GLASWELT: Herr Dr. Weidmann, im Vorfeld der fensterbau/frontale 2010 haben Sie zur 2. Otto-Fachtagung eingeladen. Welches Thema stand im Fokus dieser Veranstaltung?
Dr. Volker Weidmann: Unsere Fachtagung „Holz-Glas-Verbundelemente“ thematisierte eine neue Fertigungstechnologie für großformatige Isolierglaseinheiten als Teile von Fassaden bzw. Wintergärten in Wohnhäusern. Bei diesen Bauelementen wird eine Koppelleiste werkseitig umlaufend mit einer Glasscheibe zu einem statisch wirksamen Verbundelement geklebt. Wir hatten dazu ein Team von Experten versammelt, das diese Technologie aus allen Blickwinkeln beleuchtete: von den jüngsten Forschungsergebnissen der Holzforschung Austria (HFA), über die Art der Konstruktion bis hin zu Grundlagen der Klebstoffauswahl und die Applikation der Klebstoffe. Weiter wurde diskutiert, welche Akzente man dabei durch die entsprechende Glasauswahl setzen kann.
GLASWELT: Sie arbeiten eng mit der HFA in Wien zusammen. Welche Impulse haben sich daraus für Ihre Produktentwicklung ergeben?
Dr. Weidmann: Wir sind seit über vier Jahren bei verschiedenen Projekten der Holzforschung Austria involviert. Zunächst haben wir Produkte für das „geklebte Fenster“ beigesteuert, die im Rahmen des Versuchaufbaus den entsprechenden Prüfungen unterzogen wurden. Im nächsten Schritt haben wir diese Produkte weiterentwickelt und so modifiziert, dass sie dem jeweiligen Anforderungsprofil optimal entsprachen. Dabei haben wir auch Erkenntnisse für die Anwendung von Silikon-Klebstoffen in Holz-Glas-Verbundelementen gewinnen können.
GLASWELT: Die HFA hat zwei Prototypen realisiert. Bei der Schattenbox, einem Wohnhaus nahe Wien, wurde eine 2-geschossige Glasfassade erstellt, bei der Glas eine statische Tragfunktion übernimmt. Spielt der Werkstoff Glas damit eine neue Rolle in der Architektur?
Dr. Weidmann: Ja, ganz bestimmt. Bei den Holz-Glas-Verbundelementen wird das Glas, wie schon erwähnt, mit einer Koppelleiste zu einer statisch wirksamen Einheit verbunden und in die Rohbaukonstruktion eingebracht. Wegen des hohen Vorfertigungsgrads geht das sehr schnell, d.h. der Rohbau ist schnell dicht für den Ausbau. Es kommt dabei eine völlig neue Fertigungstechnologie zum Tragen. Gleichzeitig leistet Glas einen wichtigen Beitrag zu Erhalt und Gewinnung von Wärmeenergie. Um diesen Effekt weiter zu fördern, und ihn auch wirtschaftlich umzusetzen, ist eine einfache, schnelle Montagemöglichkeit notwendig, und diese bietet die neue Technologie.
GLASWELT: Wo liegen Ihrer Meinung nach die konstruktiven Grenzen des Systems?
Dr. Weidmann: Die hat die HFA in den Forschungsergebnissen ganz klar aufgezeigt: sie liegen in der Dimensionierung. Die maximale Kantenlänge liegt bei 1000 x 3500 mm und im maximalen Seitenlängenverhältnis von 1:2. Damit ist eine klare Begrenzung auf die klassische Geschosshöhe gegeben.
GLASWELT: Gibt es verbindliche Güte- oder Fertigungsrichtlinien für diese Elemente?
Dr. Weidmann: Zunächst können wir hier auf die Forschungsergebnisse der HFA verweisen, die sehr fundiert sind, nicht nur was die Belastungen betrifft, sondern auch die Verarbeitung. Die HFA hat zur Herstellung von Holz-Glas-Verbundelementen ein eigenes Handbuch herausgegeben. Aktuell sind wir in einer Projektphase angekommen, in der der Pioniergeist entscheidet. Gefragt sind nun zukunftsorientierte Unternehmer, die sich dieser neuen Technologie annehmen, ohne dass sie sich jetzt bereits auf Normen und Richtlinien beziehen können. Weiter unterstützen die TU München sowie das ift Rosenheim diese neue Technologie.
GLASWELT: Eine Reihe von Fensterbauern setzt bereits auf die Klebetechnik, die Mehrzahl ist jedoch noch zurückhaltend, was Investitionen in diese Technik angeht. Warum?
Dr. Weidmann: Das geklebte Fenster ist ein anderes, wenn auch ähnliches Thema: während das geklebte Fenster die Fensterfertigungstechnologie stützt, können Holz-Glas-Verbundelemente das Fenster als Fassadenelement ergänzen. Wir sind jetzt seit etwa vier Jahren im Bereich „Fensterkleben“ tätig und haben in dieser Zeit einen Paradigmenwechsel miterlebt. Ursprünglich wurde das geklebte Fenster als kostengünstige Produktionstechnologie gesehen, dem ist aber nicht mehr so. Vielmehr wird das geklebte Fenster heute ganz klar als architektonisches, gestalterisches Element eingesetzt. Man sieht deutlich, dass vorausschauende Unternehmen als erste das Potenzial geklebter Konstruktionen begriffen und es erfolgreich umgesetzt haben. Aber immer mehr Fensterbauer setzen auf geklebte Fenstersysteme.
GLASWELT: Welche konkreten Hilfestellungen gibt Otto-Chemie Fenster- oder Fassadenbauern, die ihre Produktion auf die Fensterfalzklebung umstellen wollen?
Dr. Weidmann: Beim geklebten Fenster kann der Verarbeiter davon ausgehen, dass Otto mit verschiedenen Profilherstellern bereits geprüfte Klebe-Systeme im Markt hat. Der Verarbeiter kann sich mit Ottocoll S 81 auf einen Klebstoff stützen, der nicht nur vom Profilhersteller freigegeben ist, sondern eben auch im Forschungsprojekt der HFA bestanden hat. Was die neuen „Holz-Glas-Verbundelemente“ betrifft, bieten wir mit der Spezialentwicklung Ottocoll S 660 einen Klebstoff für die Koppelleiste an, der von der HFA geprüft und freigegeben wurde. Wir arbeiten eng mit Herstellern von Misch- und Dosiertechnik zusammen und versuchen, ein System anzubieten, das genau auf seine Bedürfnisse abgestimmt ist. Und nicht zuletzt kann er sich auf die hochwertige Qualität eines erfahrenen und für seine hohe Qualität bekannten mittelständischen Klebstoffherstellers verlassen.
GLASWELT: Ist es jetzt so, dass Sie sagen „unser Part ist erfüllt“ oder werden Sie das Holz-Glas-Verbundelement weiter begleiten?
Dr. Weidmann: Wir sind gerade dabei, das Projekt kräftig anzustoßen! Anlass der Fachtagung war es, unsere Marktpartner über die Vorzüge geklebter Konstruktionen zu informieren. Es geht darum, Vertrauen zu wecken – Kleben ist für viele Menschen eine schwierige Angelegenheit! Wir wissen aus jahrzehntelanger Erfahrung bei Otto, dass es häufig an einzelnen Personen im Unternehmen hängt, ob es der Klebetechnologie aufgeschlossen gegenübersteht oder nicht. Hier muss man zunächst anhand vieler Beispiele sowie Forschungsergebnisse belegen, dass Kleben eine dauerhaft zuverlässige Technologie ist. Es gibt Bereiche, die sind auf Kleben ausgerichtet. So klebt die Isolierglasindustrie seit vielen Jahrzehnten und die Isolierglas-Hersteller sind die erste Adressaten für die neue Fertigungstechnologie, um damit den Markt zu bedienen. Auch die Fassaden- und die Wintergartenbauer müssen sich des Themas annehmen. Und nicht zuletzt die Architekten, die die Möglichkeiten von Holz-Glas-Verbundelementen zunächst erst einmal entdecken müssen. Es gibt noch viel zu tun: wir stehen erst am Anfang einer sehr langen aber höchst interessanten Reise.—
http://www.otto-chemie.deHalle 6, Stand 330