust soll gering sein. Dabei will er sich eigentlich nicht mit Fensterrahmen auseinandersetzten und ob diese beim Holz zur Abholzung des Regenwalds beitragen, viel Energie zur Herstellung (Alu) brauchen oder sich recyclen lassen (PVC). Ein Beispiel aus der Praxis: Architekturglas ist mittlerweile in der Lage, die weiter vorne genannten Nutzer-Anforderungen zu erfüllen. Vor 30 Jahren kamen aus Amerika strukturale Verglasungen (Structural Glazing), als rahmenlose Fassadenlösungen, die zwischen den Scheiben nur noch eine Dichtstofffuge hatten. Dabei war der Randverbund aufgrund der hohen Glasreflektion nicht sichtbar. Mit der Entwickelung von Kabelkonstruktionen ging der Weg zur rahmenlosen Fassade weiter. Ebenso wie bei Structural Glazing Fassaden bremsen aber die Baunormen und Zulassungen solche Lösungen in Deutschland aus. Die Firma sedak (seele) kommt jetzt mit freitragenden Isolierglasscheiben (bis 12 m Höhe) auf den Markt und öffnet damit die Möglichkeit einer komplett rahmenlosen Fassade. Wirft man einen Blick auf den Lebenszyklus dieser Fassaden, so lässt sich dieser mit diesen sedak-Isoliergläsern gut vorherbestimmen.
Und jetzt gehe ich einen Schritt weiter: Könnte nicht die Glasindustrie das oben angesprochene Nutzungsangebot realisieren und anstatt solche Fassaden zu verkaufen, diese dem Kunden für 30, 50 oder 60 Jahre vermieten?
Ihr Paul Bastianen p.bastianen@planet.nl | Mobil (+31) 6 43 88 87 28
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