Nein, Fensterbauer zu sein ist nicht immer das reine Vergnügen. Sicherlich, die letzten Jahre waren nicht schlecht. Niedrige Zinsen, ein unsicherer Finanzmarkt und gestiegene Energiekosten haben manchem gute bis sehr gute Umsatzzahlen beschert. Die Aussichten waren auch schon mal schlechter, also was willst du mehr?
Die Kehrseite der Medaillle: Der Fensterpreis liegt am Boden, die zu erbringenden Beratungsleistungen werden immer aufwendiger und oftmals mutiert das Büro eines Fensterherstellers eher zum Statiker-Betrieb.
Welche Beratung erhält der Fensterhersteller selbst eigentlich? Sicherlich, Verkaufsberater für Profile, Beschläge, Glas, erforderliche Software und letztendlich Berater für Maschinen gibt es reichlich. Wobei der Begriff des Beraters oftmals und selbstverständlich mit dem des Verkäufers verwechselt wird. Der Profilberater berät (informiert) den Fenstermacher über neue Profilsysteme – mit oder ohne Stahl, Verordnungen, Trends etc. –, die Verträglichkeit mit anderen Baustoffen, das Stichwort „Randverbund“ muss aber der Verarbeiter selber klären.
Die Beratungsleistung der Maschinenindustrie ist besonders interessant. Deren Repräsentanten vor Ort kennen sich zwar aus, aber wessen Interessen vertreten die eigentlich? „Sie müssen automatisieren, ansonsten laufen Ihnen die Personalkosten davon“, ist eine häufige Aussage. Grundsätzlich klingt das plausibel. Aber was ist, wenn die erforderlichen Fenstereinheiten nicht erreicht werden? Dann wird auf Teufel komm raus zu billigsten Preisen verkauft und gefertigt, damit die neu angeschafften Anlagen ausgelastet sind. Die Folge: Hohe Abschreibungskosten drücken das Betriebsergebnis und der Fensterpreis geht insgesamt nach unten.
Richtig interessant wird es aber erst, wenn man sich die kaufmännischen Gepflogenheiten beim Kauf einer Fertigungsanlage ansieht, die im Wert ein Mehrfamilienhaus darstellt: Der Verkauf simpler Fenster wird zigfach abgesichert: Notarielle Verträge, Erfüllungsbürgschaften und Eignungsnachweise werden oft schon bei kleinen Bausummen verlangt. Aber der Fensterhersteller kauft seine Fertigungsanlagen praktisch blind. Neben einer formlosen Auftragsbestätigung kann er froh sein, wenn er eine Bürgschaft über seine geleistete Anzahlung erhält. Der Liefertermin ist eigentlich Formsache. 2bis3 Tage vor dem vereinbarten Liefertermin meldet sich dann der „Maschinenberater“ mit der Hiobsbotschaft, dass sich der Liefertermin leider um einige Wochen verschiebt. Sorry, heißt es dann – wir tun was wir können. Eine rechtliche Handhabe gibt es nur, wenn diese im Kaufvertrag vereinbart wurde. Das weiß eigentlich jeder – macht nur kaum einer.
Ähnlich verhält es sich im Zeitraum zwischen Liefertermin und dem Zeitpunkt der vereinbarten Nutzung der bestellten Anlage. Man behält sich zwar 10 Prozent der Kaufsumme ein – wann nützt das aber, wenn man wochenlang nur mit eingeschränkter Leistung produzieren kann und der Schaden die einbehaltene Summe bei weitem übersteigt?
Dann steht der einsame Fensterbauer wieder „Allein auf weiter Flur“.
Henning Mühlhaus
Henning Mühlhaus beschäftigt sich seit 1993 mit der maschinellen Einrichtung von Fensterfertigungen. Viele Jahre lang war er bei namhaften Maschinenherstellern für technischen Vertrieb und Produktmanagement verantwortlich und an der Entwicklung neuer Maschinen beteiligt, bis er sich in diesem Jahr dazu entschloss, als unabhängiger Berater für die Analyse und Optimierung von Produktionsabläufen innerhalb einer PVC-Fensterproduktion den Betrieben zur Seite zu stehen.
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