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Im Gespräch mit Bastian Timm

Präzision wie bei den Berliner Philharmonikern

GLASWELT – Herr Timm, seit neun Monaten sind jetzt Ihre neuen CNC-Anlagen im Einsatz. Was ist Ihr Fazit nach dieser Zeit?

Bastian Timm – Insgesamt können wir uns heute nicht mehr vorstellen, ohne die beiden neuen CNC-Anlagen zu produzieren. An dieser Stelle möchte ich die Chance nutzen, einen besonderen Dank auszusprechen an die Partnerfirmen Leitz, Homag und Klaes, aber auch insbesondere an das eigene Mitarbeiterteam, das fantastische Arbeit geleistet hat.

GLASWELT – Was war die Ausgangslage, um sich mit diesen Investitionsvorhaben zu beschäftigen?

Timm – Wir haben früher auf zwei Durchlaufanlagen der Firma Harbs aus den Jahren 1983 und 2000, unterteilt in Flügel- und Blendrahmenstraße, produziert. Die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, die zunehmende Störanfälligkeit, aber vor allen Dingen auch die Fertigungstoleranzen sowie die Flexibilität bei den verschiedenen Losgrößen haben uns dann darin bestärkt, uns nach einer neuen Fertigungstechnik umzuschauen.

GLASWELT – Wie haben Sie die Umsetzung in Angriff genommen?

Timm – Wir haben uns sowohl mit den neuen Möglichkeiten bei Durchlaufanlagen als auch mit den Möglichkeiten der CNC-Technologie für die Hauptfertigungsstraßen auseinandergesetzt. Weiterhin haben wir uns natürlich die Frage gestellt, welche Fenstersysteme wir in Zukunft auf den Anlagen fertigen wollen. Zudem habe ich mir ein Dutzend Fensterhersteller im In- und Ausland mit verschiedenen Philosophien im Fertigungsprozess anschauen dürfen und in Gesprächen auch die Schwierigkeiten mitbekommen, die bei der Installation immer wieder aufgetreten sind.

GLASWELT – Was waren die Haupterkenntnisse aus diesen Firmenbesuchen?

Timm – Zunächst habe ich festgestellt, dass moderne Durchlaufanlagen meist bei Wiederverkäufern oder bei Fensterbauern mit wenigen Fenstersystemen zu finden sind, da man hier das Hauptaugenmerk auf schnelle Durchlaufzeiten legt. Bei den Gesprächen mit den Fensterbauern mit CNC-Anlagen habe ich häufig neben allen Vorteilen den Eindruck gewonnen, dass die Programmierung unterschätzt wurde. Zudem hat es bei einigen Fensterherstellern nach der Installation sehr lange gedauert, bis wettbewerbsfähige Durchlaufzeiten realisiert wurden.

GLASWELT – Wieso haben Sie sich nach diesen Gesprächen für eine CNC-Anlage entschieden?

Timm – Dies hatte bei uns mehrere Gründe. Wir haben bei uns eine Operation „am offenen Herzen“ durchgeführt, das heißt: Wir haben die Anlagen im laufenden Betrieb ersetzt. Somit musste – da wir nacheinander jeweils eine Maschine ersetzt haben – die neue Anlage sowohl Blendrahmen als auch Flügel fahren können. Weiterhin hat natürlich die Vielzahl an Fenstersystemen eine Rolle gespielt. Wir fertigen im Holz- und Holz-Aluminium-Fensterbereich 16 Grundsysteme von Einfach- über Isolierglas- bis hin zu Verbund- und Kastenfenstern mit einer immensen Zahl an Varianten. Diese Vielzahl an Fenstersystemen ist unserer Meinung nach nur auf CNC-Anlagen rationell zu fertigen. Des Weiteren wollten wir in Zukunft die nachgelagerten Prozesse in Bezug auf die Fertigungsschritte deutlich reduzieren und wollten eine möglichst hohe Anzahl an Fertigungsschritten mit den neuen Anlagen abdecken. Auch hier hatte die CNC-Anlage gegenüber der Durchlaufanlage deutliche Vorteile.

GLASWELT – Wie sind Sie mit dem von Ihnen angesprochenen schwierigen Thema der Durchlaufzeiten umgegangen?

Timm – Nach der Grundentscheidung für die CNC-Technik war dies zunächst unser Hauptaugenmerk und auch die größte Sorge. Zunächst haben wir uns konsequent für eine vierseitige Bearbeitung der Flügel und somit für die separate und zudem völlig neu konzipierte Umfälzung entschieden, auch unter dem Aspekt der immer größer werdenden Fensterelemente und dem eigenen Anspruch an beste Produktqualität. Des Weiteren haben wir die beiden Anlagen bestmöglich in Bezug auf Spindeln und Werkzeugplätze ausgestattet und fast vollständig auf Splitting-Werkzeuge verzichtet, um optimale Fertigungszeiten zu erreichen.

GLASWELT – Wann haben Sie sich auf einen Werkzeughersteller festgelegt?

Timm – Wir haben gemerkt, dass man sich bei solch einem Prozess frühzeitig auf einen Werkzeughersteller festlegen muss. Nach einem Wettbewerb haben wir uns für die Firma Leitz entschieden. Mit Leitz haben wir hier einen verlässlichen Partner, der zwei Mitarbeiter für unser Projekt freigestellt hat und der für uns alle Systeme inkl. Änderungen gezeichnet hat. Genaue und detaillierte Zeichnungen von allen denkbaren Varianten waren der Schlüssel für die einwandfreie Programmierung.

GLASWELT –  Gab es noch andere Gründe für den Leitz-Zuschlag?

Timm – Wir brauchen für unsere hochwertigen Objekte eine Top-Bearbeitungsqualität, gepaart mit maximaler Wirtschaftlichkeit. Ein möglichst effizientes Werkzeugsystem musste es also sein, mit möglichst geringen Folgekosten. Nach eingehenden Beratungen im Zuge des Wettbewerbsvergleichs haben wir uns durchgängig für die ProFix-Systeme von Leitz entschieden. Die HW-Schneiden der ProFix-Werkzeuge sind vielfach nachschärfbar und mit jedem Schärfzyklus sparen wir Produktionskosten gegenüber dem Einsatz konventioneller Wechselmesser-Systeme. Da ProFix ein profilkonstantes System ist, liefern die Werkzeuge über ihren gesamten Standweg hinweg die identisch hohe Leistung bei gleichbleibender Profiltreue. Weiterhin ist der Service in Rufweite und eine fachlich gute Betreuung vor Ort der Schlüssel für die gute Partnerschaft mit Leitz.

GLASWELT – Warum ist bei Ihnen am Ende die Entscheidung für ein Homag-BAZ gefallen?

Timm – Wir haben uns in den Entscheidungsprozessen relativ frühzeitig auf die Firmen Homag und Weinig konzentriert, da wir bei diesen beiden Herstellern mit Abstand den größten Erfahrungsschatz bei Projekten mit Großanlagen und der komplexen Programmierung bei vielen verschiedenen Fenstersystemen vorgefunden haben. Zudem stand für uns nach der Harbs-Erfahrung auch im Vordergrund, dass wir Firmen an unserer Seite haben wollten, bei denen wir keine Angst haben müssen, dass diese in 10 – 15 Jahren nicht mehr am Markt sind. Sprachbarrieren bei der Programmierung und im Service haben uns auch aufgrund von Erfahrungen anderer Fensterbauer dazu bewogen, nur mit deutschen Firmen zu sprechen. Die Entscheidung für die Firma Homag haben wir zum einen aus Layout-technischen Gründen getroffen. Der Vorteil der Auf- und Abnahme der Holzstücke an einem zentralen Ort ist jeden Tag in der Produktion messbar. Des Weiteren konnten wir die beiden neuen CNC-Anlagen perfekt ineinander verschachteln, so dass bei Großaufträgen beide Anlagen heute von nur einer Person bedient werden können. Zum anderen überzeugt die BMB – auch im Wettbewerb – mit einer maximalen Teileleistung in Verbindung mit maximaler Flexibilität. Weiterhin kann die ausgereifte und flexible Softwarelösung hervorgehoben werden, die für uns als Objektfensterbauer sehr, sehr wichtig ist.

GLASWELT – Welche Besonderheiten konnten Sie aufgrund der CNC-Technik in Ihre Fenstersysteme integrieren?

Timm – Wir haben im Zuge der Modernisierung aller unserer Fenstersysteme auf die neue Generation 3 PLUS 8 die Möglichkeit geschaffen, alle Holzfenster mit einer technisch einwandfreien geschlossenen Brüstungsfuge zu fahren. Dies ist nicht nur optisch ein Highlight, sondern eliminiert auch die Achillesferse des Holzfensters. Es ist auch die Rückbesinnung des Seniorchefs auf das hohe Erbe handwerklicher Präzision – zeitgemäß übersetzt in die moderne Welt der CNC-Technologie. Für die prozesssichere Ausführung dieser echten Brüstungsfuge ist neben der CNC-Technik auch die Integral-Technologie von Leitz unerlässlich, bei der RipTec-Schneiden zur Vorzerspanung und Finish-Schneiden in einem Werkzeug kombiniert werden.

GLASWELT – Wurde das schon beim Anlagenbauer getestet?

Timm – Ja, um das häufig genannte Problem anderer Fensterbauer zu umgehen, dass die versprochenen Durchlaufzeiten auch lange nach der Installation nicht erzielt werden, war für uns Grundvoraussetzung bei der Vereinbarung mit Homag, dass beide Anlagen mit den jeweiligen Systemen vollständig bei der Homag eingefahren werden und dort mit Leistungsfahrten abgenommen werden.

GLASWELT – Was haben Sie trotz der anscheinend intensiven Vorbereitung unterschätzt?

Timm – Erstens: Die Programmierung. Wir haben alle Beschlagsfräsungen und -bohrungen sowie alle nur vorstellbaren Nuten integriert. Zudem fahren wir heute alle Fenstersysteme mit Falzwechsel. Dieser Programmieraufwand hat sich – natürlich auch aufgrund der Vielzahl an Systemen – über ein Jahr hingezogen. Aber: Unser eigener Programmierer und der Mitarbeiter der Fa. Homag haben hier exzellente Arbeit geleistet. Zweitens: Die AV-Eingabe der Fensterkonstruktionen ist aufgrund der Integration der vielen Arbeitsgänge deutlich komplexer und dauert folglich auch länger. Zudem verzeiht einem die CNC-Anlage keine falsche Eingabe, im Gegensatz zu früher, wo der Mitarbeiter an der Tischfräse noch einen Fehler bei einem Sonderarbeitsgang aufgrund der ihm vorliegenden AV festgestellt hat.

GLASWELT –  Trotz dieser Nachteile werden doch aber die Vorteile überwiegen?

Timm –  Keine Frage. Die Prozesssicherheit der Maschinen und die gleichbleibende Qualität der Holzbearbeitung ist gigantisch. Weiterhin sind die Ersparnisse bei den Rüstzeiten und den Nacharbeiten immens. Zudem ist die Flexibilität in Bezug auf die Losgrößen ein großer Wettbewerbsvorteil. Nunmehr besteht für uns auch die Möglichkeit, vertriebstechnisch auf kleinere Tischlereien im Berliner Raum zuzugehen, da wir ihre Aufträge schnell abwickeln können und wir sie im Zuge unseres Objektgeschäfts jeden Tag mit den eigenen Lkws beliefern können.

GLASWELT – Gab es für Sie einen besonderen Moment während des Projektes.

Timm – Der besondere Moment war die offizielle Einweihung der Anlage durch den neuen regierenden Bürgermeister von Berlin Michael Müller. Ihm wie auch allen anderen Gästen hat insbesondere die millimetergenaue Bearbeitung der wechselnden Werkzeuge enorm imponiert. Er sagte, das erinnere ihn an das harmonische Zusammenspiel der Berliner Philharmoniker. —

Das Interview führte GLASWELT Chefredakteur Daniel Mund.

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