Die Krisen der vergangenen Jahre zeigen deutlich, wie wenig Nutzen detaillierte Pläne und Risikoberechnungen haben können. Die Wirklichkeit ist banal: Die Zukunft ist nicht vorhersehbar. Allerdings legt die gewaltig entwickelte (und weiter entwickelnde) Informationstechnik genau diesen Trugschluss nahe.
Anstatt im Kaffeesatz zu lesen, vertrauen wir nur zu leicht blind in die allmächtigen komplexen Algorithmen und statistischen Tricks moderner Datenverarbeitung. Allerdings zeigt uns die Wirklichkeit immer wieder aufs Neue: Wir beherrschen die Zukunft immer noch nicht. Im Gegenteil. Die IT-Technologie trägt maßgeblich zur steigenden Komplexität und Dynamik der Welt bei. Jede Zukunftsberechnung – und was ist ein Unternehmensplan anderes? – ist ein Teil dieser Beschleunigung. Der Versuch, dem durch weitere Daten- und Informationsverarbeitung Herr zu werden, beschleunigt diese Dynamik nur weiter.
Diese Situation ist kein rein volkswirtschaftliches Problem. Es ist vor allem eine betriebswirtschaftliche Führungsaufgabe. In Unternehmen werden Entscheidungen mit großer Komplexität, also Unsicherheit getroffen, in erster Linie in der Geschäftsführung. Dort sitzen die Verantwortlichen, die das nötige Know-how besitzen, der Zukunft doch noch Herr zu werden. Dass das häufig scheitert, erschüttert nur die wenigsten von uns in ihrer Selbstüberschätzung des eigenen Erkenntnisvermögens. Dabei unterschätzen wir, was wir alles nicht wissen, was aber für die Utopie einer rationalen Entscheidungsfindung unbedingte Voraussetzung wäre.
Wir sitzen alle im selben Boot einer begrenzten Rationalität und unvollständiger Information. Unsere tägliche Erfahrung ist, dass uns entscheidungsrelevante Daten fehlen.
Übrig bleibt also die rationale (!) Einsicht, dass wir in unsere Entscheidungsfindung immer auch unsere Intuition einbeziehen sollten. Das heißt keineswegs, unserer Intuition immer zu folgen.
Es geht nur darum, sie nicht ungeprüft vom Tisch zu wischen, sondern sie respektvoll wahrzunehmen und ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Eben weil wir nur in äußerst seltenen Fällen über alle relevanten Daten verfügen, um logische Kalküle zu exekutieren. Zudem hat unser Unbewusstes, d.h. sowohl unser Erfahrungswissen als auch unsere unbewusste Wahrnehmung und Informationsverarbeitung, eine wesentlich höhere Kapazität der Datenverarbeitung als unser bescheidenes rationales Bewusstsein. Wenn Entscheidungen – insbesondere unter Zeitdruck – nötig sind, kommen wir mit Kalkulieren, Matrizen zeichnen etc. allein nicht weiter. Weil uns erstens die Zeit fehlt und zweitens meist auch die nötigen Daten. Ziehen Sie dann ruhig ihr Gefühl mit ins Kalkül.
Dr. Andreas Zeuch
Dr. Andreas Zeuch, Berater, Trainer, Coach und Speaker mit den Themenschwerpunkten Entscheidungs-Kompetenz, -Kultur und -Design. Autor des aktuellen Buchs „Feel it! Soviel Intuition verträgt Ihr Unternehmen. Der vorliegende Beitrag ist eine aktualisierte Überarbeitung einer Veröffentlichung in Geno Graph.