_ Die Planung und Herstellung der Portalfenster für das Berliner Stadtschloss gilt als eines der derzeit technisch anspruchsvollsten Projekte im Holzfensterbau in Europa.
Der Auftrag für die Holzfenster wurde vom Bauherrn in zwei Losen vergeben. Zunächst wurden die in der Abmessung und Gestaltung relativ baugleichen Fenster der umlaufenden Fassade beauftragt und anschließend die in Form und Art sehr unterschiedlichen Fenster der dem Baukörper vorgesetzten sieben Portalfassaden.
Bildau & Bussmann erhielt im Februar 2016 den Auftrag zur Planung und Fertigung der Fenster für die sieben Portalfassaden über den Hauptauftragnehmer Implenia (vormals Bilfinger Fassadentechnik).
Es handelt sich hierbei um insgesamt 110 Elemente, welche jeweils aus einem Außenfenster und einem Innenfenster bestehen, die über einen breiten, umlaufenden Rahmen zu einem Kastendoppelfenster verbunden sind. Die gesamte Fensterkonstruktion ist in einer Stahlzarge verankert, welche wiederum mit dem Baukörper verbunden ist.
Das Außenfenster dient zur Umsetzung der ästhetischen Ansprüche an die historische Fassade und das Innenfenster zur Erlangung aller klimatischen und sicherheitsrelevanten Anforderungen für einen modernen Museumsbau.
Fenster mit sechs Profilsystemen
Die Fenster sind mit sechs verschiedenen Profilsystemen ausgeführt, da es im historischen Verlauf des ursprünglichen Schlossbaus, welcher sich über mehrere Jahrzehnte hinzog, durch unterschiedliche Baumeister unterschiedliche Konstruktions- und Profilvarianten gab.
Die historischen Fenster wurden vor dem Krieg akribisch durch Fotos und Zeichnungen dokumentiert, sodass beim Entwurf der historischen Rekonstruktion der Fassade durch die planenden Architekten auf umfangreiches Material zurückgegriffen werden konnte.
Stahlverstärkungen trotzen den Windlasten
Neben der historischen Gestaltung stellen die Abmessungen von bis zu 9 m Höhe und 5 m Breite und damit über 45 m² Fläche pro Fenster eine außerordentlich Anforderung dar.
Um die enormen Windlasten, die auf derartig große Fensterflächen einwirken aufzufangen, sind die Fenster mit zahlreichen Stahlverstärkungen ausgestattet, die zur Wahrung der historischen Optik bei den Außenfenstern unsichtbar im Holz eingelassen sind. Sämtliche Riegel, Pfosten und Sprossen sind durch nicht sichtbare Stahlverstärkungen zur Aufnahme hoher Druck- und Soglasten vorbereitet.
Bei den funktionalen Innenfenstern durften die Stahlverstärkungen auch teilweise sichtbar montiert werden, wobei sie sich in der optischen Formgebung den Holzprofilen soweit anpassen sollten, dass sie für den Betrachter kaum wahrnehmbar sind. Insgesamt wurde pro Fenster teilweise über eine Tonne Stahl verbaut.
Alle Stahlverstärkungen sind „schwimmend“ gelagert, um das unterschiedliche thermisch bedingte Dehnverhalten der Materialien Holz und Stahl zu kompensieren und eine Geräuschbildung sowie Brüche und Risse bei Temperaturschwankungen zu verhindern.
Hierfür mussten spezielle Konsolen mit Gleitfunktionen zur Entkoppelung zwischen Fenster und der im Mauerwerk eingelassenen Stahlzargen entwickelt werden.
Innerhalb der Holzfenster mussten ebenfalls die Stahlteile gleitend montiert werden, da alleine durch die großen Spannweiten der Holzprofile schon innerhalb des Fensters erhebliche thermisch bedingte Spannungen auftreten.
Für die Rahmenprofile wurde hochwertigstes europäisches Eichenholz eingesetzt, das in bis zu sechs Lagen mit stehenden Jahrringen verleimt ist.
Alle Gläser sind als vorgespanntes Sicherheitsglas ausgeführt und umlaufend mit den Rahmenprofilen über eine elastische Verklebung dauerhaft verbunden.
Das außergewöhnlich hohe Gewicht der Fensterflügel mit teilweise über 200 kg in Kombination mit hohen Flügelbreiten wird durch Sonderbänder aufgefangen, die aus ästhetischen Gründen weitgehend in die Rahmenhölzer eingelassen sind.
Mehrere 100 Meter Kabel pro Fenster
Alle Eckverbindungen der Fensterflügel sind zudem durch jeweils zwei massive Stahlwinkel, die unsichtbar im Glasfalz eingelassen sind, verstärkt.
Den sicherheitstechnischen Anforderungen für einen Museumsbau wird durch eine umfangreiche elektronische Verriegelungsüberwachung aller Flügel der Innenfenster Rechnung getragen.
Hinzu kommen Glasbruchmeldesysteme für alle Scheiben der Innenfenster, sodass teilweise pro Fenster mehrere 100 Meter Kabel verlegt werden mussten.
Alle Komponenten der Fenster, von der historischen Profilierung über die Stahlverstärkungen bis hin zu den Sonderformen bei den Beschlagsteilen, wurden in einem monatelangen Planungsprozess zwischen dem planenden Architektenteam des Bauherren, der Baufirma Implenia und Bildau & Bussmann entwickelt.
Allein bei Bildau & Bussmann fielen dabei über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren mehr als 10 000 Ingenieursstunden für die Ausführungsplanung, die Fertigungsplanung sowie die Planung der Logistik für Transport und Montage der Elemente an.
Da selbst scheinbar ähnliche Fenster historisch in unterschiedlichen Epochen gefertigt wurden und dem im Zuge der originalgetreuen Rekonstruktion Rechnung getragen werden sollte, musste für nahezu jedes Fenster eine Einzelplanung vorgenommen werden, was den Arbeitsaufwand zusätzlich erheblich steigerte.
Die Fertigung der historischen Außenfenster wurde von einem Team mit 12 Tischlern in weitgehend manueller Handarbeit ausgeführt. Insgesamt waren bis zu 40 Handwerker an dem Fertigungsprozess beteiligt, der sich über fast ein Jahr hinzog.
Die modernen Innenfenster konnten auf einer CNC-Anlage in einem überwiegend automatisiertem Fertigungsprozess hergestellt werden.
Für den Transport der Elemente mussten teilweise Tieflader für Sondertransporte eingesetzt werden. Vor Ort wurden die Elemente durch diverse Autokräne in das Gebäude gehoben und innerhalb des Gebäudes mit mobilen Montagekränen bewegt.
Ein Montageteam von Bildau & Bussmann mit zeitweise 10 Monteuren benötigte fast ein Jahr für die Montage aller Elemente.
Die Planung und Herstellung der Portalfenster war für Bildau & Bussmann eines der anspruchsvollsten Projekte in der bisherigen Firmengeschichte, sodass es am Ende eine spürbare Erleichterung für alle Beteiligten war, als das Projekt sowohl auf dem vom Bauherrn erwarteten Qualitätsniveau als auch im vereinbarten Zeitrahmen abgeschlossen werden konnte.—
Tipp der Redaktion: Ein interessantes Video über die Herstellung und Montage der Fenster gibt es auf www.bildau.de zu sehen.
Portrait Bildau & Bussmann
Die Unternehmensgruppe Bildau & Bussmann produziert und vertreibt Holz- und Holz-Alu-Fenster mit derzeit 220 Mitarbeitern an drei Standorten in Deutschland, Frankreich und Polen mit Hauptsitz in Berlin. 1985 dort gegründet, stellte man zunächst ausschließlich Fenster nach historischem Vorbild für die originalgetreue Altbausanierung her. Die ersten größeren Aufträge waren über 2000 Kastendoppelfenster nach historischem Vorbild für die Berliner Charité und für die Sanierung des Museums für Gegenwart/Hamburger Bahnhof in Berlin.
Für die Herstellung der Fenster und Türen wird ausschließlich Holz verwendet sowie Aluminium als äußere Schale auf den Rahmenhölzern.
Neben der Herstellung von standardisierten Holzfenstern für öffentliche und private Großprojekte richtet sich das Produktportfolio mit projektbezogenen Sonderanfertigungen an den Markt für den hochwertigen und exklusiven Wohnungsbau sowie denkmalgeschützte institutionelle Bauvorhaben.
Der Vertrieb erfolgt vorwiegend über ein breit gestreutes Händlernetz in allen Vertriebsländern sowie in geringerem Umfang im Objektgeschäft.