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Der Kommentar

Neue Konstellationen in Sicht

Eine gravierende Verschiebung findet momentan in der Glasindustrie statt. Insbesondere die Familienbetriebe (nicht die börsennotierten) durchlaufen aktuell eine vergleichbare Geschichte wie die südeuropäischen Länder mit ihren massiven Geldsorgen. Diese Glasfirmen leiden stärker als die Konzerne darunter, dass in den letzten Jahren im europäischen Floatmarkt die Marktpreise zu niedrig waren. Als Start-up, wie man heute sagen würde, sind diese Firmen in den 1970-iger Jahren entstanden und schnell gewachsen, da sie sich flexibler an die gewandelte Marktbedingungen anpassen konnten als die Großkonzerne. Sie waren flexibel und offen für Neuentwicklungen und verfügten aufgrund der hohen Glasnachfrage (damals kam das Isolierglas auf) schnell über gute Deckungsbeiträge. Diese waren so gut, dass einige der Unternehmen anfingen, selbst Floatglas zu produzieren.

Gleichzeitig waren diese neuen Floaterzeuger aber auf Europa begrenzt und damit abhängig vom europäischen Markt. Als dann die Preise in Europa fielen, war die mittelständige Glasindustrie weit stärker betroffen als die Konzerne. Denn die weltweit operierenden Glas-Konzerne haben den Vorteil, auch in anderen Kontinenten noch Geld verdienen zu können, wenn einer der Märkte stagniert. Dazu kommen die hohen Entwicklungskosten, die im Mittelstand ungleich schwerer wiegen (als bei Weltkonzernen), wenn nicht sofort produktionsfähige, marktreife Produkte herauskommen. Innovationen müssen für sie eigentlich sofort einen 100 %-igen Erfolg erzielen.

Die Kraft einiger großen Mittelständler im Glassegment scheint zu schwinden. So ist kürzlich AGC bei Interpane eingestiegen und hat sich damit strategisch den Zutritt zum starken deutschen Markt verschafft. Es sieht so aus, als würde die Glasbranche langsam wieder zu den alten Strukturen aus den 70-iger Jahren zurückkehren. Damals wurde die Branche durch ein Oligopol ­ (= viele Nachfrager stehen wenigen Anbietern gegenüber) aus weltweit operierenden Konzernen beherrscht. Diese scheinen jetzt wieder gegenüber den Mittelständlern an Boden zu gewinnen.

Eine Ausnahme bilden aber solche Mittelstandsunternehmen, die eine Struktur gewählt haben, bei der ihre Kunden in die Herstellung und Produktweiterentwicklung mit eingebunden sind.

Der Verkauf von Interpane ist wahrscheinlich kein Einzelphänomen. Viele Betriebe, die hohe Investitionen mit Fremdkapital finanziert haben und die heute mit unwilligen Banken und niedrigen Marktpreisen konfrontiert sind, werden folgen. Ähnlich ist dieser Prozess auch im Glasmaschinenbau seit Jahren zu beobachten. Ich denke, dass der Markt von der beschriebenen Entwicklung profitieren wird. Durch Übernahmen und Partnerschaften ergeben sich neue Kon­stellationen, die viel Synergie erzeugen und damit hoffentlich auch besser konsolidierte Firmen.

Paul Bastianen

Als gelernter Bauingenieur ist Bastianen seit 1981 in der Glasbranche ­tätig. Der ­Niederländer füllt im Wechsel mit anderen Branchen­kennern diese Gast­kolumne. Sein Fokus zielt auf die ­europäische und internationale Glasbranche.

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