Viele kennen die Situation: Nach einem langen Arbeitstag geht es direkt weiter zu einer Kundenveranstaltung. Der Vortrag war ansprechend, die Zuhörer interessiert, der Gastgeber kündigt den Aperitif mit Imbiss an. Die Gäste strömen aus dem Plenum – Zeit für den Empfang und für Gespräche. Man würde am liebsten ein Glas trinken und dann verschwinden. Denn wie soll man auf jemand Wildfremden zugehen? Worüber soll man ohne besonderen Grund sprechen? Wie das Gespräch elegant verlassen, wenn es gar zu uninteressant wird?
Das erste große Missverständnis in Bezug auf Small Talk ist seine eigentliche Bedeutung. Von vielen als unwichtiges Gerede abgetan, hat er tatsächlich eine wichtige Funktion: als Basis für einen weitergehenden, tieferen Dialog. Small Talk bricht das Eis, bereitet auf das geschäftliche Gespräch vor oder hilft dabei, interessante Personen kennenzulernen.
Ein weiterer Irrtum ist, vor allem selber reden zu müssen, um peinliche Pausen zu vermeiden. Denn Konversation bedeutet neben dem Reden vor allem auch Zuhören. Gute Gesprächspartner zeigen Interesse an ihrem Gegenüber, stellen Fragen ohne gleich ein Verhör daraus zu machen und gehen auf das Gesagte ein. Konzentration ist gefordert, damit man sich nicht ablenken lässt von Gedanken über den nächsten Satz, den man sagen möchte, die letzte Sitzung, die nicht gerade gut gelaufen ist oder auch von anderen Personen im Raum.
Durch Small Talk soll man sich angenommen fühlen, nicht herausgefordert. Polarisieren und Missionieren sind No-Go's. Themen wie Politik, Religion, Geld, Krankheit, Klatsch und Witze auf Kosten anderer können innerhalb von Sekunden Türen schließen, die gerade noch offen standen. Sucht man aber nach Gemeinsamkeiten bei Themen wie Reisen, Beruf, Familie, Kunst, Kultur, Literatur, Sport, Essen und Trinken kann man schnell Sympathiepunkte gewinnen. Überhaupt: Wenn die Chemie stimmt, ist Small Talk angenehm, leicht und erfolgversprechend. Sechs Faktoren sind vorrangig dafür verantwortlich, ob wir einen anderen Menschen sympathisch finden und umgekehrt:
- Gemeinsamkeiten,
- Ähnlichkeit,
- sozialer Austausch,
- Lächeln,
- Blickkontakt
- und eine positive, natürliche Körpersprache.
All dies darf natürlich nicht aufgesetzt sein. Authentizität ist ein Muss.
Also nicht nur der Inhalt ist ausschlaggebend für das gute Gespräch, auch die entgegenkommende innere Haltung dazu und das Einhalten einer angemessenen Körperdistanz. Wer schätzt schon einen Gesprächspartner, der seine Hände in den Hosentaschen versenkt hat und nicht wirklich am Gespräch interessiert zu sein scheint weil sein Blick an einem vorbei durch den Raum schweift? Da darf man sich getrost bald wieder verabschieden.
Der gekonnte Abgang kann eine Herausforderung sein – aber keine, der man sich nicht selbstbewusst stellen könnte. Es ist einfacher, sich zu verabschieden wenn man selber gerade das Wort hat, als darauf zu warten, dass der Gesprächspartner Luft holt, um sagen zu können: „Also dann...“. Seien Sie freundlich, ehrlich aber bestimmt: „Ich habe weitere Bekannte/Kunden gesehen, die ich ebenfalls begrüßen möchte. Vielen Dank für das Gespräch – es war interessant, über ... mehr zu erfahren. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.“ Diese Äußerung signalisiert ganz klar, dass das Gespräch beendet ist. Oder vernetzend: „Dort ist Stephan. Du weißt schon, wir joggen zusammen. Komm mit, dann lernst du ihn mal kennen.“
Oft hört man auch den Satz: „Ich gehe nochmal ans Buffet.“ Und dann taucht die Person nie mehr auf. Dies ist kein taktvoller Rückzug, und außerdem sitzt einem während des ganzen Abends die Angst im Nacken, womöglich die stehen gelassene Person wieder zu treffen.
Auch bei Tisch spielt das „kleine“ Gespräch eine große Rolle. Für den Erfolg einer Einladung ist daher eine gut durchdachte Tischordnung ausschlaggebend. Das Essen kann noch so exquisit sein – sind die Gespräche flau oder gar feindselig, ist alle Kunst in der Küche vergebens. Sitzen aber Menschen mit ähnlichen Interessen und sich ergänzenden Ansichten beieinander, entstehen angeregte, lebendige Gespräche welche die Atmosphäre und den kulinarischen Genuss vollenden. Aufmerksame Gastgeber sorgen dafür, dass die Unterhaltung im Fluß bleibt und vergewissern sich, dass alle beteiligt sind. Sich – auch als Gast - während eines ganzen Essens nur einem Tischnachbarn zuzuwenden ist taktlos. Kultiviert ist, wer seine Aufmerksamkeit gleichmäßig verteilt und zur Unterhaltung beiträgt. Ein geeigneter Moment, den Gesprächspartner zu wechseln ist zum Beispiel wenn der nächste Gang serviert wird. Beim Business Meeting lenkt der Gastgeber den Übergang vom Small Talk zu geschäftlichen Themen.
Wir alle kennen den gewandten Small-Talker, der an jedes Gespräch mit einem anderen, aber ähnlichen Thema anknüpfen kann und dabei nie gekünstelt oder angestrengt wirkt. Ist das Talent? Vielleicht. Aber wahrscheinlicher gute Vorbereitung. Er hat sich erkundigt, wer die anderen Gäste sind. Er hat neben seiner üblichen Tageszeitung vielleicht auch die lokalen Nachrichten gelesen und auf dem Weg zur Veranstaltung die Umgebung beobachtet: Was wird dort gebaut? Ist das Restaurant um die Ecke empfehlenswert? Er hat sich über die Location der Veranstaltung informiert. Gibt es einen Anknüpfungspunkt? Historisches Gebäude? Moderne Architektur? Besonderer Standort?
Also doch eher knochenharte Arbeit als die hohe Kunst? Es kommt ganz auf den Typ drauf an. So oder so: Small Talk wird zu unrecht klein gemacht. Wer das oberflächliche Geplänkel durch gepflegte Konversation ersetzt und dazu noch erkennt, dass die Basis guten Small Talks echtes Interesse ist, hat in jeder Situation gewonnen.
Ein Beitrag von: Catherine Tenger, CLT, Imme Vogelsang, iv-imagetraining
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