Glaswelt – Warum geht der Trend immer mehr zum Automatisieren?
Bernhard Hötger – Bereits heute zeichnet sich ein großer Mangel an Mitarbeitern auf dem Arbeitsmarkt ab, vor allem wenn entsprechende Fachkenntnisse benötigt werden. Die Digitalisierung bietet hier zunehmend eine Alternative, das vorhandene Personal mit seinen Fähigkeiten dort einzusetzen, wo es zum gesamten Fertigungsprozess am meisten beitragen kann. Die Zukunft liegt darin, die komplette Logistik bis zum Endprodukt unter Einsatz von bewussten Maschinen zu steuern. Schrittweise wird eine noch kontinuierlichere Produktion erreicht, bei der einerseits die Abhängigkeit vom Faktor Mensch verringert und andererseits dessen handwerkliches, intellektuelles und fachlich-steuerndes Potenzial in hohem Maß einfließen kann.
Glaswelt – Was verstehen Sie eigentlich unter Industrie 4.0?
Hötger – Das sind Produkte, Maschinen und Anwendungen in der Zukunft, mit denen eine Fabrikautomation bei der Glasverarbeitung schrittweise umsetzbar wird. Ein weiterer Schlüssel dazu ist die Software, die alles verknüpft, Daten erfasst, auswertet oder zur Auswertung bereitstellt. Das ganzheitliche Zusammenfassen sowohl von Prozessen wie von Maschinen ist die möglich gewordene Vision der Digitalisierung. Wichtig ist dabei, dass für eine reibungslose, jederzeit nachvollziehbare und reproduzierbare Produktion jede einzelne Scheibe eine eindeutige Markierung erhält.
Glaswelt – Warum wird es immer wichtiger, dass jedes Glas eindeutig markiert ist?
Hötger – Die eindeutige Markierung des Glases ist ein wichtiger Baustein, um eine Fabrik oder eine Wertschöpfungskette ganzheitlich zu erfassen und digital abzubilden. Beispielsweise kann durch automatisches Scannen von QR- oder Datamatrix-Codes an den Bearbeitungsstationen jederzeit nachvollzogen werden, in welchem Bearbeitungsschritt sich eine Scheibe befindet. Dies ermöglicht eine tiefgreifende Optimierung und die exakte Abstimmung der Prozesse auf Basis der tatsächlichen Abläufe. Zwar stehen einige dieser Daten bereits heute schon zur Verfügung, dies jedoch nur als theoretisches Wissen, das ohne eindeutigen Bezug zur Wirklichkeit nur eine Annahme ist und damit fehlerhaft sein kann.
Glaswelt – Wie sollen Verarbeiter so eine Markierung bei sich umsetzen?
Hötger – Die Vorteile der Glasmarkierung ergeben sich vor allem dann, wenn diese möglichst früh im Produktionsablauf und im besten Fall noch vor dem Zuschnitt auf dem Rohglas erfolgt. Damit wird das Risiko einer verwechselten Scheibe oder einer falschen Markierung deutlich reduziert. Wichtig ist dabei auch, dass die Markierung zur eindeutigen Identifizierbarkeit fest mit dem Glas verbunden ist und nicht verloren oder beschädigt werden kann. Hegla bietet als Maschinenbaupartner die nötige Hardware, Beratung und das Anlagen-Know-how. Die schrittweise Umsetzung für Teilbereiche oder die gesamte Produktion erfolgt dann zusammen mit den Softwarepartnern unserer Kundinnen und Kunden, wie beispielsweise der Hegla-Hanic.
Glaswelt – Was stellen Sie als Maschinenbauer für die Kennzeichnung von Glas bereit?
Hötger – Hegla verwendet zur eindeutigen Glaskennzeichnung die Markierungslösungen der Hegla boraident mittels Lasertechnik. Die Markierung wird, ohne die Oberfläche zu beschädigen, auf das Glas gelasert, und ist damit fester Bestandteil der Scheibe und kann mit einer Prozesssicherheit von über 99 Prozent automatisch gescannt und ausgelesen werden. Die Markierung kann in verschiedenen Farben sowie transparent erfolgen und neben allen üblichen Zeichen auch gestaltende Elemente wie Logos enthalten.
Glaswelt – Welche Funktion erfüllt so eine Laser-Markierung und welche Informationen lassen sich auf einer Glasscheibe speichern?
Hötger – Als fest verbundener Bestandteil des Glases dient die Markierung über die gesamte Wertschöpfungskette als eindeutiges Merkmal zur Identifizierung der Scheibe. Je nach Datenspeicherung kann so nach Jahren noch nachvollzogen werden, welchen Bearbeitungsprozess die Scheibe durchlaufen und wer die Scheibe geliefert hat. Vor allem bei größeren Bauprojekten mit mehreren Lieferanten verspricht dies Vorteile, zum Beispiel dann, wenn es um kostenintensive Reklamationen geht. Darüber hinaus kann mit einem QR- oder Datamatrix-Code hinterlegt werden, welche Prozessschritte eine Scheibe durchlaufen muss. Dies kann sogar beinhalten, dass alle Daten direkt auf dem Glas hinterlegt werden und die jeweiligen Bearbeitungsstationen diese Informationen dann über einen Scanner zur weiteren Bearbeitung auslesen.
Glaswelt – Eine weitere Entwicklung bei der Glasverarbeitung ist der zunehmende Einsatz von Robotern. Welche Vorteile bringt das?
Hötger – Als Faustregel gilt: Überall, wo viele gleiche Scheiben zu verarbeiten sind, lohnt der Einsatz von Robotern. Diese können beim Auf- und Abstapeln Zykluszeiten zwischen 5 und 8 Sekunden umsetzen, sind vor allem bei hohen Taktanforderungen und großen Gewichten schneller als der Mensch und erzielen einen kontinuierlichen Produktionsfluss. Insbesondere bei der Serienfertigung hat sich der Robotereinsatz an den Positionen bewährt, an denen Mitarbeiter zuvor einer äußerst hohen körperlichen Belastung ausgesetzt waren.
Glaswelt – Und welche Rolle spielt für Sie als Maschinenbauer die Software und die Datenerhebung?
Hötger – Hegla ist in der Glasbranche als Automatisierungsprofi bekannt und wird dieser Rolle auch weiterhin treu bleiben. Für die umfassenden ERP-Systeme der Zukunft setzen wir daher auf die entsprechenden Lösungen beispielsweise der Hegla-Hanic, von A+W, Synersoft und von Lisec. Insofern diese Softwarelösungen mit ihrem Produktionsleitsystem eine enge Kommunikation mit den Maschinen ermöglichen, können wir gemeinsam mit unseren Partnern die Fertigungsschritte im Sinne einer übergreifenden Shop-Floor-Logistik automatisieren. Die Datenerhebung und Auswertung in Echtzeit ist dabei ein ganz wichtiger Punkt, ermöglichen diese doch die tiefgreifende Optimierung der als Logistik verstandenen Abläufe.
Glaswelt – Wie gut sehen Sie die hiesigen Verarbeiter in Sachen Automatisierung aufgestellt und wo sehen Sie noch Lücken?
Hötger – Die hiesigen Glasverarbeiter sind bereits recht gut automatisiert, sei es beispielsweise in den einzelnen Produktionszellen zur Beschickung, für den Zuschnitt, in der ESG-Fertigung und im Siebdruck. Ein großes Potenzial für die Zukunft liegt in vielen Betrieben noch in der übergreifenden Vernetzung der einzelnen Teilbereiche, Prozesse und Maschinen untereinander mit entsprechender Datenauswertung und offener Kommunikation. Diese Gesamtabläufe weiter zu vernetzen, abzugleichen und mit einem Zugriff bis auf die Maschinenebene zu optimieren, ist das, was am Ende zu den weiteren Vorteilen einer digital voll abgebildeten Shop-Floor-Logistik führen wird.—
Das Interview führte Matthias Rehberger.