_ Was hinter dem Q-Fin Konzept steckt, zeigte Martin auf seinen eigens dafür veranstalteten „Thementagen Fensterbau“, die Ende November am Firmenstandort in Ottobeuren bei Memmingen stattfanden. Ausgestellt war dort eine Anlage, die „die wichtigste Innovation für die Holzfensterproduktion darstellt seit der Einführung der CNC-Technik“, ist sich Martin-Geschäftsführer Uwe Schiemann sicher.
Wurden Fenster früher nur als Teil der Bausubstanz angesehen, gewinnen sie heute zunehmend den Status eines Möbelstücks – Kunden erwarten eine erstklassige Oberfläche. Das Q-FIN Verfahren ermögliche, mit deutlich reduziertem Aufwand, diese Oberfläche herzustellen. In der Anlage werden Fensterkanteln nahezu jeder Abmessung so behandelt, dass ein manuelles Vorschleifen komplett überflüssig werde. Auch auf den arbeitsintensiven und nicht immer prozesssicheren Zwischenschliff könne man verzichten, erläutert Marketingleiter Michael Mühldorfer.
Das heute weit verbreitete Fein- bzw. Hydrohobeln verspricht glatte und vor allem homogene Holzoberflächen im Fensterbau. Aber: Je ungleichmäßiger die Jahresringe verlaufen, je größer der Härteunterschied zwischen Früh- und Spätholz ist und je stumpfer das Werkzeug wird, desto unbefriedigender wird das erzielte Hobelergebnis. Betrachtet man die so bearbeiteten Oberflächen im Gegenlicht, gibt es neben glänzenden Zonen stumpfe Bereiche. Dadurch werden die heute üblichen pigmentierten Wasserlasuren vom Holz unterschiedlich stark aufgenommen. Das verstärke die optische Ungleichförmigkeit insbesondere bei dunklen Farbtönen extrem.
Ein weiteres Problem: Den Lacken werden heute häufig Inhaltsstoffe beigemischt, um Holzfehler oder Verfärbungen zu kaschieren. Ab einer bestimmten Menge dieser Beimischungen verliert das Holz jedoch seine natürliche Ausstrahlung und sieht aus wie „Plastik“.
Und nicht zuletzt tragen Fensterbauer Holzschutzmittel und Grundierungen direkt auf gehobelte, profilierte Fensterkanteln auf – um in einem weiteren Arbeitsgang die nun raue Fläche durch Schleifen oder Bürsten wieder zu glätten. Natürlich wird dadurch auch ein Teil des eben aufgebrachten Oberflächenschutzes wieder abgetragen.
Eliminierung des Zwischenschliffs
„Hier setzt das ‚Quality Finishing’-Verfahren an“, erläutert Schiemann. Er trieb die Innovation für die Holzfensterproduktion bei Martin entscheidend voran. Durch das feine Querkappen werden die Holzfasern mikroskopisch klein rechtwinklig angeschnitten. Und das in einer Definiertheit, die mit den herkömmlichen Bürstenmethoden nicht zu erreichen ist. Bei anschließendem Auftragen wasserbasierter Holzschutzmittel und Lacke stellen sich die Fasern nicht mehr auf. Die optischen Fehlstellen weichen einer homogenen, matten, gleichmäßig glatten Oberflächenstruktur mit einer diffusen Lichtreflexion. Je größer der Unterschied zwischen Früh- und Spätholz ist, etwa bei Fichte, desto mehr wirkt sich dieser positive Effekt aus. Man benötigt in der Regel keinen weiteren Lackzwischenschliff mehr. Und der Holzschutz bleibt dort, wo er hingehört: in und auf dem Holz.
Mithilfe der durch die Q-FIN Behandlung herbeigeführten „diffusen Lichtreflexion“ könnten zudem zukünftig Lacke mit einem höheren Glanzgrad eingesetzt werden.
Zwar sei die Maschine in der Lage, bei entsprechender Einstellung bis 5/10 mm Holz abzutragen, allerdings sei dies nicht die eigentliche Aufgabe. Denn es gehe nicht um Materialabtrag, sondern um eine definierte Oberflächenhomogenisierung. Diese werde schon mit einem Abtrag von nur 1/10 mm erreicht.
Das materialschonende, vierseitiges Führen der Werkstücke in dem einzigartigen Rollen-Transportsystem ermögliche eine automatische Verkettung mit nachgeschalteten Prozessen. Abdrücke durch Förderketten, Transportriemen oder Druckspuren von Stützlinealen würden bei dieser Anlage nicht entstehen.
Reduktion der Herstellkosten
Insgesamt könne mit Q-Fin innerhalb der Fensterproduktion der Personalaufwand deutlich reduziert werden. Geschäftsführer Uwe Schiemann schätzt, dass „über 20 Prozent der Kosten am Holzfenster durch die manuelle Qualitätsverbesserung der Oberfläche entstehen“. Diesen Anteil könne man mit der Anlage halbieren, so seine Einschätzung gegenüber der GLASWELT. Hinzu komme, dass es immer schwieriger werde, geeignetes Personal für das manuelle Nachschleifen zu finden. Die Arbeit ist unangenehm und muss dennoch gewissenhaft ausgeführt werden. Häufig wird teures, gut qualifiziertes Personal durch diese Arbeiten für andere Tätigkeiten mit mehr Wertschöpfung blockiert.
Als Sparringspartner hat sich Martin die österreichische Adler-Werk Lackfabrik herausgesucht. Im Verlauf der Entwicklung wurden immer wieder Material- und Oberflächentests mit dem Lackhersteller und dem Oberflächenanlagenhersteller Giardina durchgeführt. Musterkanteln und entsprechend unbehandelte Kanteln wurden im Labor beschichtet und analysiert.
Kaufinteressen vorhanden
Schiemann versichert, dass es bereits sehr konkrete Kaufinteressenten gäbe. Die Kosten für die Anlagen werden mit unter 100 000 Euro beziffert. Der nächste Schritt wird die Vorstellung der Anlage auf der Branchenmesse LIGNA in Hannover im Mai sein. Schiemann ist überzeugt, dass die Anlage „eine perfekte Ergänzung für jeden Betrieb ist, der sich die Vorteile der Einzelteilfertigung mit einer sich anschließenden Oberflächenbehandlung am losen Stück erschließen möchte. Mit unserem Verfahren addieren sich Fertigungskosteneinsparungen und qualitative Verbesserungen in idealer Weise.“—
Die Technik im Detail
Alleine schon die Abmessungen von ca. 3,4 x 1,9 x 1,7 m machen klar, dass es sich bei der Q-FIN um kein Leichtgewicht handelt. Mittels einer speziellen Rollenführung werden Bauteile von 230 x 130 mm bis hinunter zu Leistenware von 20 x 20 mm sicher durch die Maschine befördert – auch profilierte Kurzteile bis minimal 350 mm Länge. Die größeren Dimensionen machen die Q-FIN auch für Fassadenbauer oder Wintergartenhersteller interessant.
In der Q-FIN 2.4 sind neben zwei Querkappaggregaten noch vier Schleifbürstenaggregate angeordnet. Eingangs werden die beiden Seitenflächen des Fensterteils mit den Schleifbürsten bearbeitet. Hier geht es um das Versäubern dieser Flächen. Daran anschließend ist oben das erste Querkappaggregat positioniert. Die direkt danach angeordnete obere Schleifbürstenwalze entfernt im Wesentlichen Staub und versäubert den Randbereich der oberen Fläche. Daran schließen sich die beiden unten liegenden Aggregate sinngemäß an.
Über einen Touchscreen werden jegliche Einstellungen vorgenommen. Primär sind das die Werkstückdimension, der Vorschub sowie die Drehzahlen der Aggregate. Um die Bedienung bestmöglich zu vereinfachen, können holzartbezogene Parametrierungen der Maschine abgespeichert werden. Die Steuerung biete auch die Voraussetzungen für eine programmgesteuerte Gesamtverstellung der Maschine mittels Onlineansteuerung durch eine Fensterbausoftware, etwa in einer vollautomatisch verketteten Anlage. Die Maschine kann entweder nach dem Hobel oder nach der CNC-Fensteranlage in den Fertigungsprozess eingebunden werden. Dabei ist eine automatische Beschickung direkt aus einem Puffer eines Bearbeitungszentrums möglich. Hinter der Q-FIN kann eine direkte Übergabe in eine Durchlauf-Imprägnieranlage für liegende Holzfensterteile erfolgen.