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Wie Walter Fenster + Türen Qualitätsrisiken in den Fokus rückt

Weiße Flecken und schwarze Schwäne ins Visier genommen

_ Um auf Dauer erfolgreich zu sein, muss ein mittelständisches Fensterbau-Unternehmen die Qualitätsanforderungen der Kunden jetzt und auch in der Zukunft erfüllen. Dafür ist es notwendig, Gefährdungen des Qualitätsniveaus möglichst frühzeitig zu erkennen, um rechtzeitig darauf reagieren zu können. Im besten Fall werden mit einer derartigen Analyse auch Chancenpotenziale für die Weiterentwicklung des Qualitätsniveaus identifiziert. Die Forschungsgruppe Marktorientierte Unternehmensführung der TU Dresden hat – im Rahmen eines vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten und direkt auf KMU ausgerichteten Praxisprojektes – ein Instrumentarium zur Identifikation und systematischen Analyse von Qualitätsrisiken und -chancen entwickelt und mit dem Unternehmen Walter Fenster + Türen in Kassel in der Praxis umgesetzt.

Das Gesamtpaket optimieren

Glasklar ist: Nicht nur die Qualität des eingebauten Fensters, sondern auch die Qualität des Beratungs- und Montageprozesses sind heute von entscheidender Bedeutung für die Zufriedenheit der Kunden und damit für den Geschäftserfolg. Die Herausforderung liegt dabei nicht nur darin, das Qualitätsversprechen für die Kunden täglich aufs Neue zu erfüllen, sondern auch die Anforderungen von morgen rechtzeitig zu definieren und heute zu beginnen, sich systematisch daran auszurichten.

Prof. Töpfer, Leiter der Forschungsgruppe Marktorientierte Unternehmensführung der Technischen Universität Dresden (FGMU): „Es ist bei derartigen Analysen nicht nur besonders wichtig zwischen zukünftigen Chancen und Risiken zu differenzieren, sondern auch in Ursachen-Wirkungs-Beziehungen zu denken.“ Wenn diese strategische Entwicklung gelingen soll, dann sind alle wesentlichen Einflussfaktoren auf die Qualität des Produktes und auch die begleitenden Dienstleistungen zu erkennen, in ihren Auswirkungen zu bestimmen und aktiv – auch unter Einbezug der Mitarbeiter – zu steuern. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) bestehen hier noch Defizite, da sie vom Tagesgeschäft in Anspruch genommen werden und die Zeit für ein solches eher konzeptionelles Vorgehen fehlt. Hinzu kommt, dass vielfach nur Instrumentarien veröffentlicht sind, die auf größere Unternehmen mit speziellen Fachabteilungen zugeschnitten sind.

Werden aber Qualitätsrisiken nicht früh systematisch erkannt, kann kaum gegengesteuert werden. So wird zum Teil erheblicher Wert vernichtet – die Kundenzufriedenheit ist dann letzten Endes ein Zufallsprodukt. Oder aber es bleiben Chancen unerkannt und damit ungenutzt, die zur Qualitätsverbesserung und damit zur Wertsteigerung für das Unternehmen führen können. Das Ziel dieses Instrumentariums ist die Identifikation und Analyse von maßgeblichen Qualitätsrisiken und -chancen als sogenannte Qualitäts-Issues. Diese Landkarte der Qualitäts-Issues ist ein wesentlicher Bestandteil des praxisorientierten Forschungsprojektes Wertorientiertes Qualitätsmanagement (Wert-QM). Gemeinsam mit dem Unternehmen Walter Fenster + Türen, das Mitglied im Praxisbeirat von Wert-QM ist, wurde das Instrumentarium in dieser Form zum ersten Mal in der Praxis angewendet.

Diese Analysearbeit wurde im Rahmen eines vierstündigen Workshops durchgeführt, der von Anne Maertins als Projektleiterin von Wert-QM und Steffen Silbermann als Mitglied des Praxisbeirats vorbereitet wurde und an dem Dr. Frank Walter, der Geschäftsführer von Walter Fenster + Türen, und ein ausgewähltes Team teilgenommen haben. Bei der Erstellung der Landkarte der Qualitäts-Issues ist das Team in fünf Schritten vorgegangen.

5 Schritte auf dem Weg zur Qualitäts-Landkarte

Schritt 1: Fundament der Analyse ist das strategische Unternehmensziel, also seine Vision für die nächsten drei bis fünf Jahre. Wie wollen wir dann besser am Markt bestehen als unsere Wettbewerber? Wird eine solche strategische Betrachtung als Grundlage für das weitere Vorgehen nicht vorgenommen, dann fahren – bildlich gesprochen – die Unternehmen zu häufig nur auf Sicht und setzen kein geeignetes Navigationsgerät ein.

Schritt 2: Das Qualitätsversprechen der Zukunft muss dann an die Vision des Unternehmens angedockt sein. Durch die Gegenüberstellung des heutigen und des zukünftigen Qualitätsversprechens sind die erforderlichen Maßnahmen zum Schließen der Lücke zwischen beiden als Meilensteine abzuleiten und umzusetzen. Nur durch das täglich realisierte Qualitätsniveau kann die Strategie des Unternehmens umgesetzt werden. Abbildung 2 gibt diesen Zusammenhang schematisch wieder.

Schritt 3: Jetzt geht es darum, so viele wesentliche Einflussgrößen wie möglich zu identifizieren. Der Grundsatz liegt dabei darin: Je mehr Qualitäts-Aspekte identifiziert werden, desto mehr Issues hat das Unternehmen später sprichwörtlich auf dem Schirm. Alles das, was in diesem Schritt nicht entdeckt und benannt wird, kann auch nicht in die weitere Analyse einbezogen werden.

Diese Analyse ist auf den ersten Blick eine leichte, intuitive Angelegenheit; auf den zweiten Blick eine Mammut-Aufgabe. Denn die Herausforderung liegt darin, den Wald vor lauter Bäumen zu sehen und alle wichtigen Einflussfaktoren auf das Qualitätsversprechen zu identifizieren. Dabei sind auch solche Ereignisse ins Visier zu nehmen, bei denen einzelne Risiken voraussichtlich nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit eintreten, von denen dann aber ein immenser Schaden ausgehen kann – ein sogenannter schwarzer Schwan.

Die Frage ist demnach, wie sichergestellt werden kann, dass auf dem Radarschirm keine weißen Flecken bleiben, d. h. dass keine wesentlichen Einflussgrößen auf die Qualität übersehen werden.

Aus diesen Gründen ist der Brainstorming-Prozess im Team, in mehreren Stufen und vor allem ohne vorschnelle Bewertung durchzuführen. Dr. Walter hat in dem Workshop drei Mitarbeiter – aus dem Kundendienst, der Nachsorge und der Montage – hinzugezogen und insgesamt konnten 89 Aspekte identifiziert werden. Dr. Walter stellte fest, dass er auf diese Weise Informationen erhalten hat, die im Tagesgeschäft gar nicht zur Sprache gekommen und eher untergegangen wären. In diesem Analyseschritt zeugte es von einer offenen Unternehmenskultur, dass nicht nur positive Einflussgrößen identifiziert, sondern auch negative Qualitäts-Aspekte klar benannt und damit das „Undenkbare gedacht“ wurde.

Schritt 4: Ziel dieses Schrittes ist es, die Vielzahl der identifizierten Issues zu clustern und damit zu reduzieren. Dies erfolgt unter der Maßgabe, dass die Aussagefähigkeit nicht leidet, aber die Steuerbarkeit durch die Konzentration auf die wesentlichen Stellhebel sichergestellt wird. In der Landkarte der Qualitäts-Issues werden diese Stellhebel dann nach ihrer Einflussstärke und ihrer -richtung bewertet und damit positioniert. Es wird also deutlich, ob das Qualitätsversprechen eher durch einen Aspekt als Risiko bedroht oder als Chance unterstützt wird. Außerdem werden die wesentlichen Treiber der Qualität identifiziert, nämlich genau die Qualitäts-Aspekte mit hohem Einfluss. Klar ist, dass die Positionierung in der Landkarte einer weitgehend subjektiven Einschätzung unterliegt. Das Analyseergebnis wird dadurch aber nicht grundsätzlich schlechter. Wie dieser Schritt für Walter Fenster + Türen ausgesehen hat, entnehmen Sie Abbildung 3.

Die Ergebnisse des Schritts 4 und damit die Kern-Informationen lassen sich auf einen Blick aus der Karte herauslesen, welche die Vorstufe für eine praktikable Unternehmenssteuerung ist. Nach der Positionierung der Qualitäts-Issues in der Landkarte erfolgt zusätzlich die Bewertung, welcher Stellhebel durch das Unternehmen beeinflusst und damit gestaltet werden kann, also variabel ist (v), und welcher nicht, also konstant ist (k), was vor allem für die Maßnahmenableitung von Bedeutung ist. Zur besseren Nachvollziehbarkeit wurden von allen im nächsten Schritt identifizierten Ursachen-Wirkungs-Beziehungen diejenige in ihren Effekten nummeriert (1 bis 12), die sich als eine der wesentlichsten herauskristallisiert hat.

Die Schlussfolgerung daraus ist, dass genau diese Stellhebel dann in das Cockpit zur Qualitäts- und Unternehmenssteuerung einfließen müssen. Aus verständlichen Gründen können hier nicht die vollständigen Ergebnisse unverzerrt wiedergegeben werden. Es wird lediglich ein Eindruck der Landkarte der Qualitäts-Issues des Fensterbauers vermittelt.

Schritt 5: Der Grundsatz heißt: Alles, was man nicht messen kann, kann man auch nicht verbessern. Deshalb sind jetzt alle wesentlichen Qualitäts-Aspekte mit Indikatoren und Messgrößen zu hinterlegen. Erst damit wird die Landkarte bzw. jetzt das Cockpit „lebendig“. Einige Stellhebel aus der Landkarte in Abbildung 3 sind direkt messbar, z. B. das betriebswirtschaftliche Ergebnis. Für die anderen Stellhebel wurden Indikatoren definiert. Außerdem wurden auch Soll-Werte und Warngrenzen für jede Kennzahl festgelegt. Unter- oder überschreitet eine Steuerungsgröße eine Warngrenze, kann die Geschäftsleitung frühzeitig reagieren. Dadurch wird der Reaktionszeitraum größer und schweißtreibende „Nacht-und-Nebel-Aktionen“ werden seltener. In Abbildung 4 ist ein Ausschnitt aus dem Issue-Cockpit dargestellt.

Der Vorteil ist, dass durch die systematische Ableitung in den Schritten 1 bis 4 die wesentlichen Stellhebel identifiziert wurden, also das Cockpit insgesamt aus 12 Kennzahlen plus dem betriebswirtschaftlichen Ergebnis besteht. Damit wird die Übersichtlichkeit und Handhabbarkeit gewährleistet. Die Aktualisierung der Steuerungsgrößen im Issue-Cockpit erfordert Zeit und vor allem Disziplin, aber dadurch wird die Steuerung sicherer und transparenter. Die entwickelte Landkarte der Qualitäts-Issues ersetzt zwar keine Unternehmenssteuerung mit dem klassischen Controlling oder die Kennzahlen-Analyse im Qualitätsmanagement. Sie zeigt aber das Zusammenwirken maßgeblicher interner und externer Chancen und Risiken, die wesentlichen Einfluss auf das Qualitätsversprechen haben.

Die beiden Geschäftsführer von Walter Fenster + Türen haben ihre Landkarte intern kommuniziert, um zum einen ihre Mitarbeiter stärker für das Thema Qualität zu sensibilisieren und zum anderen die Transparenz der Unternehmensführung weiter zu erhöhen. Außerdem planen sie die Landkarte der Qualitäts-Aspekte auch als Argument bei den Verhandlungen mit Banken und Versicherungen einfließen zu lassen. Über das Fazit bestand bei Dr. Frank und Gerd Walter Einigkeit: Der Workshop hatte einen hohen Stellenwert für ihr Unternehmen.—

Was ist das Wert-QM?

Das wertorientierte Qualitätsmanagement (www.wert-qm.de) ist ein vom Bundeswirtschaftsministerium gefördertes Forschungsprojekt mit dem Zweck, beim KMU ein hohes Qualitätsbewusstsein und ein ganzheitliches Steuerungskonzept zu etablieren. Das Ziel ist ein Management-Konzept und eine einfach handhabbare Software-Lösung. Das Konzept beinhaltet vier Schritte:

  • Issue-Management: Systematische Erfassung und Analyse von Problemfeldern
  • Risikomanagement: Quantitative Erfassung und Operationalisierung des Risikos
  • Schadenspotenzial-Analyse: Bewertung des Risikos. Abwägen der potenziellen Wertvernichtung im Vergleich zur erforderlichen Investition
  • Notfallmanagement: Ableitung von konkreten Maßnahmen der Wertvernichtung durch Restrisiken

3 Fragen an Dr. Frank Walter

GLASWELT – Warum haben Sie bei dieser externen Analyse zur Qualitätsbewertung mitgemacht?

Dr. Frank Walter – Wir gucken viel auf technische Qualitäten und Produktionseffizienz. Zur Qualität gehört aber auch das Management von Risikofaktoren. Wir sahen als mittelständisches Unternehmen die Chance, hier für uns Wissenschaft in Praxis umzusetzen. Das engagierte Forscherteam mit dem absoluten Hang zur Praxis und der überschaubare hochkarätige Kreis von Unternehmen aus anderen Branchen brachten uns die erwartete Erweiterung von Horizonten und Know-how.

GLASWELT – Konnten Sie Ihre Mannschaft bei der Erstellung der Qualitäts-Analyse mit ins Boot nehmen?

Dr. Walter – Es war bewusst eher als ein strategisches Projekt für meinen Bruder und mich als geschäftsführende Gesellschafter angesetzt. Wir haben jedoch stets rückgekoppelt und informiert über die einzelnen Schritte, die wir mit Prof. Dr. Armin Töpfer gegangen sind. Umsetzungen, wie bspw. einen Info-Bildschirm mit News zum Thema Qualität, haben wir gemeinsam umgesetzt. Und: Im zentralen Workshop zur Aufstellung der Risiokomatrix waren natürlich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus Vertrieb, Produktion, Montageorganisation dabei und haben wichtigen Input erarbeitet.

GLASWELT – Können Sie uns rückblickend kurz darstellen, ob und was Ihnen das Instrumentarium und die Begleitung durch die TU Dresden gebracht haben?

Dr. Walter – Wir haben unsere Sinne geschärft sowie das Navigationsinstrument kalibriert und professionalisiert. Für die Zukunft haben wir uns damit ein gutes Werkzeug als Unternehmensradar erarbeiten können. Auch die Arbeit mit Kennziffern wird hier an Bedeutung gewinnen. Die Praxis wird dann zeigen, wie wertvoll und nachhaltig wir es mittelfristig gestalten sowie nutzen können. Das Projekt ist aber noch nicht am Ende. Gemeinsam mit den anderen Unternehmen und der TU Dresden wird es noch eine Softwarelösung zu erarbeiten geben, die Chancen und Risiken unternehmensindividuell aufzeigen soll.

Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.

Die Autoren

Prof. Dr. Armin Töpfer, Anne Maertins, Steffen Silbermann von der TU Dresden.

Kontakt zu Walter Fenster + Türen:www.walter-fenster.de

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