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Plädoyer für den äquivalenten U-Wert

Nicht nur auf den Fenster-U-Wert schauen!

U-Werte als Wärmedurchgangskoeffizienten beschreiben als „Verlustgrößen“, welche Wärmeleistung zwischen innen und außen verloren geht. So benötigt z.B. ein Holzfenster mit einem unbeschichteten 2-fach- ISO bei einem Uw-Wert von 2,8 W/m2K je nach Einbauort ca. 31 Liter Heizöl pro Jahr und Qua­dratmeter Fensterfläche. Ein Fenster mit einem Uw = 1,2 mit ca. 13 l/m2a braucht hingegen nur noch bei einem Bruchteil davon und „produziert“ ca. 58 % weniger ­Wärmeverluste.

Entscheidende Größe: g-Wert

Während der „statische“ Uw-Wert von den Eingangsgrößen U-Wert des Rahmens, U-Wert der Scheibe, den Flächenanteilen dieser Komponenten und dem Einfluss des Isolierglasanbindungssystems (Wärmebrückenkoeffizient ψ in ­ W/mK) sowie der gesamten Fensterfläche abhängig ist und rein den Wärmeverlust beschreibt, wird bei der realistischeren Betrachtung des „äquivalenten Uw-Wertes“ eine Bilanzierung von Wärmeverlusten und Wärmegewinnen vorgenommen. Die entscheidende Größe dafür ist dabei der g-Wert der Verglasung. Dieser ist stark von der Art der Glasbeschichtung und geringfügig auch von der Glasdicke abhängig.

Der besondere Clou der Glasbeschichtungen ist ihre „selektive Durchlässigkeit“: Ein sehr großes Spektrum umfassende Sonnenstrahlung wird in unterschiedlichen Wellenlängen-Bereichen zu sehr unterschiedlichen Anteilen hindurchgelassen. Dabei beschreibt der g-Wert (Gesamtenergiedurchlassgrad) den Anteil der ins Rauminnere gelangenden Energie über den gesamten Wellenlängen-Bereich des Sonnenspektrums. Der TL- oder τV-Wert hingegen ist der durch eine Verglasung hindurchgehende Anteil des sichtbaren Sonnenlichtes (Strahlen von 380 bis 780 nm Wellenlänge). Insgesamt sind Beschichtungen zum Wärme- und zum Sonnenschutz unterschiedlich optimiert; beide Schichtsysteme haben eine vergleichsweise hohe Durchlässigkeit für kurzwellige Strahlen, also einen Großteil der Sonnenstrahlung, aber eine geringe Durchlässigkeit für langwellige Wärmestrahlung. Die kurzwelligen Sonnenstrahlen wandeln sich beim Auftreffen auf Gegenstände in langwellige Wärmestrahlung um. Die Wärme wird – zusammen mit der ebenfalls langwelligen Wärme von Heizsystemen – im Raum gehalten, da die Beschichtungen die langwelligen Strahlungen nach draußen eher abblocken. Bei großflächigen Verglasungen besteht dadurch aber die „Gefahr“ einer Überhitzung, weshalb die EnEV die Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz auch verschärft hat.

Chance auf äquivalenten Uw-Wert

Der g- und auch der τV-Wert von derzeit üblichen Verglasungen kann sehr unterschiedlich ausfallen. Deshalb ist es sehr wichtig, nicht allein auf den Ug-Wert und damit auch auf den Uw-Wert zu schauen, sondern auch die beiden anderen Größen im Auge zu behalten. Dies insbesondere auch deshalb, weil für die nächste Stufe der EnEV eine Chance besteht, mit einem äquivalenten Uw-Wert bzw. einen äquivalenten HT‘-Wert als Nebenbedingung zu dem Jahres-Primärenergieeinsatz durch Berücksichtigung des Energiezugewinns bei transparenten Bauteilen, eine bessere und richtigere Beurteilung von Glas, Fenster und Vorhangfassaden zu bekommen.

Diese Betrachtung ist nicht neu; bereits in der Wärmeschutzverordnung 1995 gab es einen äquivalenten k-Wert für das Fenster. Dabei wurde ­ von der Verlustgröße Wärmedurchgangskoeffizient ein Strahlungsgewinn abgezogen, der sich aus dem g-Wert und einem von der Himmelsrichtung abhängigen Strahlungskoeffizienten SF ermittelte. Weil dabei Verluste und Gewinne gegeneinander aufgerechnet wurden, sprach man auch von einem „Bilanz-k-Wert“. Diese Betrachtungen auf die heutigen Verhältnisse bezogen, bringen interessante Erkenntnisse. Dazu sind in der nachstehenden Tabelle mit den heute gängigen Glas- und Fenster-Werten neben dem statischen ­Uw-Wert zusätzlich Bilanz-U-Werte dargestellt. Für Letztere sind zwei Ermittlungsgrundlagen in der Diskussion. Während die Wärmeschutzverordnung 1995 noch von Strahlungsgewinnkoeffizienten SF von 2,4 W/m2K für die Südorientierung, von 1,65 W/m2K für Ost- und West- sowie 0,95 W/m2K für Nordorientierung und damit relativ hohen Werten ausging, sind diese in der ­ DIN V 4108-6:2003-06 mit 2,1 für Süd-, 1,2 für Ost- und West- sowie 0,8 W/m2K für Nordorientierung etwas vorsichtiger gewählt.

Die Tabelle zeigt interessante und durchaus überraschende Ergebnisse. Immerhin: Das heutige Standard-2-fach-Isolierglas mit einem g-Wert knapp über 60 % ist in der energetischen Gesamtwirkung dem Standard-3-fach-Wärmedämmglas mit Ug = 0,7 W/m2K und einem g-Wert um die 50 % in der Südorientierung praktisch ebenbürdig. Auch bei den übrigen Orientierungen liegt das nominell um 0,4 W/m2K bessere 3-fach-Glas nur unwesentlich günstiger als die 1,1er-Scheibe. Erst wenn das 3-fach-Glas einen g-Wert um die 60 % vorweisen kann, zeigt sich ein merklicher Effekt beim Bilanz-U-Wert. Zu beachten ist zusätzlich, dass die 3-fach-Verglasungen bei der Lichtdurchlässigkeit knapp über 70 % liegen, während die Ug = 1,1-Schicht mit 80 % auftrumpfen kann. Da laut EnEV in Nicht-Wohngebäuden auch die Beleuchtungsenergie in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen ist, sollte auch dem Lichttransmissionsgrad TL Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Mit diesen Ergebnissen im Hinterkopf ist den Fachbetrieben dringend anzuraten, im Beratungsgespräch auf die Möglichkeit von 3-fach-Wärmedämmglas mit hohem g-Wert hinzuweisen. An die Isolierglas-Hersteller geht der Appell, die doch überdeutliche und von außen nicht nachvollziehbare Preiskluft bei 3-fach Isolierglas mit 50 bzw. 60 % g-Wert zu verringern. Es wäre schade, wenn durch eine falsche Preispolitik die Marktdurchdringung mit möglichen exzellenten technischen Werten ver- oder auch nur ­behindert wird. —

Auf einen Blick:

Isoliergläser können mit verschiedenen Wärmedämm-Beschichtungen ausgestattet werden. Bei einer Bilanz-Betrachtung (äquivalenter Uw-Wert) relativieren sich die Unterschiede zwischen einem 2-fach-Isolierglas mit Ug = 1,1 und einem g-Wert von z.B. 63 % im Vergleich zu einem 3-fach-Wärmedämmglas mit Ug = 0,7 und einem g-Wert um die 50 %. Erst wenn das 3-fach-Glas einen g-Wert von ca. 60 % aufweist, wird der Einsatz wieder sehr interessant – wenn auch der Mehrpreis durch den Zusatz-Nutzen nie wieder eingespielt werden kann.

Zu diesem Thema ist eine gemeinsame Verbände-Studie veröffentlicht worden. Lesen Sie dazu auch den GLASWELT Beitrag in Heft 07/10, Seite 7 und 25. In der selben Ausgabe auf Seite 16 erläutert passend dazu Ralf Vornholt, SGGD, wie sich der Einsatz von 3-fach-ISO auf die Energiebilanz auswirkt .

Der Autor

Reiner Oberacker ist Leiter der Technischen Beratung im Fachverband Glas Fenster Fassade Baden-Württemberg, ­Karlsruhe.

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