Die Diskussion um CO2-Einsparung und energieneutrale Gebäude hält an. Noch sind diese in einem mehr oder weniger experimentellen Stadium. 2020 oder 2030 wird das hoffentlich die normale Bauart sein. Doch ist das Erreichen von Energieneutralität heute für den Durchschnittsverbraucher beim Neubau ein Ziel? Nur um 100 % CO2-neutral zu bauen, nimmt doch kaum jemand freiwillig Geld in der Hand. Ich vermute, energieneutrales Wohnen wird sich – als politisches Ziel – zunächst nur über Regelwerke wie die EnEV steuern lassen.
Wenn es beim Hauskauf aber um die Energiekosten geht, sieht der Fall ganz anders aus. Da kommt fast zwangsläufig die Frage: „Wie hoch ist Ihre Energierechnung pro Jahr?“ Und das ist richtig, denn bei einem schlechten energetischen Standard können Verbesserungsmaßnahmen den Käufer leicht 20000,- bis 30000,- Euro kosten. Vor dem Hintergrund künftiger Energiepreissteigerungen scheint ein autarkes Haus die richtige Lösung zu sein. Allerdings frage ich mich, ob sich heute Häuser mit der zunehmenden Automatisierung sowie mit der steigenden Anzahl an elektrischen und elektronischen Geräten im und am Gebäude überhaupt selbst versorgen können? Und als weitere Frage, was kann Glas in Sachen Energiegewinnung- und Einsparung dabei leisten? Es gibt auf Youtube einen schönen Film von Corning „A day made of glass 2”, der sehr gut veranschaulicht, was morgen mit Glas machbar ist: Wir werden dann keine Computer mehr brauchen, sondern neben dem Tablet die Glaswand oder den Glastisch bedienen, wenn wir E-Mails schreiben, fernsehen, chatten u.a.
Hierbei wird nicht nur die Glasindustrie gefragt sein, die entsprechende Technik zu liefern, sondern mehr noch: All diese Features dürfen nur minimal Strom verbrauchen, damit wir dem eingangs genannten Ziel, dem autarken, energieneutralen Haus, näherkommen. Glasprodukte spielen dabei als Wand, im Dach und in der Fassade eine wichtige Rolle, da sie u.a. als Energiequelle dienen. Wohnen ist aber kein technischer Prozess, sondern sehr emotional. Niemand will in einer technischen Box wohnen. Nein, es muss ein ansprechendes Haus sein, allerdings mit immer mehr technischen Spielereien.
Aus diesem Grund müssen die genannten Glasprodukte ansprechend sein, sonst wollen die Architekten damit nicht bauen. Deshalb muss die Glasindustrie verstärkt die Zusammenarbeit mit dem Architekten, dem Fassadenbauer und auch der Möbelindustrie suchen, um gemeinsam neue Produkte für neue Lebensräume zu entwickeln. Dann wird der viereinhalbtausend Jahre alte Werkstoff auch die energieautarken Gebäude der kommenden Jahre mitgestalten.
Paul Bastianen
Als gelernter Bauingenieur ist Bastianen seit 1981 in der Glasbranche tätig. Der Niederländer füllt im Wechsel mit anderen Branchenkennern diese Gastkolumne. Sein Fokus zielt auf die europäische und internationale Glasbranche.
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