Die Frage, ob mit deutschen Hochtechnologie-Fenstern das Weltklima gerettet werden kann, mögen andere beantworten. Sicher ist: Energieeffiziente Fenster stellen eine sinnvolle Antwort auf Ressourcenverknappungen und Energiekostenexplosionen dar. Gerade im deutschsprachigen Raum wird seit nunmehr fast 20 Jahren bewiesen, dass diese bautechnische Aufgabe lösbar ist: Passivhäuser funktionieren! Sie sind wirtschaftlich und führen zu einem behaglichen Raumklima. Nach Einigung am 18.11.2009 zur neuen EU-Gebäuderichtlinie, sind ab dem Jahr 2020 neue Gebäude „nahezu energieautark“ zu errichten. Eine machbare Aufgabe, wenn die Gebäudehülle dem heutigen Passivhausniveau entspricht.
Was ist zu tun? Die heutigen „Standardfenster“ mit einem Wärmedurchgangskoeffizienten von Uw = 1,3 W/m2K, sind in den nächsten Jahren für die breite Anwendung in Richtung „Passivhaus“ zu trimmen. Der Blick auf momentan verfügbare Konstruktionen zeigt ein weites Spektrum – aber auch einige Merkwürdigkeiten.
Die voraussichtliche „EnEV-Zwischenhürde“ im Jahr 2012 mit einem Uw = 1,0 W/m2K in der Modernisierung und als Referenzgebäude-Rechenwert bedarf schlichtweg einer Dreifach-Verglasung. Das Einbinden einer 3-fach-Isolierglasscheibe in das altbewährte IV68 scheitert jedoch oft an der fehlenden Bautiefe der Konstruktion. Dieser Umstand treibt vielen kleineren Fensterbauunternehmen die Schweißperlen auf die Stirn. Nicht selten sind dickere Rahmenkonstruktionen auf den vorhandenen Holz-Bearbeitungsmaschinen nicht herstellbar. Neben der Anschaffung neuer Werkzeuge ist daher eine Investition in neue Maschinen erforderlich.
Der Kostenaufwand ist sicherlich enorm. Man darf an dieser Stelle aber nicht vergessen, dass man letztlich über einen Zeitraum von rund 30 Jahren nicht gezwungen war, technologisch bei den Maschinen aufzurüsten. Nach ca. 30 Jahren ist es mehr als legitim, eine neue Holzfenstergeneration zu etablieren. Ein „Rahmentuning“, z.B. mit integrierten Luftkammern in einem IV 68-Fenster, hilft nicht wirklich weiter. Die energetischen Verbesserungen sind marginal, die Profile werden geschwächt (Statik, Einbruchhemmung, usw.) und die 3-fach-Isolierglasscheibe passt noch immer nicht hinein.
Die Rahmen wurden und werden mithin dicker. Es sind bei allen namhaften Herstellern mittlerweile Holzfenster verfügbar, die Rahmendicken zwischen 80 und 110 mm aufweisen. Die damit verbundenen Uf-Wert-Verbesserungen bewirken beim Uw-Wert jedoch keine Quantensprünge. Letztlich ist es der Dreifach-Glasaufbau, welcher über die nächsten EnEV-Hürden hilft.
Lenkt man den Blick von der allgegenwärtigen Energieeffizienz auf generelle Aufgabenstellungen im Bauwesen in den nächsten Jahren, dann zeigt sich ein breites Spektrum. Was steht an?
- Sommerlicher Wärmeschutz> g-Werte und Sonnenschutz
- Lüftung> Öffnungsarten, Lüfter
- Schallschutz> Fensterbauarten
- Glasverklebung> Konstruktion der Glasfälze
- „Seniorengerecht“> Schwellen, allgemeine Handhabung
- Allgemeine Komfortkriterien> Insektenschutz, motorische Antriebe
- Starkwetterwiderstand> Verglasungen, Beschläge
- Gebäudeautomation> Einbindung in Gebäudeleittechnik
- Nachhaltiges Bauen> Materialien, Montagezargen, usw.
Bei der Errichtung und Modernisierung von Nicht- Wohngebäuden werden bereits mit steigender Tendenz entsprechende „Multifunktionsfenster“ gefordert. Nicht selten kommt es dann zu einem Sammelsurium von Einzelkomponenten, wodurch Planung und Bauablauf nicht gerade leichter werden. Als Beispiel sei der sommerliche Wärmeschutz genannt. Im Zuge immer größerer Dämmstoffdicken spielt die Wärmequelle „opakes Bauteil“ praktisch keine Rolle mehr. Die Kühllasten werden heutzutage in weitaus größtem Maße vom Fenster bzw. der Verglasung bestimmt. Leider führt Halbwissen und unzureichende Planungstiefe in der Regel zum Einbau eines außenliegenden Lamellen-Sonnenschutzes. Mit dieser Variante kann keiner ernsthaft glücklich sein. Nachteile gibt es genug:
- Die Kästen reduzieren den Dämmstoffanteil im Sturzbereich.
- Führungen verhindern eine optimale Dämmstoffüberdeckung der Blendrahmen.
- Ab bestimmten Windstärken fährt der Sonnenschutz hoch und ist mithin unwirksam.
- Zum Durchschreiten einer Fenstertür ist der Sonnenschutz stets hochzufahren.
- Der Durchblick ist nur in geöffneter Lamellenstellung möglich.
- Die Fassadenarchitektur wird von unterschiedlichen Lamellenstellungen „verhunzt“.
- Es bedarf einer regelmäßigen Reinigung der Lamellen.
- Bei der Modernisierung eines Baudenkmals ist die Nachrüstung eines außen liegenden Sonnenschutzes nahezu ausgeschlossen.
Es mag dem Umstand geschuldet sein, dass die einschlägigen Tabellen zu fc-Werten (DIN 4108-2) bzw. gtotal-Werten (DIN V 18599-2) suggerieren, nur ein außen liegender Sonnenschutz sei effektiv. Ferner herrscht die pauschale Meinung vor, Sonnenschutzverglasungen seien „tot“.
Exakte Berechnungen nach DIN EN 13363-1 und -2 führen hingegen schnell zu dem Ergebnis, dass z.B. ein klug ausgewählter Sonnenschutz im Scheibenzwischenraum eines Verbundfensters äußerst wirksam ist. Es sollte daher immer eine entsprechende objektbezogene Variantenberechnung Bestandteil im bauphysikalischen Planungsprozess sein.
Stichwort Verbundfenster oder Kastenfenster: Die Forderung nach „Multifunktionen“ bei Fenstern nimmt zu. Die Integration der vielfältigen technischen Eigenschaften in eine 3-fach-Isolierglasscheibe stößt nicht selten an Grenzen. Im Umkehrschluss wird die Sache enorm vereinfacht, wenn die Funktionen auf zwei Glas- bzw. Flügelebenen verteilt werden können, z.B. Wärmeschutz bei der Außenverglasung und Einbruchhemmung bei der inneren Scheibe.
Die bisher durchgeführten Untersuchungen des Autors lassen eine entsprechende Funktionstrennung auch noch aus einem anderen Grund in den Fokus rücken: Wir werden Vakuum-Isolierglasscheiben bekommen – und haben keine Fenster dafür. Energetische Berechnungen zu 90 bis 110 mm dicken Fenstern, ausschließlich versehen mit Vakuum-Isolierglasscheiben, führen zu ernüchternden Ergebnissen. Außer der Reduzierung des Glasgewichts durch Einsparung der dritten Scheibe, ändert sich nichts. Ursächlich ist der vergleichsweise hohe Wärmeverlust über den VIG-Glasverbund.
Erst Vergleichsberechnungen mit Verbundfenstern, bei denen die VIG-Scheibe im Außenflügel eingesetzt wurde, zeigen den möglichen Quantensprung. Resultierend mit einem Ug-Wert von 0,35 W/m2K und einer deutlichen Verringerung des Ψg-Wertes, können Passivhausfenster mit einem Uw < 0,62 W/m2K realisiert werden. Dann kann man in der Tat von einer deutlichen Verbesserung sprechen.
Aber muss man beim Uw-Wert wirklich noch viel besser werden? Bereits jetzt stellen doch moderne Fenster vielfach Wärmezugewinnfenster mit negativem Uw,eq-Wert (äquivalenter Wärmedurchgangskoeffizient) dar. Antwort: Wir müssen. In sogenannten „Niedrigenergiehäusern“ wird die Spitzenheizlast – und damit die Auslegung der Heizungsanlage – maßgeblich durch die Fenster bestimmt. Eine deutliche Absenkung beim U-Wert führt letztlich zu einem kleineren Wärmeerzeuger einschließlich aller nachgeschalteten Komponenten. Diese Wechselwirkung wird bei Vergleichs- und Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu Fenstern gerne „vergessen“. In diesem Sinne sollte sich die Fensterbranche nicht zurücklehnen. Es geht weiter!
Vor dem Hintergrund des bekannten „Fahrplans der Bundesregierung“ bei den energetischen Anforderungen ist es müßig, Diskussionen über die Wärmeleitfähigkeit von Hölzern zu führen oder Luftkammertuning zu betreiben. In spätestens 10 Jahren sollte die Branche Fensterkonstruktionen mit Uw < 0,65 W/m2K als Standard etabliert haben. Das wird man mit einem ausschließlichen Feintuning an den vorhandenen Konstruktionen nicht schaffen. —
Der Autor
Dirk Sommer ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger in Berlin und Inhaber des Büros für Fenstertechnik und Energieberatung „haus und holz“
Kontakt: huhds@aol.com