_ Der Markt der Fensterhersteller ist weitestgehend aufgeteilt: Es gibt die großen Big-Player, die sicher bei der Anlagentechnik auf dem aktuellen Stand sind. Auch die Unternehmen ab 75 Mitarbeitern aufwärts sind fast durchweg mit moderner Produktionstechnik ausgerüstet. Und Unternehmen mit 20 bis 50 Mitarbeitern haben ebenso den Anspruch, auch in Zukunft Bauelemente selbst zu produzieren und oft schon in moderne Produktionstechnik investiert. In der Betriebsgröße von 5-20 Mitarbeitern ist der Anteil der Zweifler gewiss am größten: „Einige stellen die Eigenfertigung ein und entwickeln sich zu einem reinen Bauelemente-Händler,“ so die Beurteilung von Jörg Stahlmann. Der Betriebsberater sagt aber auch: „Die meisten dieser Betriebsinhaber möchten aber erstmal weiter produzieren. Und die, die jetzt investieren, haben so lange gewartet und stehen z. T. auch mit dem Rücken zur Wand.“ Software-Spezialist Thomas Reuter ergänzt: „Die hatten bisher uralte Maschinen- und EDV-Technik an Bord und sind durch den Wettbewerb gezwungen, etwas zu tun. Dann gibt es aktuelle Umstände, die die Investitionszündung auslösen: Beispielsweise, wenn ein Eigentümer- oder Generationenwechsel stattfindet. Dann wird entschieden, dass man etwas tun müsse.“
Falsche Versprechungen?
Aufgrund ihrer Umsätze sind die Mittel allerdings beschränkt: „Das Budget erlaubt bei diesen Fertigungszahlen keine großen Investitionen,“ so Stahlmann. Trotzdem werde ihnen zum Teil durch die Anlagenbauer und Werkzeuganbieter versprochen, dass man auch mit diesen begrenzten Mitteln einen großen Schritt in neue Anlagentechnik machen könne, wirft Thomas Reuter, Produktmanager beim Softwareanbieter ProLogic ein.
Stahlmann ergänzt: „Zudem wird aber auch oft mit der Investitionsentscheidung eine Philosophie im Unternehmen mindestens modifiziert, wenn nicht sogar komplett verändert.“ Beispielsweise, wenn der Betrieb dann von einer Winkelanlage auf eine CNC-Anlagentechnik umstellt.
„Für diese grundlegenden strukturellen Veränderungen wird häufig kein Budget vorgehalten.“ Diese Zusatzkosten werden dem Investitionswilligen verschwiegen – noch dazu sei er damit auf dem besten Wege, sich neue „Flaschenhälse“ in die Werkstatt zu holen.
Aber wer hat denn überhaupt die Aufgabe, den investitionslaunigen Kunden klarzumachen, welche Dimension in Betrieb und Vertrieb seine Entscheidung nach sich zieht? Klar ist: Ob Anlagenbauer, Werkzeuganbieter oder Softwarehaus: Sicher möchte man den Kunden zufriedenstellen, aber alle Beteiligten haben einzig das Interesse, das eigene Produkt zu vertreiben – natürlich auch mit dem Hintergedanken, einen möglichst großen Auftrag daraus zu machen. Es ist diesen Anbietern wohl auch nicht zu verübeln, ihren Partikularinteressen verpflichtet zu sein.
„Ich hätte vieles anders gemacht“
Wie oft trifft der Fensterbauer groß dimensionierte Investitionsentscheidungen? Wie viel Erfahrung bringt er mit, wenn es um die Gestaltung seiner Produktionstechnik geht? Stahlmann: „Es ist doch so wie bei dem Bau des Eigenheims: Oft hat man nur einen Versuch, bei dem man aber mangels Erfahrung hinterher sagen muss: Da hätte ich vieles anders gemacht.“ Aber beim Hausbau gibt es dafür einen Architekten, der die nötige Erfahrung mitbringt und den man für vieles verantwortlich machen kann.
Bei der Anlagenentscheidung trifft das nicht zu: Hier wird der „Architekt“ häufig eingespart, denn Betriebsberater haben in den Betrieben nicht immer den besten Ruf. Dabei sollte man allerdings beachten, mit welchem fachlichen Hintergrund dieser Berater ausgestattet ist und welche Kompetenzen und welches Netzwerk dieser mitbringt.
Übrigens ist das im Nachbarland Schweiz völlig anders: Dort würde kaum ein Betrieb eine Investitionsentscheidung ohne diesen „Architekten“ treffen – Experten werden immer hinzugezogen. Nur bei uns herrscht allerorten das „Geiz ist geil“-Prinzip, beklagt Software-Experte Reuter.
Beratungsresistent aus Kostengründen
Stahlmann: „Ein Berater kostet Geld, das ist klar. Aber eine Investitionsentscheidung zu treffen, ohne einen Berater hinzuzuziehen, kostet am Ende deutlich mehr Geld. Denn wenn die Kunden Geld für meine Dienstleistung bezahlen, haben sie ein kalkulierbares Risiko, weil ich für meine Tätigkeit und das Ergebnis geradestehen muss.“ Reuter dazu: „Leider sind die Firmeninhaber selbst oft beratungsresistent aus Kostengründen.“ Dem Kunden genüge es häufig schon, dass der Maschinenanbieter eine Beratungsleistung mitbringt – „ein Techniker ist schließlich ja immer während der Anlagenentscheidung mit dabei.“ Nur werde dabei immer vergessen, dass diese Beratungsleistung immer aus der Sicht des Anlagenbauers geschieht – und auch einzig die Technik berücksichtigt, die im Unternehmen Einzug hält. Nicht beachtet werden Veränderungen die das Produktmanagement, das Marketing oder den Vertrieb betreffen.
Tatsache ist: Fensterbauer sind Personalmanager, Vertriebs- und Produktionsleiter, Anwendungstechniker u.v.m. in Personalunion. Das sind schon so viele Themen, die man alleine eigentlich nicht zufriedenstellend bedienen kann. Wenn dann noch das Thema „Investition“ ansteht, liegt es auf der Hand, hier nicht auch noch zu wissen, was gerade „State of the art“ ist.
Pflichtenheft: Oft Fehlanzeige
Ein weiteres Problem: Der Fensterbauer vergisst immer wieder, klare Zielvorgaben festzulegen. Nach den Erfahrungen von Reuter und Stahlmann haben weniger als 20 Prozent der Unternehmer vor einer Investitionsentscheidung ein Pflichtenheft erstellt. Reuter: „Häufig entwickelt der Kunde erst während der Investitionsphase das Gefühl für das, was er wirklich braucht.“ Erst dann werden die wichtigsten Fragen geklärt, wie welche Kapazität erreicht werden soll oder welche Systeme am Ende produziert werden.
Systemoffenheit belastet zusätzlich das Budget
Geht es um die Klärung der Frage nach der Systemtechnik, offeriert der Anlagenanbieter seine völlige Systemoffenheit. „Da heißt es oft“, so Stahlmann: „Bei uns gibt es keine Einschränkung, mit unseren CNC-Maschinen können wir alles abbilden.“ Und auch der Werkzeuganbieter lässt keine Wünsche offen. Dann ist allerdings die Gefahr groß, dass diese Systemoffenheit das Budget zusätzlich belastet, denn wenn man sich die Anlage für alle Eventualitäten einrichtet, kostet das auch Geld.
„Es gibt tatsächlich Fensterbauer, die kaufen CNC-Anlagen und haben noch kein Werkzeug und keine EDV dafür,“ berichtet Stahlmann. Und Reuter: „Manche Betriebsinhaber möchten sich einfach eine tolle Anlage zulegen – das ist dann wie Weihnachten: Produzenten stehen mit leuchtenden Augen vor ihren neuen Anlagen und es wird tatsächlich mehr investiert, als wirklich nötig wäre.“
Dieses Verhalten würde gerade bei den holzverarbeitenden Betrieben auftreten. PVC-Fensterhersteller seien in ihren Anlagenentscheidungen viel pragmatischer. „Dazu kommt, dass es im Holz keinen Systemgeber gibt,“ so Stahlmann. „Alle bauen ein IV68 – aber keines ist gleich.“ Das fängt ja schon bei der Eckverbindungsphilosophie an.
Das Fatale dabei: Die Technik verliebte Klientel versucht dann jenseits der wirtschaftlichen Logik eine spezielle Eckverbindung auf alle Systeme durch zu deklinieren. Reuter: „Wenn diese spezielle Eckverbindung auch an Setzhölzern, Kämpfern und Sprossen und Schräghölzern konfiguriert wird, dann ist das schnitzen an Holzteilen und kostet sehr viel Zeit.“ Das gehe dann zu Lasten der Produktionsgeschwindigkeit. Theoretische Kapazitätsberechnungen hätten dann aber in der Praxis keinen Bestand mehr.
Werkzeugsplitting kann die Stückkosten erhöhen
Ein weiteres Problem spricht Stahlmann mit dem Werkzeugsplitting an: Es besteht die Möglichkeit, dass man beispielsweise mit drei Werkzeugsätzen sechs Systeme abbilden kann. Dabei werde dann aber oft nicht berücksichtigt, dass der Kunde mit einem Kernsystem – beispielweise ein IV68 Holz-Alu – 80 Prozent der Aufträge erledigt. Die anderen Konstruktionen kommen nur selten zur Ausführung. Um diese Vielfalt aber anbieten zu können, werden die Werkzeugsätze aufgesplittet. Der Nachteil dabei: Die Stückkosten für den Dauerläufer erhöhen sich enorm, das Werkstück verbringt durch das Splitting deutlich mehr Zeit in der Maschine. Das bedeutet: Das Standardprodukt wird teurer, die Kapazität geht in den Keller.
Alle an einen Tisch!
Heißt der Ausweg aus diesen Problemen, dass Fensterbauer viel eher auf eine „Paketlösung“ zurückgreifen sollten, bei der schon von Anfang an klar ist, was hinterher rauskommt, wollte ich von den Experten wissen. Schließlich weiß dann der Fenstermacher von Anfang an, was und wie viel damit zu produzieren ist. Nur die Realität sehe anders aus, bekennt Stahlmann: „Es kommt dann immer noch die Individualität jedes einzelnen dazu – jeder möchte eine spezielle Eckverbindung und einen anderen Radius am Holz – und dann wird es wieder teuer.“
Wichtig ist wohl generell, dass derjenige, der tief in die Investitionsschatulle greift, alle Anbieter an einem Tisch versammelt – vielleicht auch inklusive eines unabhängigen Beraters. Dann müssen Leistungen schriftlich definiert werden, damit man sie auch hinterher einfordern kann. Und wenn alle am Tisch sitzen, wird auch keiner versuchen, andere Partner auszuspielen – schließlich muss man sich ja dabei auch immer in die Augen schauen.
Aber wichtig ist wohl auch bereits vorher zu wissen, was hinterher rauskommen muss. Und dabei zu definieren, welche Zutaten für das Ergebnis benötigt werden. Denn es ist so wie im Supermarkt: Nur mit einer perfekten Einkaufsliste gelingt die stressfreie Shoppingtour. —